Eine Klima-Diskussion

Wir reden über die an Klimaschutz interessierten jungen Menschen und (unter anderem) ihre Fridays for Future-Demonstrationen. Ich vermute, dass diese vielleicht auch deswegen so gut besucht waren, weil sie Freitag vormittags stattfanden. Als Gegenprogramm zur Schule hatten sie per se einen gewissen Reiz – unabhängig vom Demonstrationsanliegen. Mein Gegenüber ist den jungen Menschen gegenüber deutlich wohlwollender eingestellt als ich: Ohne deren radikale Forderungen wäre die notwendige Änderung der Klimapolitik bis heute nicht auf der Agenda, schätzt er.

Wir sind uns einig: Die Schäden fürs Klima verursachen wir vor allem durch unseren energieintensiven Lebensstil, wie es so schön heißt. Der hat sich in den letzten 30, 40 Jahren enorm verschoben: Wir nutzen viel mehr technische Geräte, wohnen großzügig, unternehmen (mehr oder weniger) häufig Flugreisen und sind überhaupt sehr mobil. Dazu kommt eine Menge Müll in Form von Einweg-Flaschen beziehungsweise -Tüten oder -Verpackung. Außerdem ist es leider oft leichter und manchmal auch günstiger, etwas neu zu machen, als Altes weiter zu nutzen. Bei vielem davon sind gerade junge Menschen von heute ganz vorn mit dabei. Ihre Wortwahl gegenüber den Älteren, die `ihnen das Klima kaputtgemacht haben´ empfinde ich daher manchmal als sehr anmaßend: Wer im Glashaus sitzt, sollte vorsichtig mit Steinen werfen. Mein Gesprächspartner scheint meine engagierten Ausführungen zu belächeln.

Ich gebe zu bedenken, dass alternative Energien allein das Problem nicht in den Griff bekommen werden; wir alle müssen umdenken, was unsere Ansprüche angeht. Wären die Standards noch so wie vor 30 Jahren, ständen wir heute anders da. Als ich bezweifle, dass junge Menschen gern so leben würden wie wir vor 30 Jahren, bemerkt mein Gegenüber: „Keiner will mehr so leben wie vor 30 Jahren“. `Das ist genau das Problem´, denke ich.

Das gibt’s doch nicht?

Einmal im Jahr treffe ich in Berlin zwei alte Schulfreunde für ein gemeinsames Wochenende und ein bisschen Kultur. Wir reden viel, essen gut und schlafen wenig. Dieses Jahr gehen wir zum Auftakt ins Theater – in Potsdam. Das Stück ist nicht überwältigend, aber auch nicht schlecht. Weil meine Gastgeber eine der Schauspielerinnen kennen, bleiben wir nach der Vorstellung kurz da. In der Schlange zur Getränke-Theke stehen wir hinter einem Pärchen. Der Mann ist mir – von hinten – merkwürdig vertraut. Ich tippe ihm auf die Schulter; er dreht sich erstaunt um und fängt an zu lächeln: Vor 30 Jahren bewohnte ich ein Jahr lang ein Zimmer in seiner Wohnung am Friedrichshain. Trotz der vergangenen Jahrzehnte erkennen wir uns sofort. Ein Zufall oder ein glücklicher Umstand? `Das gibt’s doch nicht!´ gibt’s eben doch. Auf jeden Fall habe ich jetzt seine Telefonnummer. Selbst wenn (wahrscheinlich) kein längerfristiger Kontakt daraus entsteht: Es war für mich die Sahnehaube auf dem Theaterbesuch, ihn wiederzusehen.

Liebe einmal anders

`Liebe kann auch bedeuten, sich rauszuhalten.´ Dieser schöne Satz steht in einem Artikel über eine blinde Frau, die täglich ihren 600 Quadratmeter großen Garten beackert. Ihr (sehender) Mann hilft ihr kaum – obwohl er sie liebt. Nur die Ernte übernimmt er teilweise: Schließlich kann sie nicht sehen, wann die Tomaten reif sind. Auch andere Dinge könnte er sicher besser und vor allem schneller, aber darum geht es nicht. Der Garten ist Sache seiner Frau; Effizienz spielt hier keine Rolle. Ihr Mann mischt sich nicht ein, vertraut seiner Frau und hält sich raus – weil er sie liebt.

Wieso, weshalb, warum? 

Es ist schon stark, was manche Leute im Brustton der Überzeugung von sich geben. Ein BUND-Vertreter in unserer Gegend behauptete nachdrücklich, Rinder auf einer Weide habe er `schon öfters vor Hunger bölken gehört´. Ich staune über seine Sicherheit: Ich konnte nicht einmal bei meinen eigenen Kindern mit Sicherheit sagen, warum sie `bölken´. Sie taten das in jungen Jahren auch manchmal – und nicht immer war mir klar, warum. Hunger kam in Frage, ebenso wären Frust oder Wut als Ursache möglich gewesen. Die Kinder eines unserer Nachbarn schreien immerzu. Bei ihnen liegt es daran, dass sie einfach ausgesprochen laut kommunizieren – ausnahmslos und viel. Ihre Eltern scheint es nicht zu stören, sie mischen sich selten ein; und wenn doch, dann ebenso laut.

Die Rinder und Kühe meiner Freundin bölken auch, vor allem, wenn sie bullen oder rindern, also deckbereit sind. Man kann es nennen, wie man will. Sicher ist: Sie sind nicht hungrig – sie wollen Sex.

Voll zutreffend

`The days are just packed´ lautet der Titel eines Comic-Teiles aus der Reihe `Calvin and Hobbes´. Es erzählt von dem sechsjährigen Jungen Calvin und seinem Kuscheltiger Hobbes – für Calvin ein lebendiges Gegenüber. Eltern oder andere Figuren spielen nur Nebenrollen (passend zur Realität eines echten Sechsjährigen). In der deutschen Übersetzung heißt der betreffende Band `Ereignisreiche Tage´, was lange nicht so gut klingt wie die wörtliche Übersetzung: `Die Tage sind einfach voll´ gefällt mir viel besser und beschreibt manchmal auch mein Leben. Aber egal, wie sehr ich mich manchmal abmühen muss, um sie in den Griff zu bekommen, diese (meist selbst gewählte) Fülle: Der Gedanke an den englischen Titel des Buches zaubert mir JEDESMAL ein Lächeln ins Gesicht.

(K)ein Experte!

Seit über 25 Jahren bin ich Agraringenieurin, allerdings ohne nennenswerte praktische Erfahrung. Ergo habe ich davon letztlich keine Ahnung (mehr!). Diplomiert bin ich nur auf dem Papier und könnte mir das Zertifikat an die Wand hängen. Es sähe vielleicht schön aus (oder auch nicht) – aber das wärs: Ein Experte auf dem Gebiet der Agrarwissenschaft bin ich deshalb noch lange nicht. Dazu fehlt mir, dass ich mich darin übe, probiere, fehle und wieder von vorn anfange … Wer sich auskennen will, muss dazulernen und Erfahrung sammeln. Nur wenn ich dranbleibe, kann es passieren: dass andere den Experten in mir sehen. Auf einem bloßen Titel kann ich mich nicht ausruhen – geschweige denn ihn wie eine Trophäe vorzeigen. Einen Experten ohne Erfahrung kann man nicht ernst nehmen.

Vom Leiten und Dienen

„Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht.“
Matthäus 20, 26+27

Wer den Hut aufhat, muss einige besondere Eigenschaften mitbringen, das ist klar. Leiten kann nicht jeder. Normalerweise erwarten wir von Leitern eine hohe fachliche Kompetenz – nur die Besten an die Spitze. Dabei ist Know How aber nicht das Wichtigste. Ein Leiter braucht nicht derjenige zu sein, der weiß, wie man eine Aufgabe erledigt, eine Tätigkeit optimiert oder Prozesse effizient gestaltet. Das können seine Mitarbeiter im Idealfall mit Sicherheit besser – es ist IHR Tagesgeschäft. Stattdessen muss der Chef ein Händchen und Interesse für die Menschen mitbringen, für die er verantwortlich ist: Welche Schwächen und Stärken haben sie? Wie kann ich sie wertschätzen, ermutigen und motivieren? Die Antworten sind nicht nur von Mensch zu Mensch verschieden, sondern oft auch von Tag zu Tag – und das ist herausfordernd. Deshalb sind gute Leiter schwer zu finden. 

Jesus hat ganz richtig erkannt: Wer stolz ist, kann nicht leiten; ein Leiter braucht Demut. Er muss sich in den Dienst `seiner Leute´ stellen können (und wollen). Wenn ein Leiter das schafft – dann dienen ihm die Leute gern. Es klingt paradox, ist aber wahr: Wer anderen wirklich dient – nicht vorsätzlich, sondern ehrlich –, hat Autorität.

Lange nicht gesehen … 

Spontan besuche ich eine Freundin für einen gemeinsamen Kaffee. Auf dem Rückweg treffe ich eine Bekannte, die ich sehr lange nicht gesehen habe. Wir tauschen Nummern aus und verabreden uns lose. Danach springe ich noch schnell in einen Supermarkt, um etwas zu besorgen – und treffe eine weitere Bekannte, die ich sehr lange nicht gesehen habe. Wir nehmen uns direkt dort Zeit für ein kleines gegenseitiges Update.

Durch beide Begegnungen beschwingt radele ich nach Hause; dort finde ich einen Brief vor meiner Tür: Die dritte Bekannte, die ich sehr lange nicht gesehen habe, war offenbar direkt bei mir zu Hause. Einen Moment lang bin ich ein bisschen enttäuscht, dass ich sie verpasst habe. Man kann nicht alles haben, äh, alle sehen!

Sandkasten-Geschachere

Jede Mutter hat schon einmal am Sandkasten gestanden und ihren (und eventuell fremden) Kindern beim Spielen zugeschaut. Die Mit-Buddler tauschen oder kämpfen um Utensilien und bewundern oder zerstören die Werke anderer – je nach Situation einmütig oder rivalisierend. Die Stimmung wechselt blitzeschnell; es läuft nach erratischen Mustern, die sich der Logik von Erwachsenen-Hirnen komplett entziehen: Sandkasten-Geschachere. Am Ende einer Spieleinheit gehen die Streithähne müde auseinander und fangen beim nächsten Mal gerade wieder bei Null an. Nichts im Sandkasten hält länger als einen Tag; die Werke sind vergänglich, sowohl Streit als auch Harmonie binnen kürzester Zeit vergessen. Im Stundentakt werden die Sympathien und Strategien neu gemischt. Als Mutter mischt man sich am besten nicht ein: Die Kinder schaffen das schon – und wenn nicht, hat es keine weitreichenden Konsequenzen.

Ähnlich irritiert wie damals vor dem Sandkasten stehe ich heute manchmal vor dem, was von der Bundesregierung entschieden wird – diesmal bin ich verunsichert beziehungsweise erschrocken:

Deutsche Kernkraftwerke werden zum 31. Dezember vom Netz genommen, obwohl sie wahrscheinlich am 1. Januar ebenso sicher weiter dran bleiben könnten. Schon jetzt haben wir ein ernsthaftes Energie-Problem; sogar ich verstehe, dass auch Strom eine Form von Energie ist.

Warum auch immer muss man im Flugzeug keine Maske mehr tragen, im Zug aber doch? Die Entscheidung zu Masken in Schulen steht wohl noch aus oder liegt in Hand der Länder – das Ergebnis ist in beiden Fällen unvorhersehbar.

Ich weiß, dass die Abgeordneten verschiedener Parteien miteinander ringen – nicht nur im Sandkasten gehen die Meinungen zu einem Thema auseinander. Aber in der Regierung müssen andere Maßstäbe gelten, weil die Konsequenzen so viel weitreichender sind! Von Politikern erwarte ich, dass sie verhältnismäßig, verantwortungsvoll, nachvollziehbar und vor allem umsichtig agieren. Halbherzige Kompromisse und Sandkasten-Geschachere sind fehl am Platz; wir können morgen nicht wieder bei Null anfangen.

Stört mich doch!

Ich hätte nicht `Stört mich nicht!´ sagen sollen – weiß aber, dass es müßig ist, darüber nachzudenken. Passiert ist passiert: Ich hatte nichts gegen ein Loch vor unserer nicht benutzten Einfahrt. Deswegen bearbeitet ein Mann den Asphalt vor unserer Tür mit seinem Bohrhammer – schon den zweiten Tag und mittlerweile für Loch Nummer 2. Er macht dabei einen enormen Lärm. Ich nehme an, der Nachbar lässt irgendwelche Leitungen neu verlegen. Beide Löcher stören uns nicht beim Ausparken; ich kann also nichts dagegen haben. Hätte ich gewusst, wie sehr mich der Lärm beim Zuhause-Sein stört: Mein `Stört mich nicht!´ wäre mir wahrscheinlich nicht so leichtfertig über die Lippen gerutscht. Hinterher ist man immer klüger – und in diesem Fall tatsächlich auch etwas gestört.