Viel einfacher

Ich bin da, wo ich vor zehn Jahren schon mal war: Wenn ich koche, reicht es für zwei Tage; die Wäsche läuft nebenbei; es bleibt Zeit und Raum für Dinge, die außer der Reihe stattfinden. Mit dem Auszug des zweiten Kindes sind wir nur noch fünf Personen; plötzlich, so scheint es, essen wir nur noch die Hälfte. Und auch vieles andere wirkt viel einfacher. 

Allerdings ist das keine absolute Aussage: Ich bin an sieben Leute gewöhnt und empfinde fünf als wenig – Müttern von drei Kindern geht es wohl ähnlich, wenn nur noch eins zu Hause wohnt. Wir wachsen mit unseren Aufgaben und stellen uns andersherum ebenso auf kleiner werdende Herausforderungen ein. Es ist und bleibt alles relativ.

Theoretisch: gut, praktisch: Luft nach oben

Wir diskutieren über Sinn oder Unsinn einer in der Schule verfassten Hausarbeit. Das Ziel derselben ist es, hinterher mehr über wissenschaftliches Arbeiten zu wissen als vorher: wie man recherchiert, Quellen korrekt benennt, das Wichtige vom Unwichtigen trennt und seine Erkenntnisse gut lesbar und verständlich zu Papier bringt. Das bisherige Konzept: Die Schüler belegen ein Seminarfach und schreiben anstelle von Klassenarbeiten eine kurze und eine längere Facharbeit – die Ergebnisse zählen nur wenig für die Gesamtnote.

Mein Sohn und ich zweifeln, dass dieses Format hilft, wissenschaftliches Arbeiten zu erlernen. Stattdessen suchen die meisten Schüler sich ein vermeintlich leichtes Thema, arbeiten dieses flüchtig ab und hoffen auf eine gnädige Note: so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Mein Mann dagegen sieht das Ganze positiver. Wo wenn nicht in der Schule könne man erste Erfahrungen mit wissenschaftlichem Arbeiten machen?

Wir diskutieren über diesen speziellen schulischen Bildungsansatz – und reden doch aneinander vorbei. Während mein Sohn und ich die praktische Umsetzung bemängeln, begrüßt mein Mann die theoretische Idee dahinter.

Er ist dann mal weg!

Luftlinie sind es 7.442,4 Kilometer von Celle in Deutschland nach Chingola in Sambia. Dort wird mein Sohn die nächsten elf Monate verbringen; das ist weit weg und klingt nach einer langen Zeit. Ich kann ihm nicht helfen, wenn er Hilfe braucht – aber das ist manchmal ebenso, wenn er neben mir steht. Wir werden nicht persönlich miteinander sprechen oder uns in den Arm nehmen können – aber das liegt nur an der Entfernung und hat nichts mit unserem Verhältnis zu tun. Er wird Dinge erleben, von denen ich keine Ahnung habe, und Probleme selbst lösen müssen, die mich nicht betreffen. Und ein wenig wird er uns (digital) daran teilhaben lassen, das reicht.

Bliebe er innerhalb Deutschlands, wären wir räumlich dichter beieinander. Für ihn wäre das leichter – einerseits: Er könnte unkomplizierter auf uns zurückgreifen und würde das auch tun. Am anderen Ende der Welt ist er dagegen auf sich selbst zurückgeworfen und muss sich sein eigenes soziales Netz neu schaffen. Das ist zunächst fremd und mühsam. Andererseits schaut er über seinen persönlichen Tellerrand und darf sich ausprobieren: Fern der Heimat ist er ein unbeschriebenes Blatt und kann Kontakte knüpfen, die mit dem Bisherigen nichts zu tun haben. Er ist so frei, wie er es jetzt gerade mal sein kann. Was für eine tolle Gelegenheit!

Ich gönne meinem Sohn die Zeit und freue mich auf unser Wiedersehen in elf Monaten. Das klingt nur lang, ist es aber nicht: Die letzten 19 Jahre mit ihm sind schließlich auch wie im Flug vergangen.

Genial fällt auf?

`Mehr Schotter für dein Kies´ steht auf einem Werbeplakat, und ich zucke unwillkürlich zusammen: Natürlich spricht man das genau so. Aber ebenso natürlich ist es grammatikalisch verkehrt geschrieben – und DAS bereitet mir ein gewisses Unbehagen. Ich gebe zu, dass sich `Mehr Schotter für deinen Kies´ nicht so flüssig läse (und anhörte). Aber es gäbe eine geschmeidige Lösung: ein simples Apostroph an der richtigen Stelle.

Es kann sein, dass `Mehr Schotter für dein΄ Kies´ mir dann überhaupt nicht aufgefallen und im Kopf geblieben wäre. Insofern ist die vorhandene Version die gelungenere, was den Erinnerungseffekt angeht … Sollte die zuständige Werbe-Agentur das bedacht haben? Ich ziehe meinen Hut vor diesem genialen Schachzug, äh Slogan!

Weniger genial finde ich das Apostroph an der falschen Stelle, wie zum Beispiel bei `Ingrid΄s Pommesbude´ oder `Martina΄s Blumenlädchen´. Das ist einfach nur verkehrt. Ich hoffe, es fällt keinem auf – und bleibt nicht im Kopf.

Merkwürdig

Rose stammt aus Kenia. Ich treffe sie bei einer gemeinsamen Freundin und erlebe sie als typisch afrikanisch – ansteckend temperamentvoll. Vor über 30 Jahren lebte sie einige Monate in Deutschland; ab und zu ist sie zu Besuch hier. Fröhlich lachend erzählt sie von ihrem damaligen `Kulturschock´: Es sei so leicht gewesen bei den Deutschen, sich zu `verspäten´; aber jemanden mitzubringen, wenn man selbst eingeladen war – ein Ding der Unmöglichkeit. Noch immer sind das die Dinge, die in ihrer Heimat vollkommen anders laufen – und ihr als merk-würdig in den Sinn kommen. Wir lachen gemeinsam darüber. Bei ihr bin ich nicht ganz sicher, was sie mehr zum Schmunzeln bringt: ihre afrikanische Andersartigkeit oder unsere merkwürdigen deutschen Gepflogenheiten.

Überschuss

Eine Bekannte von mir versprüht so viel Lebensfreude – es reicht für mehr als sie allein: Nach einer Begegnung mit ihr sprudele ich beschwingt durch die nächsten paar Stunden.

Schwierig

80 Regierungs- und Medienvertreter fliegen gemeinsam nach Kanada und tragen keine Maske. Einige Leute kritisieren dieses Verhalten und finden, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird: Jeder andere deutsche Fluggast betritt in diesem Sommer nur maskiert ein Flugzeug. Eine Regierungssprecherin verteidigt die Aktion mit den Worten, für eine Regierungsmaschine gälten andere Regeln. In unserer Tageszeitung weist ein Journalist darauf hin, die Kritik daran käme `vor allem auch von rechts´. 

Andere Regeln hin oder her: Selbst wenn Flugzeuge der Regierung oder der Bundeswehr auf einer anderen Rechtsgrundlage starten dürfen (was diverse Juristen bezweifeln): Ist es weise, sich dann darauf auszuruhen? Geltendes Recht ist die eine Sache, der absolute Umgang damit eine andere. Nicht alles, was erlaubt ist, ist auch angemessen – man darf auch mit 400 km/h über eine deutsche Autobahn fahren … Meines Erachtens ist es alles andere als schlau, im besten Fall naiv, aber wahrscheinlich eher selbstgerecht – und das gilt für die Autobahnfahrt ebenso wie für den Flug mit Sonderregeln. Es zeugt von einer großen Arroganz, ein solches Verhalten im Nachhinein wortreich zu rechtfertigen. Stattdessen angebracht wären bescheidene Formulierungen im Sinne von: `unangemessen´ und `tut uns leid´. Sie würden helfen, Glaubwürdigkeit und Vertrauen wieder herzustellen.

Zusätzlich bedenklich finde ich, dass eine Tageszeitung die sehr berechtigte Kritik an diesem Verhalten zwar erwähnt, aber umgehend in die rechte Ecke befördert. Je inflationärer man mit dem Begriff `rechts´ umgeht, umso weniger Schrecken verbreitet derselbe: Seit zweieinhalb Jahren gelten bei uns zunehmend diejenigen Menschen als `rechts´, die die Regierungslinie kritisch hinterfragen. Sie fühlen sich zu Recht missverstanden und zu Unrecht abgestempelt.

Außerdem ist die Frage des Rechts zwar wichtig, aber nicht der einzige Aspekt. Egal, ob die Rechtsgrundlage vorhanden ist für eine Maskenpflicht in Flugzeugen oder anderswo: Eine mindestens ebenso entscheidende Frage ist doch, ob wirklich noch medizinische Gründe dafür existieren. Allerdings befürchte ich, mich mit derartigen Überlegungen direkt für die rechte Ecke zu qualifizieren … 

Alles schwierig, ganz schwierig.

In der Stadt

Eines Morgens verbringe ich drei Stunden in der Landeshauptstadt: Ich warte auf einen Frisch-Operierten und bin selbst ohne Beschäftigung. Die Fassaden wirken auf mich hässlich und grau, irgendwie abgegrabbelt und `nicht schön´. Einige Zeit sitze ich in einem Bäckerei-Café und beobachte, wie der Straßenzug vor mir langsam aufwacht: Müll-Autos, Lieferdienste, eilige Radfahrer, zunehmend auch Fußgänger, gelegentlich ein Bus. Immer mehr Menschen sind auf den zunächst leeren Bürgersteigen unterwegs und beleben die triste Umgebung.

Zwischendrin regnet es – dennoch trägt kaum jemand eine Regenjacke. Unter ausgefahrenen Markisen und überstehenden Dächern, im Schatten der Häuser wird man nicht so leicht nass wie bei mir zu Hause in meinem ländlichen Kleinstadt-Viertel. Die Leute, die ich sehe, sind sehr unterschiedlich. Diese Vielfalt ist inspirierend und irritierend gleichermaßen. Sind Menschen hier einzigartiger als in der Provinz oder zeigen sie nur mutiger ihren individuellen Stil? Es scheint alles erlaubt; dennoch komme ich mir verloren vor: Die Menge der einzigartigen Individualisten wirkt anonym. 

Nicht so in `meinem´ Café; ich identifiziere einige Stammgäste. In der Stadt geht beides – in der Masse untergehen und sich in seinem Kiez zugehörig fühlen. Trotzdem möchte ich nicht hier wohnen: Mein Zuhause ist eher der ländliche Raum.

Geht so nicht

Wir mussten (notgedrungen) ein neues Beet anlegen, weil eine entwurzelte Tanne eine Freifläche hinterlassen hatte. Leider liebt jegliches Unkraut frisch angelegte Beete wie die Motte das Licht: Ich muss regelmäßig jäten. Heute kommt mir dabei ein (für mich) ketzerischer Gedanke: Ich mag unseren Garten, aber ich könnte auf das `Beackern´ desselben verzichten. Leider geht das so nicht – man kann nicht alles haben wollen und nichts dafür tun.

Es sei denn, wir gestalten das Beet um in eine Sitzfläche … 

Ein Stift, ein Papier, eine Handschrift

Ich mag Handschriften. Zwei Freundinnen von mir schreiben nicht nur sehr leserlich und gleichmäßig, sondern für meinen Geschmack auch ausgesprochen schön. Dass sie sich noch dazu gut ausdrücken können, steigert das Lese-Vergnügen umso mehr.

Meine eigene Handschrift unterliegt starken Schwankungen. Ich weiß schon lange, dass das nicht nur an meiner eigenen Verfassung liegt, sondern eher am Schreibgerät: Das sauberste Schriftbild erzeuge ich mit einem Füller. Einige Kugelschreiber eignen sich ebenfalls, andere dagegen gar nicht; ein mittelharter Bleistift geht gut; Tintenroller sind (für mich) gänzlich ungeeignet. Dass aber das Papier eine ebenso wichtige Rolle spielt, habe ich erst kürzlich festgestellt. Normalerweise schreibe ich auf dem Kopierpapier, das wir für unsere Drucker benutzen – gern günstig, manchmal recycelt. Dieses Jahr bekam ich von meiner Mutter richtiges Briefpapier, inklusive Wasserzeichen. Seither sieht jede Briefseite schön aus, was hoffentlich bei den Empfängern gut ankommt. An der Güte des Inhalts hat sich nichts geändert – die hat eher mit meiner eigenen Verfassung zu tun …