Was geschieht

Es heißt, man würde mit seinen Aufgaben wachsen. Das mag in gewisser Hinsicht stimmen – im Hinblick auf meine Muskeln, Nerven oder meine Auffassungsgabe. Aber ICH bin so viel mehr als ein Körper mit Muskeln und Nerven – Menschen haben Geist und Seele. Letztere trainiere ich nicht auf der Überholspur, dafür brauche ich Zeit und Muße. Allerdings bleibt heutzutage und in unserer Gesellschaft immer weniger Zeit, in Ruhe von einem zum nächsten zu gehen: „Nach der Herausforderung ist vor der Herausforderung“, heißt es. Menschen haben `die Hände voll´ mit ihrem Alltag, sind immer beschäftigt und wirken getrieben. Für Reflexion ist kaum Gelegenheit. Dabei sind die Momente `dazwischen´ mindestens ebenso wichtig: Durch sie erkenne ich meine Motivation, schöpfe Kraft – und merke, dass nicht viel wirklich in meiner Hand liegt. Innehalten bewirkt, dass in uns etwas geschieht. Das kann (auch für andere) bedeutsamer sein als das, was durch uns geschieht.

Kein guter Deal

Wir verleihen unser großes Auto und erhalten als Ersatz zwei kleine. Eines davon ist wirklich klein, bei dem anderen funktioniert die Servolenkung nicht. Angesichts anstehender Autofahrten ist der Tausch kein guter Deal für uns. Wir sind trotzdem flexibel: In den nächsten zehn Tagen werden wir beide Wagen vor allem stehen lassen – und noch mehr Fahrrad fahren.

Kontaktaufnahme

Ich laufe gegen den Wind und nähere mich langsam einem vor mir gehenden Menschen mit Hund. Der Mensch dreht sich des öfteren um und sieht mich kommen, der Hund nicht. Als ich die beiden fast erreicht habe, bemerkt mich der Hund, erschrickt und kommt (zugegeben: schwanzwedelnd) auf mich zu. Ich halte an. Der Mensch hat Knöpfe im Ohr und telefoniert offensichtlich. Um den Hund von mir abzulenken, schnipst er wortlos mit dem Finger und zeigt von mir weg. Der Hund gehorcht zögernd; ich laufe weiter. Ein paar Sekunden später höre ich aggressives Rufen hinter mir: „Emma, hierher!“ Leicht alarmiert drehe ich mich um und sehe den Hund (zugegebenen: schwanzwedelnd) auf mich zu rennen. Wieder halte ich an. Einige weitere aggressive Rufe später („Emma, hierher, hierher!“) trollt sich der Hund und trabt zurück zu seinem Menschen; ich laufe weiter. Alles zusammen dauert kaum zwei Minuten, aber es beschäftigt mich die nächsten zwanzig:

Dass der Hund Kontakt aufnehmen wollte, verstehe ich – Hunde sind soziale Wesen und verhalten sich dementsprechend. Dass der Mensch keinen Kontakt aufnehmen wollte, verstehe ich nicht – Menschen sind soziale Wesen und verhalten sich manchmal anders.

Gut gebrüllt?

Ich mache mir Gedanken über etwas, was mich sehr beschäftigt, und schreibe diese auf. Das Ergebnis – meiner Meinung nach ausgewogen und lesenswert – schicke ich zu einem Freund. Dieser liest den Text brav und quittiert meine Bemühungen mit „gut gebrüllt, bin eigentlich mit allem einverstanden“. Damit holt er mich flugs auf den Boden der Tatsachen zurück – obwohl er das sicherlich nicht beabsichtigt. Sein `Kompliment´ ist für mich wie eine etwas unsanfte Erdung: Meine Gedanken sind gut, aber nicht neu; ich formuliere nicht ausgewogener als andere und überzeuge niemanden mit meinen klärenden Betrachtungen. Was mich Mühe und Zeit gekostet hat, ist weder besonders wichtig noch ändert sich dadurch der Lauf der Dinge – wahrscheinlich inspiriere ich nicht einmal meinen Freund.

Meine Gedanken sind nicht einzigartig, ich weiß das. Trotzdem werde ich weiter aufschreiben, was mich beschäftigt. Für mein Gemüt ist es wichtig, dass ich regelmäßig das Durcheinander in meinem Kopf sortiere – und das kann ich am besten schriftlich. MIR wird dadurch einiges klarer, ICH verändere mich – und erlebe mich den manchmal irritierenden Umständen gegenüber als weniger ohnmächtig. Das sollte mir reichen. Nächstes Mal behalte ich meine Gedanken für mich und spare mir mein `gutes Gebrüll´.

Ohne Bühne oder Amt

Wenn ich auf der Bühne stehe oder ein Amt inne habe, hören mich viele – und meine Worte haben viel Gewicht. Entsprechend geht mit einer Bühne oder einem Amt eine gewisse Verantwortung einher: Ich muss mir gut überlegen, was ich sage.

Das gilt insbesondere für Politiker, finde ich. Natürlich dürfen sie sagen, was sie denken – wir leben in einer Demokratie. Aber sie sollten berücksichtigen, dass ihre Worte viel Macht haben, und darum ausgewogen und bedacht formulieren. 

„Bundesgesundheitsminister Jens Spahn warnt vor einer 800er Inzidenz im Herbst“ steht in der Zeitung. Das werde passieren, sagt er, wenn sich bis September die Inzidenz weiter alle zwölf Tage verdoppelt. Natürlich kann niemand das so genau wissen, auch Jens Spahn nicht – obwohl ihm sicherlich viel mehr Daten zur Verfügung stehen (und die Zeit, diese auszuwerten) als mir. Eine so hohe Inzidenz ist nur eine Prognose. Noch dazu sagt sie nicht viel aus über die Hospitalisierung in unserem Land. Es wäre gut, beide Aspekte zusammen zu betrachten, um die Lage zu beurteilen. Zudem werden – so wird es seit Monaten propagiert – Geimpfte und Genesene nur mild erkranken: Eine Überlastung unserer Krankenhäuser ist daher auch bei hoher Inzidenz nicht zu erwarten. Spätestens nach diesen Überlegungen muss sich Jens Spahn fragen, was er mit seiner Aussage bezweckt, und antizipieren, welche Folgen sie haben kann.

Menschen, die nach Monaten dieser und ähnlicher Nachrichten ohnehin schon Angst haben, werden verunsichert und sehnen sich nach Halt. Andere Bürger sind von Corona genervt und wünschen sich ein Ende der Maßnahmen. Die Lösung für beide liefert Jens Spahn gleich mit: Die einzige Alternative sei eine Impfung, sagt er – wie viele anderen Politiker auch. Natürlich distanzieren sich alle von einer `offiziellen´ Impfpflicht, machen aber gleichzeitig von einer hohen Impfquote den Rückgang zur Normalität abhängig: In derselben Zeitung lese ich zwei Tage später, dass sich eine Quarantäne nur durch eine Impfung verhindern lasse – und nicht Geimpfte riskieren, ihren Urlaub absagen zu müssen. Das gelte jedoch nur für die Delta-Variante, bei der Gamma-Variante müssten auch Geimpfte in Quarantäne. Eine demokratisch garantierte Entscheidungsfreiheit hört sich anders an.

Aufgrund von Veranstaltungen mit einer positiv getesteten Person sind in unserer Gegend derzeit hunderte gesunde junge Menschen in Quarantäne. Sie selbst sind unbestritten nicht stark gefährdet, schwer an Covid-19 zu erkranken. Sehr wahrscheinlich hätten sie einen milden Verlauf – und würden im Anschluss als Genesene gelten. Inwiefern diese jungen Leute Covid-19 übertragen würden, wissen wir nicht – ebensowenig wie bei denen, die trotz einer Impfung ein zweites Mal erkranken. Warum also ist nur die Impfung ein probates Mittel für die Herdenimmunität, nach der wir streben? DAS lese ich nicht in der Zeitung, das frage ich mich.

Ich fühle mich durch viele Politiker und die meisten großen Medien in diesem Land tendenziös informiert, zu einer bestimmten Handlungsweise manipuliert, in meiner Freiheit beschnitten und hinsichtlich einer eigenen Meinung entmündigt. „Geht`s noch?“, frage ich mich. Wie lange soll Covid-19 noch unser einziges und größtes Problem sein? Was soll die Panikmache, was ist das Ziel der andauernden Impfpropaganda? Ich habe nichts gegen Impfungen; ich denke sogar, dass sich jeder impfen lassen sollte, der Angst vor einer durch das Corona-Virus ausgelösten Krankheit hat. Allerdings halte ich es für fragwürdig, die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben an diese Impfung zu koppeln. Der Druck in Richtung einer bestimmten Sicht- und Handlungsweise ist ungeheuer und wächst – aber natürlich dient alles zu meinem Besten.

Mich erinnert das ehrlich gesagt an Politik und Berichterstattung in der ehemaligen DDR. Auch dort kam man deutlich problemloser durchs Leben, wenn man dem staatlich vorgegebenen Kurs zustimmte und sich entsprechend verhielt. Alle anderen hatten`s schwerer. Ich weiß, dass dieser Vergleich hinkt (wie jeder andere auch) und ich so etwas kaum sagen kann, ohne mir Geschichtsverdrehung (oder Querdenkerei) vorwerfen lassen zu müssen. Aber ich habe kein Amt, stehe nicht auf einer Bühne und lebe in einer Demokratie. Die wenigen, die mich hören oder lesen, können sich gern und leicht von meiner Meinung distanzieren – sie hat kaum Gewicht.

Illusion oder Vertrauen

„Es ist gut, auf den Herrn vertrauen und nicht sich verlassen auf Menschen.“
Psalm 118, 8

Obwohl ich vor zwei Tagen mit der Schere durch meine Buchsbäume gegangen bin, finde ich bei näherer Betrachtung noch weitere Zünsler-Nester. Je länger ich suche, desto mehr finde ich. Es ist offenbar eine Illusion, dass ich alle Zünsler-Larven beseitigen könnte.

Ich finde aber auch Schnecken in den Buchsbäumen und sehe Vögel, die hineinfliegen. Die Pflanzen machen insgesamt einen gesunden Eindruck: Viele Triebe sind nicht befallen oder neu. Daher vertraue ich darauf, dass meine Buchsbäume trotzdem überleben können, selbst wenn ich den Zünsler nicht vollständig ausmerzen kann.

Ebenso ist es, wenn ich ins Auto steige. Ich kann eine noch so gute Autofahrerin und mit einem sehr modern ausgestatteten Fahrzeug unterwegs sein: Ein folgenschwerer Unfall ist immer möglich. Ein Moment der Unachtsamkeit, ein Reh (oder Kind), das über die Straße läuft, plötzlicher Starkregen auf der Autobahn … Wenn ich mich mit dem Auto auf den Weg mache, vertraue ich darauf, dass ich trotzdem heil ankommen werde.

Heranwachsende Kinder kann ich als Mutter immer weniger schützen – vor gefährlichen Situationen, schlechtem Einfluss, unangenehmen Erfahrungen. Dennoch lasse ich sie zunehmend allein ziehen. Ich vertraue darauf, dass sie trotzdem gut durch ihre Tage kommen.

Ein gewisses Restrisiko gehört im Leben dazu, wir können nicht alles vorhersehen, einplanen oder klären. Es ist eine Illusion, dass wir alles im Griff haben. Die Frage ist, wem wir in letzter Instanz vertrauen, dass unser Leben trotzdem gut ausgeht.

„Verlasset euch nicht auf Fürsten; sie sind Menschen, die können ja nicht helfen.“
Psalm 146, 3

What my life is about

There is a saying that you should only worry about the things you can change, be relaxed about the things you can’t change, and have the wisdom to distinguish one from the other. So I think it could be smart to stop worrying too much about all the Corona politics and decisions. Some of them will happen anyway, some of them won’t. Most of us will just have to live with them – on the grand scale. What we do in our households, whom we meet, how we talk about it, what we believe and whether we respond with anger, fear, insecurity, or worry: this is still our choice.

I have decided that I won’t try to convince people of `my truth´. If they opt for a vaccination – well. If they wear their masks happily – well. I don’t intend to be aggressive or anything. Sometimes I even refuse to talk about it at all. And especially I am trying not to think about it all the time! A friend of mine is fighting breast cancer, my sister has had to work every day without a break for months on end (because her co-worker is dying of cancer), my oldest kid has just finished school (and wonderfully so) and will leave home soon … I have other things to think about, to pray for, to deal with. Good ones, sad ones, happy ones: THIS is what my life is about, not any virus.

(I know all this in my head – unfortunately this is sometimes different from what I `know´ in my heart.)

Epische Breite

Manche Menschen tun alles in epischer Breite. Sie erzählen, essen, dekorieren, musizieren, schminken sich, diskutieren oder sonst irgendetwas – metaphorisch gesprochen: ohne absehbares Ende. Für die, die zuhören, zuschauen oder warten, ist diese Ausführlichkeit eher anstrengend. 

Einer unserer Nachbarn flext in epischer Breite in seinem Garten. Es klang erst nach Steinen, mittlerweile nach Metall. Weder sein Vorankommen noch ein Ende seiner Bau-Aktion sind absehbar – buchstäblich: Uns trennt ein Sichtschutz. Seit drei Tagen warte ich angestrengt darauf, dass er fertig wird.

Nebeneffekt

Anfang Juni starteten wir das erste Mal eine Schneid-Aktion gegen den Buchsbaumzünsler in unseren Buchsbäumen. Früher als erwartet habe ich heute ich eine neue Population dieser gefräßigen Raupen entdeckt. Ich dachte, ich hätte noch ein wenig mehr Zeit – dem ist nicht so. Statt also den Ferienanfang zu genießen, gehe ich mit einer Schere in den Garten und entferne befallene Triebe. Die Buchsbäume werden dadurch natürlich wieder ein bisschen kleiner. Ich denke: Wenn ich die Pflanzen weiter alle sieben Wochen beschneide, sind sie am Ende des Jahres weg. Mit den Buchsbäumen verschwindet dann auch der Zünsler. Das ist mein eigentliches Ziel – und wäre in dem Fall aber irgendwie doch ein `Nebeneffekt´.

Aufwand und Nutzen

Wir rechnen gern nach Aufwand und Nutzen und beurteilen nach: Lohnt sich das? Wenn wir etwas kaufen, interessiert uns der Preis; für eine Arbeit erwarten wir einen angemessenen Lohn. Bei mir selbst ist der Ertrag meist nicht monetärer Art: Wenn ich koche, soll das Essen schmecken und uns satt machen; um den Garten kümmere ich mich, damit er sich eignet als grünes Naherholungsgebiet; ich putze, weil es das Wohngefühl verbessert. Sogar Erziehung dient einem Ziel – lebenstaugliche Menschen.

Aber was ist mit den beiden Fotobüchern, die ich kürzlich für unseren Ältesten gestaltet habe? Sie haben viel Zeit und auch Geld gekostet und gefallen ihm sehr – aber wahrscheinlich wird er sie nicht oft anschauen in seinem Leben. Außerdem verändert sich durch die Bücher nichts in unserem Verhältnis: Mein Sohn liebt mich nicht mehr oder weniger, fühlt sich ohnehin wertgeschätzt und erinnert sich auch ohne Fotosammlung an viele der Situationen, die in den Büchern festgehalten sind.

Ginge es nur nach Aufwand und Nutzen, müsste man im Fall dieses Projektes sagen: Es `rechnet´ sich nicht – oder jedenfalls schlecht. Aber die Arbeit daran hat mir viel Spaß und mich sehr dankbar gemacht. Sie hat sich eben doch `gelohnt´.