Auf jeden Fall gut trainiert

Zwei Kinder sind krank: Gliederschmerzen, festsitzender Husten, nächtliche Schwitzattacken, allgemeine Schlappheit. Ich empfehle das Übliche – viel trinken, ausreichend Schlaf, Vitamine. Trotz aller Bemühungen dauert es lange, bis es aufwärts geht; es scheint sich um einen hartnäckigen Infekt zu handeln. Ich halte mich nicht bewusst fern von ihnen und stecke mich trotzdem nicht an. Das hat wohl mit meinem gut trainierten Immunsystem zu tun, denke ich – und bin fast ein bisschen stolz darauf. Leider ist es erfahrungsgemäß so, dass ich einfach erst dann selbst krank werde, wenn alle anderen wieder gesund sind. Und das hat wohl eher mit meinem gut trainierten Muttersein zu tun. Mal sehen also, wie sich unser Krankenstand in den nächsten Tagen weiterentwickelt.

Kein Märchen

Es war einmal ein Mensch, der lebte in meiner Stadt. Er war nicht besonders umgänglich – den weichen Kern verbarg eine harte, abweisende Schale. Er war auch sehr allein; in seinem Leben gab es keine Familie und nur wenige Bekannte. Bei unseren Begegnungen wurde mir bewusst, wie ungleich Menschen im Leben zurechtkommen – aufgrund sehr unterschiedlicher Startbedingungen. Ab und zu sahen wir uns, dann zog er einige hundert Kilometer weg, in den Südosten der Republik. Wir blieben in Kontakt: Auf jeden Brief von mir schrieb er ein paar dankbare Zeilen per Mail. Ein paar Jahre hatte er einen Hund; außerdem besuchter er eine ältere Dame in seiner Nachbarschaft, bis diese ins Heim umzog.

Im letzten Jahr erwähnte er ein paar Mal, dass es ihm gesundheitlich nicht gut gehe und er kaum noch aus der Wohnung komme – dann kam plötzlich nichts mehr. Seither misslingt jeder Versuch, ihn zu kontaktieren; Briefe bleiben unbeantwortet, Mails kommen als `unzustellbar´ zurück. Wahrscheinlich ist er verstorben; ich hoffe, er war am Ende nicht so allein, wie sein Leben es vermuten ließ. Ich weiß, dass andere ihn als verletzend und herablassend wahrnahmen. Mir bleibt er ganz anders in Erinnerung: als jemand, der treu war, genügsam und sehr dankbar für freundliches Interesse.

Jedes Mal überraschend

Bei uns in der Nähe wohnt ein Hund, der meiner Meinung nach zu selten vor die Gartentür darf und deshalb jedes Mal neidisch ist, wenn ich vorbei spaziere. Hinter dem blickdichten Zaun ist er gut versteckt; nur an einer Stelle kann er sich aufrichten und ÜBER den Zaun schauen – und kläfft dann jedes Mal sofort laut los. Ich kenne das schon und gehe jedes Mal mit Abstand und entsprechend wachsam dort entlang. Und doch schafft der Hund es (fast) jedes Mal, mich doch zu erschrecken. Vorhersehbar reicht bei mir irgendwie nicht.

Gegen den Strom

Wer sich eine Weile gegen den Strom der Masse stemmt, muss nicht so weit zurückrudern, wenn sich herausstellt, dass die Masse auf einem Irrweg war … 

Die Krux mit dem Vergleichen

Auf meiner Laufrunde komme ich bei einer Bekannten vorbei; sie werkelt gerade in ihrem Garten herum. Es ist warm genug, so dass ich einen kleinen Zwischenstopp mit Plausch einlegen kann. Wir reden über dies und das. Ich hätte sie vor einiger Zeit motiviert, wieder regelmäßig laufen zu gehen, sagt sie: Im vergangenen Jahr habe sie dann noch ihre 1.000 Kilometer geschafft. Ich bin beeindruckt. Als ich weiterlaufe, überlege ich, wie viele Kilometer ich im Jahr schaffe – und komme `nur´ auf ungefähr 750 Kilometer. Sofort suche ich nach Erklärungen dafür, dass es nicht mehr sind: Ich bin wahrscheinlich zehn Jahre älter. Außerdem lege ich es nicht darauf an, die 1.000er Grenze zu knacken – und bin stattdessen aber wahrscheinlich zügiger unterwegs. Während meine Gedanken noch in dieser Richtung kreisen, werde ich innerlich still und denke: Es sollte mir egal sein. Seit Jahrzehnten laufe ich fröhlich und regelmäßig vor mich hin, ohne dass ich die Jahreskilometer auf dem Schirm habe. Die Leistung anderer ist ihre Sache und nicht relevant für MEINE Laufrunden. Ich bin nicht besser oder schlechter als sie, weil ich weiter, genauso weit oder kürzer laufe als sie!

Ein, zwei, drei Wege

Es langweilt mich nicht, immer dieselbe Strecke zu joggen – im Gegenteil: Ich muss nicht denken und kenne jede Stolperfalle. Ganz selten variiere ich ein wenig und hänge hier oder dort noch ein Schleifchen dran; fast nie kürze ich ab.

Seit einigen Wochen arbeite ich in einem Büro in der Innenstadt. Um dorthin zu gelangen, wechsele ich zwischen drei leicht unterschiedlichen Wegen: mit oder ohne Berg, viel oder wenig Hauptstraße. Die Distanz bleibt fast gleich. Es würde mich langweilen, immer dieselbe Strecke zu radeln – wieso auch immer.

Paradox?

In einem ehemaligen Autohaus befindet sich seit einigen Jahren ein Fitness-Studio. Ich fahre oft daran vorbei – es liegt direkt an der Hauptstraße. Durch die großen Fensterfronten sehe ich, wie die Sportler sich fit halten. Wer auf dem Laufband trainiert, schaut manchmal ebenso interessiert zurück. Heute standen drei Leute vor der Tür, in Trainings-Outfit plus Jacke gegen die kühle Luft am Morgen – Zigarettenpause.

Erst im Studio etwas für die körperliche Fitness tun und danach eine Zigarette rauchen: für mich als Beobachter eine widersinnige Mischung.
Erst eine Zigarette rauchen und dann im Studio etwas für die körperliche Fitness tun: für die Betroffenen vielleicht eine logische Konsequenz.

Besonders und umsonst

Wir gehen selten essen; es ist nicht normal, sondern etwas Besonderes für uns. Deshalb darf es dann auch etwas mehr kosten als zu Hause; schließlich bezahlt man den Service mit und dass man sich auch nicht ums Kochen kümmern muss. Kürzlich waren wir (aus besonderem Anlass) in einem mexikanischen Restaurant. Es schmeckte in Ordnung, aber eher normal als besonders. Entsprechend erstaunten mich die Preise: wie heutzutage überall ganz schön teuer. Ab und zu ist das in Ordnung. Und doch denke ich wehmütig an unseren letzten Urlaub im Herbst. Wir waren in Süd-England in einem Airbnb; sehr gute Freunde von uns wohnen dort in der Nähe. Wir hatten eine wunderbare Zeit zusammen, gingen viel spazieren und besuchten sie auch in ihrem kleinen Häuschen. Fast jeden Abend wurden wir bekocht. Meine Freundin ist eine sehr gute Köchin, ohne viele Worte davon zu machen. Sie benutzt kaum Rezepte und zaubert wie beiläufig sehr besondere und ausgesprochen leckere Gerichte: für uns alle umsonst!

Beim Laufen

Die Vögel zwitschern, die Sonne scheint, die Luft ist lauwarm. Mitten im Wald stehen und blühen Krokusse: Frühlingsblüher. Ich frage mich, was die hier machen – aber egal. Der Winter wird sich sicherlich noch einmal aufbäumen mit Nässe und Kälte. Es wird ihm nichts nutzen, es ist Anfang März: Frühling liegt in der Luft und ich freu mich!

Frech und lächerlich

Kürzlich holte ich meinen Mann am Flughafen ab – nachts um 2 Uhr. Ich stellte unser Auto auf den fast leeren Parkplatz; mit mir warteten nur vier oder fünf andere Leute auf ihre Lieben. Drei Wochen später bekommen wir Post: mit einem Parkticket. Ich hatte nicht gesehen, dass man dort nachts fürs Parken zahlen muss. Das ist lächerlich, denke ich. Die Gebühr beläuft sich auf 47 Euro. Das ist außerdem frech, denke ich. „Mach dir nichts draus“, sagt mein Mann. Also spare ich mir die Schnappatmung für wirklich wichtige Dinge auf; wir überweisen das Geld und schenken den verantwortlichen Handaufhaltern nichts weiter: keinen empörten Gedanken und kein ärgerliches Gefühl.