(Blick-)Kontakt

Hochmütig ist, wer sich für begabter oder schlauer hält als andere – und diese übersieht oder auf sie herabblickt.

Wer demütig ist, hält eher die anderen für begabter oder schlauer – und schaut zu ihnen hinauf.

Fehler machen wir alle, nur geben wir sie ungleich gern zu. Sie passen vor allem bei Hochmütigen nicht ins Selbstbild: Eine Schwäche `darf nicht sein´, wenn man meint, mehr zu wissen und zu können als der Rest der Menschheit. Entsprechend schwer fällt es solchen Menschen, sich zu entschuldigen. Dabei sind das Eingestehen von Fehlern und die Bitte um Verzeihung die beste Voraussetzung, anderen auf Augenhöhe zu begegnen.

Hochmut kommt vor dem Fall, heißt es. Wenn man erst am Boden liegt, sieht man nur noch Dreck. Was gäbe man in solch einem Moment wohl darum, von anderen Menschen gesehen zu werden – egal ob begabt oder schlau.

Haltbarkeit? Spielt (k)eine Rolle!

Für eine Woche hat sich mein Alltagstun halbiert: Zu dritt fällt weniger Wäsche an als zu fünft oder gar zu siebt; bei drei Personen bleibt auch das Haus länger sauber und aufgeräumt. Als Sahnehaube essen wir auch nicht so viel, als wenn all die anderen zu Hause wären. Das spart Zeit – sowohl beim Einkaufen als auch beim Kochen. Alles leichter also? Nicht ganz, denn plötzlich muss ich mir Gedanken um etwas machen, was in den letzten Jahren keine Rolle spielte: Wie lange ist der Fisch haltbar? Essen wir alles auf, bevor etwas schlecht wird? Was passiert mit den Resten?

Innerhalb der nächsten vier, fünf Tage trudeln alle momentan Abwesenden wieder hier ein, dazu kommt noch Besuch, um das zu feiern. Ich werde keine Zeit mehr haben, mir um die Haltbarkeit von Lebensmitteln Gedanken zu machen. Glücklicherweise spielt die dann auch wieder keine Rolle mehr.

Großartig unabhängig

Ab und zu begleite ich eine meiner Töchter auf `ihren´ Pferdehof, um ein wenig teilzuhaben an dem, was sie so leidenschaftlich betreibt. Dort bin ich Gast und habe keine Ahnung; meine Tochter dagegen fühlt sich wie zu Hause und kennt sich aus. Ich erlebe sie als souverän, selbstbewusst und mir überlegen. Sie ist gleichberechtigter Teil eines Teams, in Wort und Tat – Insider eben. Ich dagegen bin zwar willkommen, bleibe aber dennoch außen vor.

Es macht mich stolz, meine Tochter auf eine Art und Weise zu erleben, von der ich wenig weiß. Sie ist meinem Einfluss entwachsen, mehr noch: Ich bewundere, wie selbstsicher sie sich einbringt und wie selbstverständlich zugehörig sie sich dort bewegt. In diesem Kontext ist sie ganz eigenständig kompetent – und wird respektiert und geschätzt. Ich kann weder mit ihr mithalten noch hat sie irgendetwas davon mir zu verdanken. Es ist wunderbar, sie zu erleben und ihr als einem von mir unabhängigen (und fast ein bisschen unbekannten) Menschen zu begegnen. Heranwachsende Kinder sind großartig.

Vorfreude

In ein paar Tagen kommt ein Sohn aus dem Auslandsjahr wieder nach Hause. In seinem Zimmer hatte sich der kleine Bruder breit gemacht, ist jetzt aber praktischerweise unterwegs auf einer Freizeit. Ich möchte es dem Großen schön machen. Dafür werfe ich weg, was stört, räume Besitztümer hin beziehungsweise her, sauge Fußböden und wische Regale aus. Schließlich beziehe ich dem Heimkehrer ein Bett. Nach meinem Einsatz sieht das Zimmer aus, wie er es vor elf Monaten verlassen hatte; währenddessen dachte ich an ihn – zwei Stunden Vorfreude!

Der neueste Schrei

Ich sichte Fotos der letzten 15 bis 20 Jahre. Die Kinder sind farbenfroh gekleidet – man könnte es auch ausgefallen nennen. Fast alles war geschenkt oder von Bekannten geerbt, ich musste nur selten losziehen und Kleidung kaufen. Zehn Jahre später lösen die Schnappschüsse bei meiner Tochter regelmäßig Schnappatmung aus: „Mama, wie hast du uns nur angezogen!“ Wenn sie wüsste, was ich in meiner Kindheit tragen durfte: von oben bis unten in Strick-Optik, als Krönung im Partnerlook mit meiner Puppe!

Meine Kinder verdrängen bei ihrer Kritik leicht, dass sie nur wenige Jahre später selbst zu den abstrusesten Stil-Verirrungen tendierten – freiwillig. Ich weiß inzwischen, dass es kaum etwas kurzlebigeres gibt als ein modisches Outfit: heute angesagt, morgen untragbar und in ein paar Jahren wieder der `neueste Schrei´! Entsprechend betrachte ich die alten Fotos von mir mit einem milden Lächeln.

Luxus

Luxus ist, wenn man im eigenen Bezugssystem mehr als der Durchschnitt besitzt. Sagt zumindest das Internet. Auch ein Eigenheim in Deutschland ist daher ein Luxus – egal, wie gut es in Schuss ist.

Mein Mann bringt gern meine Liebe zu Jacken ins Spiel, wenn es um Luxus geht; ich besitze mindestens acht: jeweils zwei Regen-, Winter- und Softshell-Jacken sowie mehr als eine Fleece-Jacke. Einige habe ich geerbt, aber das spielt keine Rolle. Für meinen Mann ist das ebenso luxuriös wie zwei Fernseher in einem Haushalt, alle zwei Jahre ein neues Handy und eine Mitbewohnerin namens Alexa. Verglichen damit halte ich meine Jacken für normal, aber mein Mann hat das Internet auf seiner Seite: Acht Jacken sind in Deutschland wahrscheinlich genauso überdurchschnittlich wie zwei Fernseher – und damit eben luxuriös. Stufen wie luxuriöser oder gar am luxuriösesten sind nicht vorgesehen: Mehr als der Durchschnitt reicht, um dazuzugehören; wie viel mehr ist nicht entscheidend.

Team-Arbeit

Es kann herausfordernd sein, eine Aufgabe ganz allein angehen zu müssen. Dann ist es eine attraktive Perspektive, mit jemanden zusammen zu arbeiten. Zu zweit verteilt sich die Verantwortung auf mehrere Schultern, denkt einer mit, packt noch einer mit an. Allerdings erfordert jede noch so kleine Zusammenarbeit entweder klare Hierarchien oder gute Absprachen – es sei denn, man vertraut sich blind und versteht sich ohne Worte. Ich erlebe das ausschließlich mit meinem Mann: Wir wissen, was wir wollen und wer im jeweiligen Thema den Hut auf hat.

Mit NIEMANDEM sonst funktioniert Team-Arbeit so gut wie mit ihm – vor allem beim Koffer-Auspacken und beim Kochen.

Ganz anders

Fünf Kinder, zwei sind schon aus dem Haus, das dritte verbringt die nächsten zwei Wochen auf einer Freizeit: Wir sitzen zu viert im Wohnzimmer. „Wie soll das denn werden, wenn wir ab dem nächsten Sommer immer nur zu viert sind“, stöhnt Kind Nummer 4, „wie langweilig ist das denn!“ Kind Nummer 5 schweigt; sein Gesichtsausdruck spricht Bände: Ab dem übernächsten Sommer wird er ganz allein sein mit uns. Der manchmal anstrengende Trubel der vergangenen Jahre ist noch nicht lange her und doch vorüber. Wir haben deutlich mehr Ruhe im Haus – und streiten weniger. Aber das Leben zu siebt war irgendwie: lebendiger.

Es ist jetzt nicht besser oder schlechter als noch vor drei Jahren, aber es ist ganz anders.

Hochkomplex

Im Gespräch mit dem Besitzer mehrerer Mehrfamilienhäuser spricht dieser immer wieder von `hochkomplex´: die Farbe auf der Fassade und deren Pilz-abweisende Eigenschaften – eine hochkomplexe Geschichte. Auch die Frage nach der Haftung, wenn die Farbe eben doch nicht hält, was sie verspricht, und bereits nach fünf Jahren gesäubert werden muss – hochkomplex. Wie man mit einer modernen Heizungsanlage unterschiedliche Wohnungen in einem Gebäude heizen kann: mit vielen Außenwänden, unterm Dach oder im Mittelgeschoss, für Frostköttel, Viellüfter und Wollpulli-Liebhaber gleichermaßen erfolgreich – natürlich alles hochkomplex.

Nach dem Gespräch bin ich dankbar, dass ich kein Mehrfamilienhaus besitze. Bei allem Profit, der sich durch zahlende Mieter wahrscheinlich erzielen lässt: Es ist nicht leicht, gut damit umzugehen – sondern hochkomplex.

Leider nicht

Ich gebe zu, es waren komplexe Gedanken, die mir kürzlich durch den Kopf gingen, zu einem schwierigen Thema: das Leid auf der Welt, ein allmächtiger und liebevoller Gott – und wie man beides unter einen Hut bekommt. Für mich sind das zwei unumstößliche Tatsachen, die sich nicht ausschließen, sondern friedlich nebeneinander existieren. Aber das geht ja nicht jedem so: Sterbende Kinder werden gern angeführt, um zu beweisen, dass Gott entweder nicht allmächtig oder zumindest nicht liebevoll ist. Es ist ja auch nicht immer gleich einfach, diese Spannung auszuhalten, und erklären kann man sie überhaupt nicht.

Außerdem habe ich persönlich noch kein wirklich großes Leid erfahren und kann vielleicht nicht mitreden. Aber trotzdem hatte ich vor einiger Zeit so einen guten Gedanken, so ein überzeugendes Argument dafür, dass das Leid und Gottes Allmacht keinen Widerspruch darstellen. Leider konnte mein Mann mir nicht folgen (der sonst immer gut zusammenfasst, was ich nicht geordnet bekomme). Sonst könnte ich diesen Gedanken jetzt in einem Satz wiedergeben – für all diejenigen, die angesichts des Leides in der Welt daran zweifeln, dass Gott allmächtig und liebevoll ist. Nicht dass Gott mich und meine Argumente nötig hätte, aber schön wäre es doch gewesen …