Beim Gebet genommen

Ich wünsche mir einen kreativen Schreibauftrag. Am Morgen, auf der Fahrt ins Büro, bete ich, dass Gott mir einen schenkt. Als ich am Nachmittag wieder da bin, finde ich eine Mail: Ob ich mir vorstellen könne, ein kleines Handbuch-Projekt mit Textarbeiten zu unterstützen, fragt mich ein Freund, für den ich schon öfter gearbeitet habe. Das ging schnell; hatte ich meinen Wunsch so ernst gemeint? Obwohl ich begeistert bin von Gottes prompter Antwort, frage ich mich gleichzeitig etwas unsicher, wie ich diesen Auftrag wohl zeitlich schaffen werde. Nach einer Schreckminute entspanne ich mich, denn auch dafür hatte ich gebetet: dass die gewünschte Extra-Aufgabe nicht zu viel für mich ist. Gott hat das erste Gebet erhört, er wird auch das zweite ernst nehmen.

Feierabend

Manche Tage fangen langsam an, nehmen Fahrt auf und sind dann ganz plötzlich schon fast wieder vorbei. In die wenigen Stunden am Abend passt nicht ansatzweise, was ich alles noch gern machen würde – also gehe ich stattdessen eine Runde mit meinem Mann vor die Tür. Es nieselt ein bisschen, ist durch die Zeitumstellung aber noch hell. Ein riesiger doppelter Regenbogen strahlt uns entgegen und erinnert uns daran, dass Gottes Güte kein Ende hat: egal, ob wir `alles´ schaffen oder nicht. Ich verschiebe meine Vorhaben auf morgen und genieße einen stillen Feierabend.

Weniger ist mehr

Nächstes Wochenende ist Ostern. Seit Wochen beschäftigen sich alle möglichen Konsum-Prospekte genau damit: Osterhasen und Schoko-Eier, Zutaten zu Festessen, Eierlikör als besondere Beigabe … In manchen Familien stellen Oster-Geschenke mittlerweile den weihnachtlichen Gabentisch in den Schatten. Dabei ist das alles viel zu viel und lenkt ab vom Eigentlichen. Ostern geht´s um zwei einfache Dinge: um Kreuz und Auferstehung, um Tod und Leben – nicht mehr und nicht weniger.

Genug oder nicht?

Wenn wir nicht begabt, schlau, gewieft, entschlossen, mutig oder stark genug sind, ist es hilfreich, an eine Geschichte aus der Bibel zu denken. 5.000 Menschen hatten sich damals versammelt und hörten Jesus zu – bis es Zeit fürs Abendbrot war. Die Jünger sollten ihnen zu essen geben, meinte Jesus. Aber sie hätten doch `hier nichts als fünf Brote und zwei Fische´, erwiderten die Jünger – aus ihrer Sicht und auch ganz offensichtlich nicht genug, um so viele Menschen satt zu machen. Da ließ Jesus sich geben, was sie hatten, „sah zum Himmel, dankte und brach´s und gab die Brote den Jüngern, und die Jünger gaben sie dem Volk. Und sie aßen alle und wurden satt und sammelten auf, was an Brocken übrigblieb, zwölf Körbe voll“ (Matthäus 14, 19b+20).

Bei einer anderen Gelegenheit verwandelt er Wasser in Wein. Jesus nimmt das, was nicht reicht, und macht daraus genug – auf buchstäblich wunderbare Weise. Es genügt, dass wir ihm das Bisschen geben, was wir haben, und nicht selbst versuchen, damit auszukommen.

Arbeit als Chance – Gott zu erleben

Meine Arbeit im Büro ist neu, ungewohnt und nicht nur wunderbar: Ich bekomme als Berufstätige ebenso das ganze Paket wie als Nicht-Berufstätige –  die Pralinen ebenso wie die Kröten. In welcher Gestalt letztere daherkommen, ist dabei völlig nebensächlich; entscheidend ist, wie ich damit umgehe. Fühle ich mich in erster Linie überfordert, weil ich meine bisherige Komfortzone verlassen muss? Oder sehe ich in erster Linie die Chance, mich in jeder Hinsicht weiterzuentwickeln, weil sich meine Komfortzone erweitern wird? Es könnte eine Frage der Einstellung sein, die Gott mir schenken möchte: „Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes.“ (Prediger 3, 13)

Ich bin dankbar, dass ich in dieser besonderen Phase meines Lebens sicher sein kann, dass Gott einen Plan hat für mein Leben – auch wenn ich diesen nicht im Detail kenne. Da ist nichts `aus Versehen´, alle meine Umstände kann Gott benutzen, um mir zu begegnen und mich in dieser Welt zu benutzen: Was daraus wird, liegt weder in meiner Hand noch ist es meine Verantwortung. Gott ist derjenige, der mein Leben im Griff hat, gestaltet und ihm Sinn gibt. Das ist tröstlich und ermutigend – und macht mich gewiss: dass die neue Situation sein Plan für mich ist und er mich mit genau dem ausstattet, was ich dafür brauchen werde: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich lehrt, was dir hilft, und dich leitet auf dem Wege, den du gehst.“ (Jesaja 48, 17)

Hier und Jetzt

Ich habe keine Ahnung, was morgen passiert. Ich kann nur heute so leben, wie Gott es von mir will – falls ich das denn weiß. Wenn ich seinen Ruf verspüre, möchte ich dem folgen. Gott muss und wird mir nicht offenbaren, was genau er mit meinem Leben vorhat: ob ich erfolgreich bin in meiner Arbeit oder meinen Kindern eine gute Gesprächspartnerin, es meiner Freundin nutzt, dass ich ihr zuhöre, mein Mann sich auf mich verlassen kann … Aber ich kann im Hier und Jetzt mein Bestes geben und versuchen, so zu leben, wie ich vermute, dass Jesus es auch tun würde.

Vom Hörensagen

„Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen, aber nun hat mein Auge dich gesehen“, sagt Hiob über Gott (Hiob 42, 5), nachdem er den Tod seiner Kinder sowie geschäftlichen und gesundheitlichen Ruin durchlebt hatte. In der Zeit danach lernte er Gott anders kennen als vor all dem Elend – unmittelbar, aber nicht weniger geheimnisvoll: Er hatte einen Einblick bekommen von Gottes Macht und Herrlichkeit.

Wir haben uns daran gewöhnt, schlechte Nachrichten zu lesen oder zu hören: in der Zeitung, im Radio, im Internet. Sie schocken uns, wenn überhaupt, meist nur kurz – auch wenn es wirklich schlimme Dinge sind, die in der Welt passieren. Aber es handelt sich fast immer um Geschichten, die mit uns persönlich nichts zu tun haben und uns entsprechend wenig berühren – vom Hörensagen.

Schlechte Nachrichten entfalten eine andere Wirkung, wenn Menschen damit konfrontiert sind, die wir persönlich kennen. In den letzten Wochen war das der Fall: sozusagen Mord und Totschlag in unserem Dunstkreis. Wir blicken in die Abgründe einer gefallenen Welt – nicht aus sicherer (rationaler) Distanz, sondern aus der (emotionalen) ersten Reihe. Wir sind nicht die Hauptdarsteller, gehören aber zum Ensemble; `vom Hörensagen´ ist definitiv vorbei.

Sanftmütigkeit ist sein Gefährt

Eine Freundin von mir meinte kürzlich, Aggression sei eine gute Kraft als Reaktion auf negative Umstände. Ich schüttele den Kopf: Aggression und gut passen für mich nicht zusammen – selbst wenn sie `nur´ die Antwort auf Ungerechtigkeiten oder Angriffe ist. Weil ich es genau wissen will, schlage ich das Wort nach und entdecke den lateinischen Ursprung: aggressio, was so viel bedeutet wie auf jemanden losgehen, heranschreiten, sich nähern, überfallen und angreifen. Aggression ist eine feindselig angreifende Verhaltensweise eines Organismus. Es mag noch so aus uns herauskommen und sich gerechtfertigt anfühlen, aggressiv gegenüber jemandem zu sein, der uns Unrecht getan hat. Das macht es vielleicht naheliegend und verständlich, aber noch lange nicht gut oder richtig.

Jesus dagegen reagierte anders; handgreiflich wurde er meines Wissens nur ein Mal: als er die Händler aus dem Tempel warf und ihre Tische umschmiss. Auf Angriffe antwortete er besonnen – sogar kurz vor dem Gang zum Kreuz. Als einer der Knechte des Hohepriesters ihn ins Gesicht schlägt, redet Jesus mit ihm: „Habe ich übel geredet, so beweise, dass es böse ist; habe ich aber recht geredet, was schlägst du mich?“ Es stimmt, wenn es in einem alten Kirchenlied heißt: `Er ist gerecht, ein Helfer wert; Sanftmütigkeit ist sein Gefährt.´

Gemeinde

Was mich in der Gemeinde hält? Es ist nicht das Konstrukt Gemeinde mit seinen Ämtern und Hierarchien; es ist in erster Linie auch nicht die Zugehörigkeit zu einer Gruppe Menschen, die ich so schätze. Es geht mir um Jesus; seinetwegen habe ich Gemeinde immer priorisiert. Kein Verein, kein Hobby, keine noch so schöne regelmäßige Freizeit-Aktivität konnte jemals konkurrieren: In der Regel entschied und entscheide ich mich für Gemeinde – Gottesdienste, Kleingruppen, Gebetstreffen. Ihm, Jesus, will ich begegnen; er verbindet uns als Glaubensgeschwister, ist unsere Mitte und der eigentliche Grund, Gemeinschaft zu leben und Gemeinde zu bauen.

Das bleibt auch so, wenn Menschen die Gemeinde verlassen, die ich sehr schätze, oder andere hinzukommen, die mich herausfordern. Solange es um Jesus geht, ist Gemeinde Heimat und Familie für mich: mit mir sehr nahestehenden Menschen ebenso wie mit denen, die mir trotz unserer gemeinsamen Basis fremd sind. 

David und ich

„Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“, heißt es in Psalm 18 (Vers 20). Der Satz stammt von dem jungen David, der Goliath mit seiner Schleuder mutig entgegentritt, weil er weiß, dass Gott für ihn kämpft. Ein anderer Satz von David lautet: „Ich bin matt geworden und ganz zerschlagen; ich schreie vor Unruhe meines Herzens.“ (Psalm 38, 9) Er passt eher zu einem traurigen, mutlosen und frustrierten David, der in seinem Leben sowohl zum Ehebrecher als auch zum Mörder wurde.

Auch bei mir gibt es diese Momente, in denen ich mich fühle, als wäre mir alles möglich; nichts kann mich stoppen, Gott und mich. Dann starte ich mit Schwung in meine Tage, egal ob die Sonne scheint oder es regnet, ob ich viel oder wenig zu tun habe. Ich kenne aber auch das Gefühl, dass ich nur funktioniere – oder nicht einmal mehr das. Wenn mich zum Beispiel ein Hexenschuss ausbremst und mir alles zu viel ist, was mir normalerweise so leicht von der Hand geht. Oder aber ich habe einfach keine Lust auf Routine-Arbeiten, die meinem Leben Sinn und Struktur geben. Selbst das, was mir Spaß macht, ist dann nicht attraktiv. Diese Tage sind sehr selten, aber manchmal kommen sie aus heiterem Himmel und lassen sich nicht so einfach überwinden.

Ich habe kein gutes Rezept gefunden, wie ich damit umgehe: Selbst zum Spazierengehen kann ich mich dann kaum aufraffen; meine Gebete klingen leer. Aber wenn ich angesichts eines Mäuerchens aus Schwere am liebsten rufen würde: „Scotty – wegbeamen!“, dann tröstet mich der Gedanke an David, der diese Phasen auch kannte und ehrlich benennt. Die Bibel nennt ihn einen Mann Gottes (1. Samuel 13, 14).