Kein Fan, aber gut

Ich bin kein Fan von Elektrofahrrädern. Ich habe keins, will keins haben und halte sie nur in sehr seltenen Ausnahmen für notwendig. Mein Mann sagt, ich sei dahingehend ein wenig radikal – was nicht übertrieben ist. Ich will solch ein Ding nicht einmal ausprobieren.

Unser Urlaub führt uns dieses Jahr nach Mecklenburg; der Müritz-Radweg liegt direkt vor der Haustür. Einmal rum, das sind 70 bis 80 Kilometer: an einem Tag machbar. Beim Fahrradverleih kommen für die beiden mitgereisten Kinder nur E-Bikes in Frage. Wir `Alten´ entscheiden uns zunächst für ein Tandem – damit ist man auch schneller als allein, oder? Nach etwa 200 Metern merken wir, dass die Schaltung hakt, und bringen es zurück. Die Kinder bleiben geduldig und empfehlen uns vorsichtig, auch E-Bikes zu nehmen. Um der Gemeinschaftserfahrung willen lassen wir uns überreden. Schon nach einer halben Stunde freuen wir uns über das kaputte Tandem und unsere schlauen Kinder. Wir haben jede Menge Spaß und wechseln zwischen den verschiedenen Modi hin und her: Eco, Tour, Sport und Turbo. Nach 85 Kilometern sind wir trotz elektrischer Unterstützung k.o. und zufrieden.

Ich bin noch immer kein Fan von Elektrofahrrädern. Ich habe keins, will keins haben und halte sie nur selten für notwendig. Aber ich gebe zu, dass sie uns vieren einen wunderbar entspannten und bewegungsintensiven Tag beschert haben – mit deutlich mehr Lust als Last. 

Das Beste auf Reisen

Wir fahren in den Urlaub. In der Vergangenheit hatten wir manchmal Glück mit unseren Unterkünften, häufiger mussten wir uns arrangieren mit `so lala´. Letztes Jahr erwischten wir ein Ferienhaus auf Rügen, das einfach nur schön war. Dementsprechend war es leider bereits im Februar nicht mehr zu haben. Als Alternative wählten wir ein Haus in Mecklenburg, das im Internet so aussah, als könnte es passen. Unsere Ansprüche sind erfüllbar: Wir wollen chillen, genug Platz haben für uns vier, eine Terrasse mit ein bisschen Grün drumherum.

Der erste Eindruck bringt unsere Tochter an den Rand von Tränen: „Wie kann man sowas buchen? Das können gar keine schönen Bilder im Internet gewesen sein!“ Es ist eine puppenstubenkleine Doppelhaushälfte, in der vier Menschen sich aufhalten, aber nicht ausbreiten können. In den ersten zehn Minuten suche ich erfolglos nach einem angemessen großen Kochtopf, einer Saucenkelle und einem Schneidbrett. Die angekündigte Waschmaschine steht beim Vermieter im Haus. Wir werden aus Koffern leben müssen, nur in Etappen kochen können und weder auf der Terrasse noch im Grün drum herum ganz für uns sein. Sollte es regnen, werden die gemeinsamen Mahlzeiten schwierig: Auf dem Küchentisch liegen unsere Vorräte …

Nach der ersten Nacht ist unsere Tochter bedient: Die `Schlafzimmer´ haben keine Türen; das Haus ist sehr hellhörig. „Nicht mal ausschlafen kann ich hier“, schimpft sie. Sie hat recht, ich verstehe ihren Ärger und kann die Situation nicht schön-reden. Immerhin finde ich zum Frühstück einen Toaster für unser nicht mehr ganz frisches Brot. „Steck gleich vier Scheiben rein“, sagt mein Mann, „die werden schon alle.“ Ich probier´s – vergeblich: „Da passen nicht vier Scheiben rein, höchstens anderthalb“, sage ich und bekomme einen Lachkrampf. Das verändert nicht alles, nimmt aber die Schwere aus dem Moment. Wir finden es alle nicht toll; zu Hause ist es wirklich viel schöner. Aber wir sind jetzt hier und werden daraus machen, was geht – vielleicht wird es ja sogar das Beste.

Besonders

Es ist Freitag, wir frühstücken: auf der Terrasse und nicht in der Küche, um halb acht und nicht kurz nach sechs, eine halbe Stunde anstelle von zehn Minuten.

Vor uns liegen gut zwei Wochen Urlaub – mit Wegfahren und Zeit und Muße für Dinge, die sonst nicht stattfinden. Wir freuen uns darauf; der Einstieg heute Morgen war ebenso besonders wie die ersten grünen Knospen im Frühjahr, Sonnenstrahlen nach wochenlangem Grau in Grau und die erste Erdbeere im Mai.

Ist doch was … Besonderes!

Mein Schul-Freund gratuliert mir zum Geburtstag und wünscht mir `ganz viel Gutes´ und noch so einiges mehr. Und dann kommt der Teil seiner Nachricht, der alles andere in den Schatten stellt: „Ich bin froh, dass wir uns haben. Würde sagen, dass es 39 gemeinsame Jahre sind. Ist doch was.“ Was für ein Geschenk!

Eingerahmt

Auf dem Gäste-WC unserer Freunde steht seit über 20 Jahren ein kleiner Bilderrahmen. Darin ist ein Briefumschlag, der damals kurz nach ihrem Einzug bei ihnen im Briefkasten lag. Die Straße stimmt nicht; der Absender hatte nur die alte Adresse notiert und darunter: `jetzt ganz in der Nähe´. Ich muss jedes Mal schmunzeln, wenn ich das lese. Wie hilflos wäre angesichts dieser Herausforderung doch die sogenannte Künstliche Intelligenz. Da braucht es schon einen einzigartig kreativen, empathischen und freundlichen Postboten auf zwei Beinen!

Meine Wenigkeit

Die Formulierung `meine Wenigkeit´ ist selten wörtlich gemeint – unterstelle ich. Wer von seiner eigenen Wenigkeit spricht, geht davon aus, dass er anderen etwas mit Mehrwert zu sagen hat. Manchmal passt es aber doch: Kürzlich hörte ich einen Redner, der eher zu den unscheinbaren, stillen und zurückhaltenden Menschen gehört. Die Bitte, hier etwas zu sagen, sei auf zwei Widerstände gestoßen, sagte er gleich am Anfang: nämlich auf seine Selbstzweifel und den Wunsch, nicht im Mittelpunkt zu stehen. Andererseits habe er sich sehr geehrt gefühlt und deshalb wolle er dieser Bitte nachkommen. Sein `meine Wenigkeit´ war ernst gemeint und absolut authentisch; was er sagte, war persönlich und wertvoll. Dass die Zuhörer ihn um einen Beitrag gebeten hatten, freute mich. Dass sie ihm am Ende stehend applaudierten, noch mehr. Beides tat ihm sicher gut, wird ihn aber weder zu einem lauten noch zu einem selbstsicheren Menschen machen – und auch das ist gut!

Saat und Ernte

Wissenschaftliche Untersuchungen sind nicht der Weisheit letzter Schluss, aber manchmal bestätigen sie den gesunden Menschenverstand. In einer Studie überprüften Forscher über mehrere Monate die Hirnaktivität von Menschen beim Lesen und Schreiben von Texten. Die einen nutzten KI-Modelle, die anderen nur Google oder gar kein Internet. 

Das Ergebnis wundert mich nicht: Die KI-Kontrollgruppe war nach vier Monaten `weniger kreativ und hatte sich einen kleineren Wortschatz und weniger Wissen angeeignet´. Peter Gerjets, Professor für empirische Lehr-Lernforschung, kommentiert das mit: „Was man nicht nutzt, verliert man … das Gehirn muss trainiert werden wie ein Muskel.“ Wer sein Gehirn nicht fordere, der baue intellektuell ab, sagt er. Für die Nutzung von KI sei aber gerade das entscheidend: eigene Kreativität und kritisches Denken. Denn beides habe beziehungsweise könne KI nicht …

Ich denke dankbar an unsere Kinder. Sie sind gerade noch so durchgerutscht – bevor KI und ChatGPT in der Schule sowohl Saat als auch Ernte verhindern: das manchmal mühevolle Lesen und Schreiben von Texten ebenso wie den daraus resultierenden kostbaren Wissenszuwachs.

Urlaubsreif?

Ich schreibe gern Geburtstagskarten. Damit ich an all meine nahen und fernen Freunde und Bekannten denke, hängt in meiner Küche ein immerwährender Kalender. Heute Morgen fällt mir eine sehr alte Freundin aus Heidelberger Zeiten ins Auge; vor einer guten Woche hatte sie Geburtstag. Mist, denke ich, habe ich glatt vergessen. Egal – lieber spät als gar nicht. Ich suche ein passendes Kärtchen und schreibe ihr einen Gruß.

Schnell eingetütet, Adresse drauf … Moment mal; die Adresse ist mir noch sehr präsent – zu präsent dafür, als dass ich sie das letzte Mal für die Weihnachtspost geschrieben hätte. Sollte ich ihr doch schon schriftlich gratuliert haben? Ich fasse es nicht. Jetzt erinnere ich mich zuverlässig und zwar sehr konkret: Beim ersten Mal habe ich ihr unter anderem schöne Sommerferien gewünscht …

Was ist bloß los mit mir? Ich glaube, ich bin urlaubsreif!

Überredet

Vor einiger Zeit hatten wir die Krätze im Haus – sehr lästig. `Ich krieg die Krätze´ hat seitdem eine ganz konkrete Bedeutung für mich – und ist mit einem Gefühl von Juckreiz verbunden. „Seid ihr sie los, die Krätze?“, fragt mich eine Freundin. „Vielleicht!“ ist meine ehrliche Antwort. Dann erzähle ich ihr von dem Verlauf der Infektion und der allergischen Reaktion nach Abtöten der Krätzemilben. Dieses postskabiöse Syndrom kann eine Weile anhalten und sieht ähnlich aus wie eine Neuinfektion. Aber dagegen hilft eine antiallergische Salbe. „Möglichst ein Glukokortikoid mit dem Wirkstoff: Methylprednisolonaceponat.“, sage ich noch. Meine Freundin starrt mich an, als würde ich fließend chinesisch sprechen. Ich winke ab. Mir die beiden Fachausdrücke zu merken, fällt mir nicht so schwer: Wer Krätze im Haus hat, tut alles, sie wieder loszuwerden – und ich merke mir eben die Namen der Wirkstoffe, die helfen.

Außerdem habe ich diese nicht nur im Internet recherchiert; ich musste schon einmal darüber reden. Bei unserem Kontrollbesuch bestritt die Ärztin nämlich (anfangs), dass man Glukokortikoide gegen Krätze einsetzt. `Hab ich im Internet gelesen´ erschien mir in dem Moment keine kluge Bemerkung. Stattdessen fing ich an mit: „Sie sind die Ärztin“ und brachte besagtes postskabiöse Syndrom ins Spiel, von dem sie bei unserem ersten Besuch selbst gesprochen hatte. Ob man gegen die allergische Reaktion auf die abgestorbenen Krätzemilben nicht doch eine Creme einsetzen könne, fragte ich vorsichtig. Das half: Die Ärztin schaute selbst im Internet nach und verschrieb uns (schließlich) ein Präparat. Laut Internet ist dieses ein Glukokortikoid – mit dem Wirkstoff Methylprednisolonaceponat. 

Interesse oder doch nur Neugier?

Eine junge Frau trägt ein T-Shirt mit Schriftzug auf dem Rücken. “Nobody cares until you´re rich, pretty, or dead“, steht da: Niemand interessiert sich für dich – es sei denn, du bist reich, hübsch oder tot. Sofort rattert es bei mir: Es klingt wahr, jedenfalls ein bisschen. Nicht umsonst haben sehr alte reiche Männer gern mal sehr junge arme Freundinnen oder Frauen. In vielen Zeitschriften geht es vornehmlich darum, wie man schön wird oder lange bleibt. Und der Tod macht Menschen interessant, von denen wir vorher nicht wussten, dass sie überhaupt existieren. 

Andererseits stimmt es natürlich nicht wirklich: Echtes Interesse am anderen hat mehr mit ihm als Persönlichkeit zu tun und weniger damit, was er besitzt, wie er aussieht und wie spektakulär er gestorben ist. Solange es mir um Reichtum, Schönheit und den Tod eines anderen geht, bin ich nicht wirklich interessiert, sondern schlicht neugierig.