Von normal zu mühselig

Aus vielen kleinen Gründen muss ich momentan mehr waschen als normalerweise, nämlich täglich, manchmal mehrmals. Ich empfinde es als beherrschend; ich mache `nur noch Wäsche´ und schaffe nebenbei nicht viel. Gleichzeitig weiß ich, dass ich mich daran wieder gewöhnen würde.

Denn der Zustand erinnert mich an Zeiten, in denen noch alle Kinder zu Hause wohnten und drei von ihnen mehrmals die Woche Fußball spielten. Ich wusch auch täglich, aber doch war es anders: Ich schaffte alles Mögliche und machte nebenbei `nur noch schnell die Wäsche´.

Mein altes Normal erscheint mir heute mühselig – wie gut, dass gerade Sommer ist.

Den Umständen entsprechend

Je mehr Menschen um mich herum ein Tattoo tragen, umso leichter fällt es, mir auch eins stechen zu lassen.
Wenn figurbetonte und aufreizende Kleidung normal oder sogar angesagt ist, besteht die Gefahr, dass ich mich freizügiger anziehe, als mir eigentlich lieb ist.
Gehört es in meinem Freundeskreis dazu, Zigaretten zu rauchen, ist es schwer, dahingehend abstinent zu leben.

Was mir im Leben wichtig ist hängt eng zusammen mit meinem Umfeld – auch wenn ich mir noch so frei und selbstbestimmt vorkomme. Ich brauche ein Wertesystem, das unabhängig vom Zeitgeist ist. Sonst verhalte ich mich tendenziell den Umständen entsprechend.

Solides Mittelmaß

Andere kochen auch nur mit Wasser, heißt es: für mich bis vor kurzem eine rein theoretische Realität. Seit einiger Zeit erlebe ich höchstpersönlich, dass diese auch praktisch stimmt – und im sonst so unseligen Vergleich schlage ich mich wacker. Beim Blick hinter die Kulissen der mir vorab unbekannten Welt des Berufslebens dachte ich letztens: `Manchmal koche ich heißer!´

Erschreckenderweise geht es bei mir selbst offenbar ziemlich schnell bis zu völlig unangebrachtem Stolz. An anderen erstaunt mich, wie gerade diejenigen nach Wertschätzung lechzen, die nach außen hin besonders selbstsicher wirken. Ich hoffe, ich bleibe auf dem Boden – mit Kopf und Herz weder über den Wolken noch im Staub.

Voreingenommen?

An einem Musical sind nicht genügend Jungen beteiligt; kurzerhand schlüpft ein Mädchen in die Rolle eines Soldaten. Sie macht das sehr gut – völlig frei und überzeugend. Ich bezweifle, dass ein Junge ebenso selbstverständlich und gern eine weibliche Rolle verkörpern würde. Womöglich ist gerade diese Skepsis von Menschen wie mir sogar einer der Gründe dafür.

(K)ein Witz?

Ein akkurat gepflegter, Unkraut-freier Vorgarten: Rasen mit Mähroboter, Plastikabgrenzung zu zwei kleinen Beeten mit wenigen Pflanzen und viel Schotter beziehungsweise Rindenmulch. Mittendrin ein Schild: `Unkraut zum Selberpflücken kostenlos abzugeben´, steht da – und ich verstehe den Witz nicht.

Digital abgelenkt

„In letzter Zeit – und bitte versteh das nicht als Vorwurf“, sagt mein Mann, „erlebe ich dich öfter als digital abgelenkt.“ Es fällt mir schwer, das nicht als Vorwurf zu verstehen – was daran liegen könnte, dass ich mich ertappt fühle. Gerade als er es sagt, bin ich nämlich mit Fotoapparat und Handy beschäftigt, höre ihm nur halb zu und antworte fahrig und verzögert: digital abgelenkt eben.

Grundsätzlich ist es kein Problem, mit digitalen Medien beschäftigt zu sein, dagegen hat auch mein Mann nichts. Problematisch wird es, und da gebe ich ihm recht, wenn die digitale Welt meine analoge Präsenz verringert. Interessanterweise passiert es nur in die eine Richtung: Wir sind deutlich seltener analog abgelenkt. Es ist schade oder sogar bedenklich, wenn reales Leben gegenüber dem virtuellen weniger Sogwirkung hat.

(K)ein Blütenmeer

Unser Besuch schwärmt vom Blütenmeer im Garten unserer Nachbarn: eine buchstäblich `prachtvolle´ Mischung aus Azaleen und Rhododendren. Je älter er werde, schwärmt unser Freund, umso mehr gefielen ihm diese kräftigen Farben und üppigen Blüten.

Ich kann ihn nur bedingt verstehen. Rhododendren empfinde ich nur an bestimmten Orten als dekorativ – zum Beispiel auf dem Stahnsdorfer Friedhof.

Am nächsten Tag stehe ich vormittags auf der Terrasse und schaue in unseren Garten. Bei uns blüht fast nichts und im Laufe des Jahres wird sich daran nicht viel ändern. Trotzdem erscheint mir der Anblick nicht langweilig, sondern im Gegenteil: wunderschön. Je älter ich werde, umso mehr gefallen mir die schlichten `Schattierungen in grün´.

Vom Schreiben

An manchen Tagen mühe ich mich ab und kann am Ende doch nichts oder nur kaum etwas vorweisen. Damit einhergehend werde ich unzufrieden und zweifle schnell an meiner grundsätzlichen Eignung. So ein Tag ist heute; er wirkt demotivierend und bremst meinen Antrieb.

Ich weiß, dass Momentaufnahmen eben nur den Moment wiedergeben. Dennoch passiert es, dass ich dem daraus folgenden Gefühl der Unzulänglichkeit mehr Raum gebe, als mir lieb und als gerechtfertigt ist.

Das Ergebnis des heutigen Tages in Schriftzeichen ist einerseits ernüchternd – kaum messbar. Andererseits tut die erfolglose Texterei mir gut: Kreativität habe ich nicht im Griff, sie ist ein Geschenk. Trotzdem hoffe ich, dass morgen unter einem anderen (Schreib-)Stern stehen wird.

Geht wieder

Vor dem Supermarkt packt eine Frau die Einkäufe in ihren Fahrradkorb. Ich halte direkt daneben und übernehme ihren Einkaufswagen. Als ich mit meinem Einkauf fertig bin, biete ich der nächsten Kundin den Wagen an. „Ja, danke gern, das ist nett!“, sagt sie und lächelt mir zu. Es ist eine kleine Geste, nur scheinbar selbstverständlich: Während der Corona-Zeit waren solche direkten `von Mensch zu Mensch´– Übergaben für manche undenkbar. Manchmal wird mir zwischendurch schlagartig klar, wie froh ich bin, dass das vorbei ist.