Kunst und mehr

Installationen sind (offenbar nicht für jeden gleich erkennbare) Kunstobjekte, die etwas ausdrücken sollen. Ob der Betrachter versteht, was der Künstler meint, ist manchmal trotz eines vorhandenen Objekt-Titels fraglich. „Ist das Kunst oder kann das weg?“, hat sich schon die eine oder andere Reinigungskraft gefragt – und Installationen komplett oder teilweise entsorgt oder zweckentfremdet.

Ebenso unterschiedlich wie mit Kunst gehen Menschen mit ihren Gefühlen um. Vor allem Ärger, Wut und Zorn, die drei starken Emotionen, führen manchmal zu interessanten Resultaten. Kürzlich handelte sich unser jüngster Sohn von seinem Vater nicht nur ein, sondern gleich zwei `Nein´ hintereinander ein: „Du kannst dich jetzt nicht mehr verabreden; und du darfst den Frust darüber auch nicht in eine Einkaufstour – und somit in Süßigkeiten – ummünzen.“ Die Reaktion war ein wütender, aber sehr konstruktiver Gang durch unseren Garten und endete in einer mehr oder weniger schönen Installation ohne Titel.

Altmodisch, aber ausreichend

Unsere Kinder erhalten ihre Aufgaben derzeit über einen Online-Schulserver. Der Jüngste wird dort täglich gut versorgt – leider auch mit einer Fülle persönlicher Chat-Nachrichten seiner Mitschüler: „Mama, ich habe 90 Nachrichten!“ Da ich diese in der Regel für überflüssig halte, liest mein Sohn keine der Nachrichten und hat mehr Zeit für die Schulaufgaben.

Vor einigen Tagen war ein Freund zum Spielen hier. Dessen Vater sagte beim Abholen: „Ihr könnt euch lieber mailen, als den Schulserver zum Chatten zu missbrauchen.“ Ich stimmte ihm zu und ergänzte: „Die beiden können auch einfach telefonieren.“ Er sah mich irritiert an: „Telefonieren ist doch `old school´!“

Stimmt, dachte ich, Telefonieren ist heutzutage wahrscheinlich `old school´. Das reicht in diesem Fall aber völlig aus: Zehn- bis Elfjährige reden deutlich schneller als sie schreiben, und für Verabredungen zu zweit braucht man keinen Mehr-Personen-Chat. Dafür reicht noch ein ganz normaler altmodischer Telefonanruf.

Der erste Schritt

Manche Aufgaben schiebe ich vor mir her: Das sind vor allem solche, die nicht überlebenswichtig sind und aber sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Dazu gehört zum Beispiel, wenn ich aus Familienfotos etwas Schönes machen möchte. Für derartige Herausforderungen gilt: „Der erste Schritt ist der halbe Weg.“

Wörtlich genommen ist das natürlich großer Quatsch: Die ersten zwei Stunden gehören den Überlegungen, wie ich am besten sortiere und was alles daraus werden soll – und fallen angesichts der Gesamtdauer kaum ins Gewicht. Die halbe Strecke hin bis zum Fotobuch oder -kalender ist dann aber noch lange nicht geschafft. Im Gegenteil: Es kann sein, dass der erste Schritt eher dem Tropfen ähnelt, der auf einem heißen Stein sofort wieder verdunstet – vom Vorsortieren sehe ich hinterher nichts mehr.

Der erste Schritt mag noch so unscheinbar sein und am Ende nicht mehr zu messen – er ist trotzdem unvergleichlich wichtig und zwingend nötig für alles Folgende. Er heißt „Entscheidung“ und findet im Kopf statt.

Der Wert von Geld

Ich liebe meine Arbeit zu Hause. Sie füllt mich ziemlich aus, und mit ihr verdiene ich kein Geld. Stattdessen erhalte ich Lob, Dankbarkeit und Wertschätzung. Natürlich kann ich über Geld verfügen, das mein Mann verdient.

Manchmal bekomme ich Geld geschenkt – auch das verdiene ich (mir) nicht. Ich erhalte es um meiner selbst willen, weil mich jemand mag oder mir etwas Gutes tun möchte. Ich muss nichts dafür leisten, freue mich darüber und gebe es aus.

Gelegentlich verdiene ich Geld mit einer Text-Arbeit. Auch über dieses Geld freue ich mich und gebe es aus. Es drückt Lob und Anerkennung aus, ist greif- und messbar. Außerdem honoriert es nicht mein Sein, sondern mein Können.

Es kann sein, dass mein Tun hier zu Hause viel wichtiger und unvergänglicher ist als alles, was ich sonst in meinem Leben leiste. Was ich selbst verdiene, ist in der Summe nicht viel Geld. Wenn ich es bekomme, „fühlt“ es sich trotzdem besonders an: Es scheint mehr wert zu sein als die anderen Finanzen, über die ich verfügen kann. Der Unterschied ist schwer beschreib- und nicht messbar, er ist eben nicht nur finanzieller Art.

Pünktlich – für wen?

Ich bin gern pünktlich. Pünktlichkeit als Form der Wertschätzung für Menschen, mit denen ich verabredet bin, ist aus meiner Sicht eine wunderbare Sache. Sie gehört zu unserer deutschen Kultur – auch wenn es nicht allen Deutschen gleich wichtig ist, pünktlich zu sein.

Dass ich heute trotzdem manchmal zu spät komme, bedeutet nicht, dass mir Menschen weniger wichtig wären: Für pünktliche Menschen bin ich weiterhin gern pünktlich. Ich kenne aber auch Menschen, die IMMER zu spät kommen – und es gar nicht böse meinen. Sie sind unpünktlich, aber das hat nichts mit mir zu tun oder mit ihrer mangelnden Wertschätzung für mich. Aus Sicht dieser Menschen muss ich nicht pünktlich sein. Bin ich es doch, werde ich warten. Diese Wartezeiten machen mich angespannt und ärgerlich. Meine Lösung? Ich erscheine mittlerweile auch mal ein paar Minuten später, wenn ich mit unpünktlichen Menschen verabredet bin. Sie merken es nie, weil sie noch später kommen. Ich aber merke: Zu spät ist nicht gleich unpünktlich; zu spät ist in diesen Fällen einfach entspannend.

Abenteuer vegan

Eine unserer Töchter ernährt sich diese Woche vegan. Sie macht das nicht aus Überzeugung oder einem Verantwortungsgefühl den Tieren gegenüber, sie will es einfach mal „ausprobieren“. Eine Zwischenbilanz:

Sonntag – der Tag davor: Spannung und Vorfreude pur.

Montag: Wir beobachten einen gewissen Enthusiasmus an ihr: „Nein, Käse und Milchprodukte darf ich nicht, ohnehin kein Fleisch oder Fisch. Und natürlich nichts mit Ei. Aber es gibt Brotaufstriche und Schokolade; außerdem ist Gemüse sowieso viel gesünder.“

Dienstag: Latenter Hunger setzt ein – und äußert sich in einer unausgeglichenen Stimmung. Von den veganen Brotaufstrichen schmeckt nur einer richtig gut; die Hafermilch gilt nach dem ersten Probieren als eine eigene Herausforderung, und die Schokolade hat sie bei einer Freundin vergessen. Das Abendbrot klingt unverfänglich – Nudeln mit Pesto. Ein Blick auf die Inhaltsstoffe führt zu der ungläubigen und leicht frustrierten Erkenntnis: „Was? Pesto enthält auch Spuren von Milch? Was kann ich denn dann überhaupt noch essen?“ Sie weicht aus auf Nudeln mit frischen Tomaten.

Mittwoch: Die andere Tochter hat Geburtstag und kann ihn aufgrund der Corona-Kontaktsperre nicht wirklich feiern. Wir beschließen, Pizza zu bestellen. Das vegan lebende Kind macht ein langes Gesicht – bis es auf der Karte zwei vegane Pizza-Varianten entdeckt. An dem Abend wird sie zum ersten Mal wieder richtig satt. Die Stimmung kippt ins Positive.

Donnerstag: Wir gehen einkaufen. Gummibärchen gibt es nur in der vegetarischen Variante – macht nichts. Dafür landen jede Menge Obst, vegane Chips, Joghurt und Chicken Nuggets im Einkaufswagen. Letztere teilt sie beim Abendbrot großzügig mit ihren neugierigen Geschwistern.

Freitag – heute: Vorfreude auf das Ende des Experiments setzt ein. Heute steht vor allem Avocado auf dem Speiseplan. Und Müsli mit Joghurt, der zwar zu süß schmeckt, aber verzehrt werden darf.

Am Wochenende wird sich Stolz mit Vorfreude mischen, vielleicht auch ein bisschen Ungeduld. Eine Woche reicht als Herausforderung. Jetzt ist sie sich sicher: Maßvoll und eingeschränkt ist attraktiver als Totalverzicht.

Nächsten Montag gibt es Lasagne mit Hackfleisch und viel Käse.

Mobile

Unsere Gesellschaft ist wie ein riesiges Mobile: Scheinbar unzählige Faktoren sorgen dafür, dass das große Ganze funktioniert. Das Corona-Virus als ungeplanter Störfaktor von außen motivierte unsere Regierung zu beträchtlichen Maßnahmen im Inneren. Wie bei einem Mobile zeigt ein Eingriff an einer Stelle bisweilen schwerwiegende Auswirkungen an anderen Stellen – allesamt nur schwer voraussehbar. Daher ist es sehr wichtig, den Überblick und eine gewisse Unabhängigkeit zu behalten.

Bei einem hoch komplexen Gebilde wie einer Gesellschaft ist das mit dem Überblick fast unmöglich. Die „Entscheidungsträger“ sind Leute wie ich – vielleicht schlauer, sicher sachlicher. Aber keiner von ihnen ist ganz unabhängig, niemand beurteilt wirklich objektiv und wird nur von Intellekt und Menschenliebe geleitet. Das gilt für Politiker ebenso wie für Wissenschaftler und Menschen in der Wirtschaft.

Die Lage zur Zeit empfinde ich als bedrohlich – sowohl hinsichtlich der medizinischen Folgen als auch der gesellschaftlichen: Es wird regiert mit Vorsicht und Auflagen, aber auch Angst und ein schlechtes Gewissen „liegen in der Luft“. In dieser Atmosphäre kann eine andere Meinung leicht missverstanden werden als Angriff, Ungehorsam oder Straftat. Für mich ist nur schwer durchschaubar, auf welcher Grundlage bestehende Einschränkungen verfestigt und die weitere Vorgehensweise Woche für Woche neu festgelegt werden. Ist die Infektionsrate entscheidend oder sind es die (vermeintlichen oder tatsächlichen) Corona-Toten? Die eine ist schwer zu ermitteln, die anderen funktionieren wie ein Totschlagargument.

Ich weiß, dass ich nicht alles verstehen kann und muss, was zur Zeit geschieht. Ich als Einzelperson bin nicht besonders wichtig; ich bin nur ein klitzekleiner Teil eines großen Mobiles. Trotzdem: Wir alle brauchen Transparenz, Ehrlichkeit und eine ausgewogene Information, heute und nach der Corona-Krise – wann auch immer das sein wird. Es geht um mehr als um den medizinisch guten Umgang mit einer solchen Pandemie.

Das Leben

Gibt es noch ein anderes Thema als die Pandemie? Darf es noch ein anderes Thema geben? Das Leben ist doch mehr als ein temporär durch ein Virus bedrohter Zustand. Unser Leben besteht normalerweise aus Geburt und Tod und jeder Menge dazwischen: Freude und Traurigkeit, Gelingen und Versagen, Dankbarkeit und Frust, Alleinsein und Gemeinschaft, Überzeugung und Glauben, Anspannung und Entspannung, Zwang und Freiheit, Genuss und Abscheu, Mut und Angst, Verstand und Gefühl, Kämpfen und Aufgeben, Interesse und Ignoranz, Kopf und Herz, Körper und Geist, Anstrengung und Pause, Reden und Hören, Heilung und Zerbruch, selbst bestimmen und hinterher trotten …

Momentan nimmt Corona unfassbar viel Raum ein und drängt alles in den Hintergrund. Das darf nicht zur neuen Normalität werden.

Nur meine Meinung: Der Mundschutz

Immer mehr Menschen begegnen mir mit Mundschutz. Menschen kaufen ein – und tragen einen Mundschutz; andere stehen in der Apotheke oder in Geschäften hinter einer Plexiglasscheibe – und tragen einen Mundschutz. Bin ich ignorant und unvorsichtig, weil ich keinen trage? Für mich ergibt das Tragen eines Mundschutzes keinen Sinn: Das Einzige, das dafür spräche, wäre, wenn ich bereits an Covid-19 erkrankt wäre und die Quarantäne verlassen müsste. Ich weiß es natürlich nicht sicher, gehe aber begründet davon aus, dass ich momentan gesund bin – sonst würde ich nicht aus dem Haus gehen. Ich habe keinerlei Symptome; mein persönlicher menschlicher Radius beschränkt sich auf sehr wenige Personen. Keine von ihnen war in Krisengebieten unterwegs oder in Kontakt mit Reisenden, alle wirken ebenso gesund wie ich.

Andersherum ist es nicht mein erstes und erklärtes Ziel, mich nur ja nicht anzustecken. Ja, ich weiß: das Corona-Virus verursacht keinen harmlosen Schnupfen. Ich weiß aber auch, dass wir nicht für alle 80 Millionen Deutschen in absehbarer Zeit einen funktionierenden Impfstoff haben werden. Wir sind auf den durch eine durchgemachte Infektion erworbenen Immunschutz von einigen Millionen Deutschen angewiesen. Ich gehöre nicht zu einer Risikogruppe; ich halte mich im Gegenteil eher dem Teil der Bevölkerung zugehörig, der sich letztlich anstecken und möglichst gegen den Erreger immun werden muss.

Daher existiert in mir eine gewisse Skepsis zum Thema Mundschutz: Die suggerierte Sicherheit empfinde ich als unrealistisch – auch einige Virologen halten Abstand für einen wirkungsvolleren Schutz. Bisher überzeugen mich die Argumente nicht. Solange ich nicht infiziert bin und es nicht verpflichtend wird, werde ich keinen Mundschutz tragen. Das ist nicht unfreundlich von mir, unvorsichtig, ignorant oder gar fahrlässig; es ist nur meine Meinung. Und die darf ich in diesem Land haben, ohne mich dafür rechtfertigen zu müssen. Wie schön!

Friseur – nur vorübergehend

Das Haarschneiden in unserer Familie lag jahrelang in meiner Hand. Für die Frisuren von Mann und Kindern war ausschließlich ich verantwortlich – bis sich die beiden älteren Söhne vor knapp zwei Jahren emanzipierten. Seitdem gehen sie lieber zum Friseur. Es kränkt mich nicht in meinem Stolz – im Gegenteil: Diese sehr regelmäßige Aufgabe fehlt mir nicht.

Als vor einigen Wochen die Friseure dicht machen mussten, kamen beide schnell auf mich und meine „Schneidfähigkeiten“ zurück. Die bislang erfolgten Schnitte zeigten, dass ich ihrem nun gehobenen Standard (für mich erstaunlich) noch genüge. Trotzdem bin ich froh, dass sie nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend zurück wollen unter „mein Messer“: Wir drei erwarten die Öffnung der Friseur-Läden gleichermaßen mit Vorfreude.