Schwungvoll

„Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen?“
Psalm 27, 1

Auf meinem Lauf- und Spazierweg lag einige Wochen ein abgebrochener Ast beziehungsweise umgestürzter Baum mitten auf dem Weg – je nachdem, ob ich spazierend oder laufend unterwegs war. Laufend geht mein Blick immer schon ein Stückchen weiter und reichte in dem Fall über das Hindernis hinaus: Mit ein bisschen Geschlängel umlief ich den Ast ohne größere Anstrengung – inklusive einer leichten Beugung am Schluss, um wieder auf den Weg zu gelangen. Kein Problem. Anders beim Spazierengehen: Da blieb mein Blick eher an dem Hindernis hängen – und ich selbst dann auch fast. Etwas umständlich (und zögerlich) überstieg ich zuerst den Baum, machte einen Bogen und musste mich zum Abschluss tief unter einen nach oben ragenden Ast beugen. Wie gesagt: umständlich.

Mit mehr Tempo ging es spielerischer, leichter – obwohl joggen an sich anstrengender ist als gehen. Und ich dachte: Mit Schwung geht´s besser. Ich meine nicht, dass man alles im Laufschritt erledigen sollte; aber es hilft, mit Energie und einer weiten Perspektive an Herausforderungen heran zu gehen.

Im Körperlichen ist es nicht jedem gegeben, dauerhaft beweglich, agil und belastbar zu sein. Manch einem fällt das Gehen im Alter schwer, von Joggen ganz zu schweigen. Da werden kleine Hindernisse schnell zu Blockaden. Im Geistigen sind wir aber ebenso auf Schwung angewiesen oder sogar noch mehr: Die größten Widerstände sind in unserem Kopf – und haben nicht zwingend etwas mit dem Alter zu tun. Angst, ein geringes Selbstvertrauen und Minderwertigkeitsgefühle wirken wie Bremsen. Besser und freier kann ich leben mit einer gewissen Unabhängigkeit von der Meinung anderer, Mut zu unbekannten Wegen und der Erkenntnis, dass Fehler unvermeidbar sind und meinen Wert als Mensch nicht schmälern. Besser und freier kann ich leben, wenn ich weiß, dass der Schöpfer des Himmels und der Erde mich liebt und mir Schwung gibt!

„Du bist der Herr, der mein Haupt erhebt;
du bist die Kraft, die mein Herz bewegt.
Du bist die Stimme, die mich ruft,
du gibst mir Rückenwind.

Du flößt mir Vertrauen ein, treibst meine Ängste aus.
Du glaubst an mich, traust mir was zu und forderst mich heraus.
Deine Liebe ist ein Wasserfall auf meinem Wüstensand.
Und wenn ich mir nicht sicher bin, hält mich deine Hand.“
(Martin Pepper)

Noch unterwegs oder schon da?

Ich lebe in einer Kleinstadt, in der ich viel mit dem Rad erledigen kann. Das Auto benutze ich nur selten. Die Fahrradstrecken unterscheiden sich von den Wegen, die ich mit dem Auto benutzen würde – und sind nicht immer kürzer, aber immer abwechslungsreicher und schöner. Meist dauert es länger als mit dem Auto; meist macht es mir nichts aus, noch unterwegs zu sein.

Zur Zeit wird an diversen Kreuzungen gebaut. Das bringt Staus mit sich, die teilweise den Verkehr der halben Stadt verlangsamen. Nicht schön. Also meide ich das Auto noch stärker als ohnehin schon – und freue mich, dass das geht: Heute bog ich mit dem Rad von einer zugestauten Straße ab in einen längeren Weg am Fluss entlang und befand mich binnen weniger Sekunden mitten im Grünen. Eben noch hatten mir die Autofahrer leid getan, die sich langsam voran quälten und den Eindruck hinterließen: noch nicht da. Nun aber sah ich entspannt dahin radelnde Leute, dazu Kanufahrer, Freizeit-Schwimmer und einen Mann, der interessiert eine grasende Mutterkuhherde beobachtete. Alle waren irgendwie gleichzeitig noch unterwegs und schon da.

Reisen

Wenn man der ZEIT glauben darf, reist ab sofort bei jedem das schlechte Gewissen mit in den Urlaub. Es sei denn, man verbringt diesen zu Hause. Hinsichtlich der bewohnten Fläche, der Plastikverpackungen, der Auto- statt Fahrradnutzung, des allgemeinen Konsums hat das schlechte Gewissen dort ohnehin schon ein eigenes Zimmer. Im Urlaub hatten wir es die letzten 20 Jahre selten dabei:

Wir waren ohne Flugzeug in Dänemark oder Deutschland. Wir übernachteten in Jugendherbergen oder Ferienhäusern; beschäftigten uns mit Wanderungen, Schwimmversuchen und – je nach Wetter – mit Büchern, Ball über die Schnur oder Kniffle. Die Entscheidung für derartige Urlaube hatte wenig mit einem ausgeprägten ökologischen Bewusstsein zu tun, sondern weil Fliegen (unter anderem aus Umweltgründen) nicht unsere bevorzugte Fortbewegungsmethode ist. Auch dieses Jahr wird es für die Familie wieder einen ähnlichen Sommer-Urlaub geben.

Zusätzlich reise ich im kommenden Herbst nach Großbritannien – allein. Weil ich nur eine Woche Zeit habe,
mir nur eine Woche Zeit nehme,
es mir um das Dort-Sein geht und nicht das Hinkommen,
und es sich einfach anzubieten scheint,
werde ich fliegen.

Ich möchte wandern, mit englischsprachigen „Ureinwohnern“ reden, lesen, das Alleinsein genießen, am Ende kurz London erleben – und dort privat unterkommen. Ich möchte mich nicht fragen, ob ich das der Umwelt antun kann. Also lasse ich das schlechte Gewissen zu Hause: Es kommt eine Woche gut ohne mich zurecht.

Worum ich mich kümmern will

„Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.“
Lukas 10, 40

Es gibt einen feinen Unterschied zwischen Gemeinschaft haben und gemeinsam etwas schaffen. Ich behaupte: Gott ist es wichtiger, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, als dass wir gemeinsam etwas schaffen. Das eine ist die Voraussetzung für das andere, und deshalb ist das eine auch wichtiger als das andere.

Lange habe ich mich gerieben an diesem Text – nicht nur, weil ich vom Wesen her Marta ähnlicher bin als Maria. Es hat mich auch gestört, dass Martas gastfreundliches Handeln so negativ abgetan wird. Zumal die Geschichte in einem Kulturkreis angesiedelt ist, in dem es total wichtig ist, Menschen herzlich willkommen zu heißen und sie zu bewirten. (Und zu einer Zeit, in der es unüblicher war als heute, den Gastgeber mit Mitgebrachtem zu überhäufen.)

Ich glaube mittlerweile, dass das eine das andere nicht ausschließt: Ich darf fleißig und gastfreundlich und umtriebig sein – keine Frage. Die Frage ist eher, ob es noch etwas anderes in meinem Leben gibt, um das ich mich ebenso hingegeben kümmere wie um meine Aufgaben und damit den Eindruck, den ich bei anderen hinterlasse.

Vielleicht liegt es am Alter, aber heutzutage fällt es mir leichter, mich – ähnlich wie Maria – nicht hingebungsvoll um die Küchenarbeiten zu kümmern. Ich kann sehr gut auf meinem eigenen Fest sitzen und interessanten Gästen Gesellschaft leisten. Allerdings glaube ich, dass vor allem die geistliche Ebene gemeint ist in dieser Geschichte: Was ist uns wichtig? Dass wir uns Anerkennung erarbeiten, unserer Pflicht Genüge tun, unsere Aufgaben vorbildlich erledigen? Müssten wir uns nicht ebenso inbrünstig kümmern um unsere Seele und die geistliche Nahrung, die wir brauchen? Das würde bedeuten, die eigenen Hände ruhen und Jesus in uns tun zu lassen – wie Maria. Ich möchte ihr nicht nur ähnlicher werden, weil das Alter mich gelassener (und abgeschlaffter) macht. Ich möchte wie Maria aktiv und entgegen der Geschäftigkeit unserer Gesellschaft Jesus Zeit und Raum geben, zu meinem Innersten zu sprechen – und mich dann fleißig und hingegeben um das kümmern, wozu Gott mich in diesem Leben berufen hat.

Interessenkonflikt

Meine Tochter – die aufgrund ihrer Größe gut meine Kleidung benutzen kann – hat von ihrer Cousine eine Daunenjacke geerbt, reichlich unerwartet und mitten im Sommer. Die Jacke ist schön; und normalerweise freue ich mich, wenn meine Tochter die Sachen mag, die ihre Cousine abgibt. Diesmal wäre mir eine gewisse Abneigung von ihrer Seite lieber. Ich hätte selbst Verwendung für das gute Stück: Im vergangenen Winter hatte ich nach einer solchen Jacke gesucht, aber keine gefunden, die meinen Geschmack getroffen hätte. Irgendwann war ich des Suchens müde, schaffte den Winter in altbewährter Kutten-Montur – und komme jetzt im Sommer weiterhin gut ohne Daunenjacke zurecht. Aber der nächste Winter kommt bestimmt.

Was mir Angst macht

Dominante Menschen, Unehrlichkeit, ungeklärte Beziehungen, Wut – meine eigene und die von anderen. Manchmal auch Krach, aber das spielt sich auf einer anderen Ebene ab. Und vielleicht noch ein paar andere Dinge…

Ähnlich, anders, ähnlich …

In einer Familie lebt man miteinander, was unter anderem bedeutet, sich gegenseitig zu beeinflussen und zu prägen:

War mein Verhalten als Mutter für meine kleinen Kinder größtenteils nachahmenswert, so geht es für Teenager darum, sich grundsätzlich anders zu entscheiden. Es sei denn, sie kommen – aus freien Stücken!!! – zu ähnlichen Entscheidungen.

Einer meiner Söhne isst seit einiger Zeit nur noch selten Marmelade und fast keine Süßigkeiten mehr. Noch dazu verzichtet er mit einer Entschiedenheit auf Zucker, die mich überrascht. Ich begrüße diese plötzliche Entwicklung, scheine aber nicht deren Auslöser zu sein.

Einerseits erlebe ich die Zurückhaltung meines Sohnes als ein wenig übertrieben – und nehme an, dass dieser Zustand nicht ewig anhalten wird. Andererseits fordert mich sein konsequentes Verhalten heraus: Ich nehme es zum Anlass, mich – in dem Fall – ähnlich bewusster zu ernähren. Sein Beispiel erscheint mir (zumindest teilweise) nachahmenswert.

Es ist immer noch ein Miteinander, nur irgendwie anders.

Warum konkret, wenn allgemein auch reicht?

Mega cool, echt hart, super krass – unsere Kinder verwenden Formulierungen, die uns zum Nachfragen anregen: „Was meint ihr damit?“, fragen wir und ernten eine gewisse Erklärungsnot. So genau hatten sie darüber nicht nachgedacht. Cool muss reichen. Aber was ist denn nun cool? Gibt es nicht auch andere Worte, um etwas Großartiges, Interessantes, Spannendes, Überraschendes zu beschreiben, was schön, reizvoll, fantastisch, atemberaubend anzusehen ist oder sich besonders weich anfühlt, ein Kribbeln im Bauch auslöst oder eine Gänsehaut und eventuell zusätzlich noch ungewohnt lebendig in den Ohren klingt, sich bezaubernd melodiös, klangvoll, ergreifend, spielerisch anhört? Oder hat da eine Mannschaft einfach nur sehr gut Fußball gespielt?

Wahrscheinlich überfordert die Kinder die Qual der Wortauswahl. Cool, hart und krass sind zwar unkonkret, stimmen dafür immer – auf die Spitze getriebene Sprachökonomie.

Geht gar nicht

Meine Ausdauer und Leidenschaft für Handarbeiten im Allgemeinen ist sehr begrenzt. Als Jugendliche lernte ich stricken: Ein oder zwei Pullover entstanden unter meinen Händen, später einige Paar Socken. Heutzutage muss ich nicht mehr stricken, was ich nicht bedauere. Wollsocken strickt eine unserer Nachbarinnen. Sie strickt nach konkreten Wünschen oder kreiert wunderschöne Mix-Exemplare, hat Spaß daran und beherrscht dieses Metier meiner Meinung nach perfekt. Für selbst gestrickte Wollpullis, Schals oder ähnliche Accessoires habe ich keine Verwendung.

Wenn Stricken unter „in Ordnung, aber vorbei“ läuft, gilt fürs Nähen „geht gar nicht“. Ich habe nie eine Nähmaschine besessen, und das manuelle Erledigen von Näharbeiten ist mir ein Graus. Leider fallen im Alltag einer fünffachen Mutter immer wieder Arbeiten an, für die man Nadel und Faden braucht: Gardinen abnähen, Hosen kürzen oder Klamotten ändern, Löcher flicken, Knöpfe annähen und abgerissene Haken an Handtücher annähen. Mit größeren Dingen (also fast allem) gehe ich zur Schneiderin meines Vertrauens, mit dem kümmerlichen Rest sitze ich – selten und sehr ungern – allein auf meinem Sofa. Nähen fällt in meinen Aufgabenbereich, ich sollte es können – glaube ich. Aber ich tue es überhaupt nicht gern, schiebe auf, solange es geht (und darüber hinaus), und erledige es dann erwartungsgemäß dilettantisch. Darin bin ich meinen Kindern kein gutes Vorbild, aber ehrlich gesagt: Darf es eine Sache in meinem Job geben, gegen die ich eine tiefsitzende Abneigung habe? Dann sind es Näharbeiten aller Art. Ich bin dankbar, dass es nicht Kochen oder Putzen getroffen hat!

Teenagers are full of surprises

Mothers of teenagers should be able to adapt: On the one hand you are supposed to be merciful, encouraging, forgiving, listening, understanding and all those things in a different way with each individual kid. As a result it may happen that your kid reacts grateful and you both experience a unique closeness. On the other hand the juveniles might be not especially grateful for the things you do for the sake of their character building – your work, the limits you set, the pushing, remembering and regulating. And they tell you so in very blunt and honest words. Which reaction will pop up is often surprising.

So you need to be empathic and sensitive and in the very next moment ignorant and thick-skinned because they don´t really mean what they say. This process of change is required daily, has to be made spontaneously, and regardless of one´s own emotional state. I have been training this for years now, I am not sure if I am any better than when I started. I only know that sometimes I am still ill-prepared for the surprise.