Einer kann (nicht), ein anderer kann´s einrichten … 

„Wenn du wirklich gar nicht kannst, kann ich das übernehmen …“, schreibt eine Bekannte. Und ich denke unwillkürlich, das ist ein Wolf im Schafspelz beziehungsweise eine Absage verpackt in einer Zusage. Ich empfinde ihre Worte als freundlich, aber dennoch unmissverständlich – und leicht manipulativ. Habe ich eine Wahl? Ja, man hat immer eine Wahl, aber diese hat einen Preis: Entweder ich sage zu und setze mich in diesem Fall fünf Stunden ins Auto, obwohl ich meinen Samstag auch zu Hause gut füllen kann. Oder ich sage ab und riskiere ein schlechtes Gewissen. Denn, wer kann schon `wirklich gar nicht´? Ich kann manchmal (und so auch dieses Mal) höchstens `nicht so gut´, was soviel heißt wie: „Ich hätte eine bessere Alternative!“ Von dort bis `wirklich gar nicht´ kann ich eine ganze Menge einrichten.

Ehrlich wohlwollend

„Kann man mich anders als wohlwollend ansehen?“, frage ich meine Freundin; sie lacht schallend und stimmt mir vorbehaltlos zu. Bisweilen korrigiert und kritisiert sie mich auch, aber heute ist etwas anderes wichtiger.

Ich bin total dankbar für unsere Freundschaft; wir begegnen uns wohlwollend und können sehr ehrlich miteinander sein – manchmal auch ganz unbescheiden.

Was für ein Geschenk!

Mein Geburtstag ist fast ein Tag wie jeder andere: Ich frühstücke mit meinem Mann, gehe arbeiten, nachmittags sind auch Kinder wach; abends kommt eine Freundin vorbei. Außerdem rufen einige an oder schreiben Karten oder eine Mail – auch Menschen, die mir jahrelang nicht gratuliert haben. Weil meine Familie weiß, dass ich mich über Geschenke freue, lassen sie sich ein paar Dinge einfallen. Aber dass Menschen freundlich an mich denken und mich mögen, ist das schönste Geschenk – nicht nur an diesem Tag!

Vom Grüßen

Von zu Hause aus sind wir es gewohnt, Menschen zu grüßen, denen wir beim Spazierengehen begegnen: Fast alle grüßen zurück. Im Urlaub gelten andere Gesetze – erschreckend häufig ernten wir Stille. Zunächst wollen wir aufgeben, entscheiden uns dann aber, uns treu zu bleiben und unsere freundlichen `Hallo´ weiter großzügig zu verteilen. Nach einer Weile stellen wir fest: Die Urlauber mit sächsischem (oder auch badischem) Dialekt sind die freundlichsten. Auf Platz zwei landen Familien, dicht gefolgt von Leuten mit Hund im Fahrradanhänger. Am stoffeligsten sind ältere Ehepaare: als bräuchten sie Urlaub auch vom Grüßen.

Erklärung zwecklos

Ich gehe spazieren und komme an drei Leuchttürmen vorbei: Kap Arkona ist diesbezüglich reichhaltig ausgestattet. Neben dem heute aktiven Leuchtturm stehen eine Erklär-Tafel sowie ein Modell der verwendeten Leucht-Optik (wenn ich es richtig verstanden habe). „Blitz – Blitz – Blitz – kein Blitz, und das alle 17 Sekunden …“, so fängt die Aufschrift an – und geht dann zügig über in eine komplexe Beschreibung der technischen Hintergründe. Ich halte mich technisch nicht für besonders gebildet, bin aber auch nicht vollkommen unterbelichtet. Dennoch kann ich schon nach einigen Zeilen nicht mehr folgen. Von Fresnellinsen ist die Rede, benannt nach einem `genialen´ französischen Gelehrten des 19. Jahrhunderts. Große Brennweiten kommen in dem Text ebenfalls vor und dass diese nur mit eben jenen besonderen Linsen erreicht werden können – und auch warum. Wer von den Kap Arkona-Besuchern das wohl versteht, frage ich mich: für mich alles in allem keine Erklärung, die mich erhellt. Was bleibt? Lediglich das mit dem `Blitz – Blitz – Blitz – kein Blitz, und das alle 17 Sekunden …´ wird mir wohl noch eine Weile in Erinnerung bleiben.

Noch eine Postkarte? Ja!

Ich beschreibe und verschickt eine Menge Postkarten und bin froh, dass so eine große Auswahl existiert. Überall, wo ich bin, suche und finde ich neue Karten – und nehme sie mit. In meinem Schrank steht eine Vorratskiste voller Nachschub für alle möglichen Anlässe. Offenbar teilt meine Nichte diese Leidenschaft: Vor ein paar bekam ich gleich drei Karten aus ihren Altbeständen. Natürlich ist mir die gestaltete Vorderseite weniger wichtig als das, was meine Nichte persönlich draufschreibt. Dennoch bringen mich kluge, witzige oder/und optisch schöne Karten sehr zuverlässig zum Lächeln. Ich fände es großartig, selbst welche zu kreieren – obwohl einiges dagegen spricht: Wahrscheinlich gibt es auf dem Kartenmarkt nichts, was es nicht gibt; wieso sollte gerade mir noch die eine super Idee kommen? Außerdem verschickt kaum noch jemand handschriftliche Grüße … Alles egal: Ich würde trotzdem gern Postkarten erschaffen, die Menschen zum Lächeln bringen – auch wenn sie hinterher für den Fall der Fälle in einem Vorratskarton landen. 

Treffend formuliert?

Es ist sehr warm; entsprechend kleide ich mich: kurzer Rock, Top, Schuhe ohne Socken. Eine Freundin begrüßt mich mit den Worten: „Oh, du siehst aber freizügig aus!“ Erschrocken schaue ich an mir herunter und greife mir ans Dekolleté. Mein entsetzter Blick scheint Bände zu sprechen; auch meine Freundin merkt, dass ihre Formulierung nicht zutrifft: „Ach, Quatsch, da habe ich ein völlig falsches Wort aus der Kiste gezogen; ich meinte … äh, luftig – und bei dem Wetter genau richtig.“

Ich bin beruhigt; in diesem Fall war die Wortwahl ganz offensichtlich völlig daneben. Eine andere Begebenheit kommt mir in den Sinn, in der ich ähnlich erschrocken auf die Bemerkung eines anderen reagiert hatte: Damals bezeichnete mich jemand als `alte Meckerzicke´ – und ich fragte mich noch lange danach, ob und inwiefern diese Formulierung auf mich zutrifft.

Egal, ob kurz oder lang (2)

Kurznachrichten, auf die Schnelle abgeschickt, haben Konjunktur. Es ist, als würden wir unbedingt in derselben Zeit mehr unterbringen wollen – und merken nicht, dass etwas auf der Strecke bleibt. Meine (vielleicht steile) These: Wer eilig ist, bleibt oberflächlich.

Andererseits ist `ausführlich´ nicht automatisch tiefgehend. Manche Menschen reden viel, ohne wirklich etwas zu sagen – nicht nur Politiker, die das vielleicht bewusst und aus taktischen Gründen tun.

Wer wirklich etwas weitergeben möchte, muss seine Worte bewusst wählen – ob lang oder kurz ist dann zweitrangig. Aber den wenigsten von uns ist es in die Wiege gelegt, klar und verständlich zu formulieren. Man muss es lernen: am besten schon im Elternhaus. Dietrich Bonhoeffers Vater war seinen Kindern diesbezüglich ein guter Lehrer: „Seine Ablehnung der Phrase hat manchen von uns zu Zeiten einsilbig und unsicher gemacht, aber erreicht, dass wir als Heranwachsende an Schlagwörtern, Geschwätz, Gemeinplätzen und Wortschwall keinen Geschmack mehr fanden …“ Offensichtlich war diese `gute Schule´ kein Spaziergang, sondern mühselig und bisweilen unangenehm. Meine zweite (vielleicht steile) These: Der Weg des geringsten Widerstandes ist nicht unbedingt der, der zum Ziel führt. Oder, wie ein Freund von uns treffend formuliert: Können kommt von üben!

Egal, ob kurz oder lang

`Kurz angebunden´ kommt nicht gut an, und möglichst kurze Nachrichten sind gern mal inhaltsarm; aber wer sich kurzfassen kann, erreicht seine Zuhörer! Wohl dem, der in wenigen Worten sagen kann, worauf es ankommt!

`Langatmig´ kommt nicht gut an, und langweilige Sprachnachrichten sind gern mal nervig; aber wer lebendig erzählen kann, erreicht seine Zuhörer. Wohl dem, der weiß, auf welche Worte es ankommt!

(K)eine blöde Kuh

Auf meiner Laufrunde treffe ich eine Freundin; sie schiebt ihr Fahrrad und sieht unglücklich aus. „Irgendeine Kuh hat mir mein Fahrrad auseinandergenommen“, sagt sie. Welche blöde Kuh denn bitte – hier ist niemand zu sehen. Außerdem sind derart drastische Worte sonst nicht ihre Art. Mein Gesichtsausdruck ist offenbar ein einziges Fragezeichen, denn meine Freundin ergänzt: „Ich hab´ nur mein Fahrrad abgespritzt, dann kurz angelehnt und im Stall Futter nachgeschoben. In der Zeit hat eine Kuh das Vorderrad ausgebaut und das Schutzblech verbogen.“ Ich fange an zu grinsen, denn es geht nicht um irgendeine blöde Kuh, sondern wortwörtlich um eine ihrer 70 Schwarzbunten. Und blöd ist diese Milchkuh offensichtlich auch nicht – sie hat schließlich ganze Arbeit geleistet.