Hexenschuss

Ich habe einen Hexenschuss oder jedenfalls starke Schmerzen im unteren Rücken. 

Nachteile: Ich kann vieles nur noch langsam und einiges gar nicht mehr machen – Rad fahren zum Beispiel. Im Alltagsgeschäft müssen Mann und Kinder mir helfen. Mein Adventskalender ist noch nicht ganz fertig: Schaffe ich den Rest bis morgen? 

Vorteile: Ich kann vieles nur noch langsam und einiges gar nicht mehr machen – Spazierengehen geht. Im Alltagsgeschäft können Mann und Kinder mir helfen. Mein Adventskalender ist schon fast fertig: Bis morgen schaffe ich den Rest. 

Im ersten Moment bin ich frustriert, weil ich mich ausgebremst fühle. Etwas später werde ich dankbar für die überwiegenden Zeiten, in denen mein Körper `störungsfrei funktioniert´. Die vorübergehende Unpässlichkeit erinnert mich vergleichsweise freundlich daran, dass tägliche Gymnastik mir gut täte. Ein Bandscheibenvorfall wäre eine deutlich unangenehmere Aufforderung, besser für mich zu sorgen …

Heutzutage

„Die Kinder heutzutage halten nichts mehr aus, die meckern sofort rum, wenn`s anstrengend wird“, sagt mein Sohn – selbst fast noch ein Kind.

Ich finde, dass sich heutzutage manches 13-jährige Mädchen schon so erwachsen fühlt und gibt wie ich früher erst jenseits der 20. Andererseits heißt es, heutzutage sei `50 das neue 30´.

Heutzutage nutzen wir `smarte´ Telefone vor allem, um tonlos alles mögliche zu verschicken: Fotos, Videos, Kurz-Nachrichten. Dabei diente das Telefon ursprünglich dazu, Sprache mittels elektrischer Signale zu übermitteln.

Früher war halt vieles anders als heutzutage, vielleicht sogar besser. Das wusste schon Johann Wolfgang Goethe:

„Unsere jetzigen Talente liegen alle auf dem Präsentier-Teller der Öffentlichkeit. Die täglich an fünfzig verschiedenen Orten erscheinenden kritischen Blätter und der dadurch im Publikum bewirkte Klatsch lassen nichts Gesundes aufkommen. Wer sich heutzutage nicht ganz davon zurückhält und sich nicht mit Gewalt isoliert, ist verloren.“

Gesagt hat Goethe das früher, vor fast 200 Jahren; heutzutage passt es immer noch.

Verbrannte Erde

Zwei Menschen sind nie komplett einer Meinung – und liegen sehr selten Welten auseinander. Um miteinander im Gespräch zu bleiben, sollten wir uns nicht auf die Unterschiede konzentrieren, sondern auf die Gemeinsamkeiten: „Ich kann verstehen, dass du das so siehst“, hätte ich sagen können, als ich kürzlich mit jemandem uneins war – aber ich habe es nicht getan. Stattdessen habe ich meine Position dargelegt und verteidigt. Jetzt haben wir in unserer Kommunikation etwas `verbrannte Erde´, um die wir beide in Zukunft einen Bogen machen werden. Im Nachhinein tut mir mein mangelndes Feingefühl leid: Hinterher und in der Theorie ist man immer klüger.

Immobilien

Mit den Kindern spreche ich über Weihnachtsgeschenke. Ich wünsche mir wie immer Briefe – und dieses Jahr eine neue Hülle für mein Handy. Sie sagen, ich solle nicht so bescheiden sein. Als Antwort auf mein „Ich habe mehr Geld als du“, erwidert mein Sohn: „Dann investiere in Immobilien; auf dem Konto bringt dir die Kohle nix.“ Ich muss lachen, obwohl ich weiß, dass er grundsätzlich recht hat. Aber so viel Geld habe ich nicht – es würde höchstens für ein Vogelhäuschen reichen. Ob das allerdings im Sinne der Geld-Vermehrung eine gute Idee ist, wage ich zu bezweifeln.

Zweierlei Maß?

Vor einem halben Jahr übten einige Künstler Kritik an den Corona-Maßnahmen – mittels ironischer Videos, die sie ins Internet stellten. Unmittelbar darauf konnte man in den öffentlichen Medien Reaktionen darauf lesen oder hören: Die Beteiligten wurden heftig angegriffen und für ihre Aktion verurteilt. Diese sei sowohl in der Sache als auch im Stilmittel der Ironie völlig unangemessen gewesen, hieß es. Einige der Beteiligten zogen sich daraufhin sofort zurück, andere wurden wochenlang öffentlich beschimpft.

Vor ein paar Tagen übte eine Journalistin Kritik am Verhalten der Ungeimpften – mittels einer anderthalb minütigen, fast schon aggressiven Hetz-Tirade. Im ersten Moment hielt ich ihre Äußerungen für eine Parodie. Aber die Frau meinte ernst, was sie sagte: dass alle Ungeimpften sich unsolidarisch verhielten und Schuld seien am Tod tausender Menschen. Die Frau verkündete ihre Meinung in unmissverständlichem Ton – nämlich wütend, herablassend und anklagend. Ich fand ihre Äußerungen sowohl in der Sache als auch im Ton völlig unangemessen; anderen geht es ebenso. Aber bis heute habe ich in den öffentlichen Medien keinerlei Reaktion zu diesem Kommentar gelesen – niemand schimpft.

Brauchen

Was ich brauche, ist die Basis, ohne die nichts geht.
Was ich brauche, ist nicht viel – und doch genug.
Was ich brauche, kann sich trotzdem wie zu wenig anfühlen – auch wenn ich nicht wählerisch oder maßlos bin.

Denn was ich brauche, ist eben nur, was ich brauche, und nicht, was ich gern hätte.

Vom Geld

Mein Mann ist berufstätig und bekommt dafür Geld.

Ich bin nicht berufstätig und bekomme kein Geld, gebe aber aktiv Geld aus – für alles, was wir so brauchen.

Andererseits koche, putze und gärtnere ich unentgeltlich – und spare Ausgaben, die sonst anfallen würden.

Zwischendrin bin ich aktiv mit anderen Dingen beschäftigt: zuhören, helfen, vorlesen, reden, trösten, mitfreuen … Weder kosten sie Geld, noch bringen sie Geld ein: Sie sind unbezahlbar.

Hoffentlich

Ich durchschaue komplexe Zusammenhänge nur bedingt. Zwar informiere ich mich aus verschiedenen Quellen: Aber diese wähle ich selbst aus, und mein Wissen bleibt Stückwerk. Immerhin weiß ich, dass DIE Wahrheit so oder so aussehen kann – je nachdem, aus welcher Perspektive man schaut. Letztlich bilde ich mir meine Meinung zu unterschiedlichen Themen und bin mehr oder weniger stark davon überzeugt.

Ich schätze, das geht den allermeisten Menschen ebenso.

Jemand, der zu ganz anderen Schlüssen (Wahrheiten?) kommt, würde mich nicht ohne weiteres überzeugen. Denn: Meine eigenen Schlussfolgerungen kämen mir sicherlich logischer vor; und zum anderen fällt es mir schwer, zuzugeben, dass ich mich vollkommen geirrt habe.

Ich schätze, auch das geht den allermeisten Menschen ebenso.

Gerade zur Zeit merken wir in Deutschland eines sehr stark: Die hohe Kunst des Miteinanders besteht darin, einander und unsere unterschiedlichen Positionen zu ertragen. Es ist in einer Demokratie nie eine gute Lösung, auf Andersdenkende herabzuschauen – selbst wenn diese in der Unterzahl zu sein scheinen. Hoffentlich gelingt uns das in Zukunft wieder besser als in den vergangenen Wochen und Monaten.

Auf Null

Wer in den Urlaub geht, `räumt seinen Schreibtisch auf´ – egal, ob er tatsächlich im Büro beschäftigt ist oder Dächer deckt. Meine Arbeit findet vor allem im Haushalt statt. An diesem Wochenende besuche ich zwei alte Freundinnen; ich werde nur etwa 48 Stunden weg sein. Vorher sorge ich dafür, dass alles gewaschen und gebügelt ist und die Vorräte aufgefüllt sind. Ich koche eine Suppe, die zwei Tage reichen wird, und fege/sauge noch einmal durch die Zimmer. Vielleicht verfasse ich noch einen Zettel mit dem, was ich normalerweise samstags tue. Ich weiß, dass meine Familie zurechtkommen wird – egal, wie ich ihr die Lage überlasse. Aber ich kann nicht anders: Ich stelle alles auf Null.

Engagiert trifft sachlich

Ein Freund bittet mich, einen Bekannten zu fragen, wie zufrieden dieser mit einem bestimmten Arzt ist. Ich rufe meinen Bekannten an und erfahre (ausführlich) nur Gutes. Entsprechend schreibe ich eine längere Textnachricht an meinen Freund. Ich berichte alles (ausführlich) und wünsche ihm Klarheit dabei, wie er sich entscheidet (OP oder nicht OP). Seine Antwort kommt schnell, sie ist kurz und knapp: „Danke für die Information, das hilft.“

Ich weiß, dass damit alles gesagt ist, aber mir fehlt ein bisschen `drumherum´. So geht es mir jedes Mal, wenn ich innerlich engagiert erzähle und mein Gegenüber rein sachlich antwortet. Ich erlebe das öfter; es irritiert mich immer wieder.