Im Januar liegt das Jahr normalerweise vor mir wie ein offenes Buch mit vielen beschriebenen Seiten: Feste Termine, der Sommerurlaub, Einladungen, besondere Geburtstage… Dieses Jahr kam das Corona-Virus dazwischen und mit ihm diverse Absagen, wochenlang keine richtige Schule und eine merkwürdige, andere Normalität. Die nächsten Monate liefen anders, als ich sie mir vorher vorgestellt hatte – nicht „normal“, „Familie pur und sonst kaum etwas“ in Dauerschleife.
Vor meinem 50ten Geburtstag diesen Sommer war ich wochenlang leicht angespannt: Ich wollte nicht groß feiern, das Ereignis aber auch nicht so wenig beachten wie einen normalen anderen Geburtstag. Und – ganz unbegründet – fürchtete ich mich tatsächlich ein wenig davor, fünfzig zu werden. Der Tag selbst war sehr schön. Meine Geschwister waren für ein paar Stunden da – trotz weiter Anreise. Einige dachten an meinen Geburtstag, andere nicht. Im Nachhinein verlief er anders, als ich ihn mir vorher vorgestellt hatte – nicht furchterregend, sondern eher schön „normal“.
Einige Jahre träumte ich davon, den West Highland Way in Schottland zu wandern. Ich stellte mir die Landschaft vor und auch das Wandern an sich. Dieses Jahr überraschte mich mein Mann mit einer gebuchten Wanderreise. Die Tage in Schottland wurden wunderbar und besonders – aber ganz anders, als ich sie mir vorher vorgestellt hatte – viel anstrengender, gleichzeitig erholsamer und eindrücklicher als ein „normaler“ Urlaub.
Normal ist weder gut noch schlecht; normal ist nur eine Vorstellung.