Zu kühl?

Am langen Osterwochenende genieße ich die freien Tage besonders und nehme mir zunächst nichts vor. Es ist Ende März; der Winter ist kalendarisch und auch sonst vorbei, aber das Wetter ist unberechenbar. Mit einer dicken Jacke wäre es zwar auszuhalten draußen, aber ich entscheide: Für Gartenarbeit ist es glücklicherweise noch zu kühl. Stattdessen schreibe ich Briefe, gehe laufen, backe einen Kuchen, bin still und genieße die Strukturlosigkeit eines (auch Familien-)freien Samstags.

Der Sonntag füllt sich von allein: Ausnahmsweise frühstücken wir wie in alten Zeiten zu siebt – besser könnte der Tag nicht anfangen – und gehen in den Gottesdienst. Den Tages-Ausklang bildet das erste Grillen für dieses Jahr. Dafür ist es zwar fast noch zu kühl, aber wir entscheiden: Mit einer dicken Jacke ist es auszuhalten auf der Terrasse.

Wo ein Wille ist, hat das Wetter gar nichts zu sagen!

SKATE – von wegen!

Vor Wochen hörte ich einen interessanten Vortrag zur beruflichen Neuorientierung. Der Referent erwähnte die unterschiedlichen Kompetenzen, auf die es seiner Meinung nach ankommt: SKATE – skills, knowledge, ambition, talent, experience. Nur ein Aspekt reiche nicht aus; alle fünf zusammen würden meine persönliche Eignung (auch für einen Job) beschreiben.

Skills: Was kann ich?
Knowledge: Was weiß ich?
Ambition: Wie viel Einsatz zeige ich?
Talent: Worin bin ich begabt(-er als andere)?
Experience: Wie viel Erfahrung habe ich?

Defizite in einem Bereich ließen sich demnach ausgleichen durch Qualitäten in einem anderen: Man könne durch Engagement – zumindest teilweise – fehlendes Talent ersetzen; und natürlich sei praktische Erfahrung manchmal entscheidender als theoretisches Wissen. So weit so gut, klang alles irgendwie unkompliziert.

Einige Monate später und mit realem neuen Job-Alltag weiß ich, dass es meistens anders kommt, als man denkt. Zum einen scheinen mein diplomatisches Geschick und meine Teamfähigkeit wichtiger zu sein als meine fachlichen Kompetenzen. Zum anderen kochen alle anderen eben auch nur mit Wasser.

Anders vorbei

Unserem Keller sieht man es kaum noch an, dass dieser sechs Wochen überflutet war: Alles steht wieder an seinem Platz; nur ein weißer Rand abgelagerter Salzkristalle an den Wänden erinnert an die Zeit der Gummistiefel. Ich lüfte viel – aber das mache ich sowieso und immer.

Auch die Wiesen und Feldern ringsum sind größtenteils wieder normal nass. Dennoch spürt man die Folgen des Hochwassers hier deutlich mehr als in unserem Keller: `Wo es lange sehr nass ist, wächst buchstäblich kein Gras mehr´, könnte man sagen. Für die Kühe meiner Freundin ist das höchst bedauerlich, die fressen nämlich gern Gras und machen daraus Milch. Weil es jetzt am normalen Futter mangelt, müssen sich die Bauern etwas einfallen lassen, um die Folgen des Hochwassers zu kompensieren. Otto Normalverbraucher dagegen bleibt von diesen komplett verschont: Denn im Supermarkt ist weiterhin immer gleich viel Milch zum gleichen Preis da – es sei denn, die Kühltheke geht kaputt.

Das nennt man wohl entkoppelte Verhältnisse …

(Ja, ich weiß, dass Märkte und Preise stabil sein müssen etc. Trotzdem erscheinen mir die Unwägbarkeiten irgendwie ungleich verteilt.)

Theoretisch gut vorbereitet

Mein Sohn will seinen Angelschein machen. Er hat die Anmeldegebühren bezahlt und lernt jetzt für die beiden Prüfungen: eine schriftliche und eine mündliche. Schriftlich ist rein theoretisch; mündlich geht es unter anderem darum, an Fisch-Attrappen zu zeigen, wie man das macht mit dem `Landen, Betäuben und Töten´. Wenn er alles richtig aufschreiben, erzählen und zeigen kann, bekommt er seinen Angelschein. Dann darf er in bestimmten Gewässern angeln gehen und ist theoretisch gut vorbereitet – und zwar praktisch ohne einen einzigen echten Fisch gefangen haben zu müssen.

Weniger ist mehr

Nächstes Wochenende ist Ostern. Seit Wochen beschäftigen sich alle möglichen Konsum-Prospekte genau damit: Osterhasen und Schoko-Eier, Zutaten zu Festessen, Eierlikör als besondere Beigabe … In manchen Familien stellen Oster-Geschenke mittlerweile den weihnachtlichen Gabentisch in den Schatten. Dabei ist das alles viel zu viel und lenkt ab vom Eigentlichen. Ostern geht´s um zwei einfache Dinge: um Kreuz und Auferstehung, um Tod und Leben – nicht mehr und nicht weniger.

Objektiv, weil blind

Orchester wählen ihre Musiker durch Vorspielen aus – klar, wie soll man sonst entscheiden, ob der oder die `Neue´ zur Gruppe passt. Weil es mehr Bewerber als freie Plätze gibt und damit es möglichst gerecht zugeht, finden heutzutage manchmal `blind auditions´ statt: ein Vorspielen hinter dem Vorhang. Nur so kann man einigermaßen sicherstellen, dass der Klang beurteilt wird und damit das Vermögen des Kandidaten – aber nicht, wie alt derjenige ist und wie attraktiv oder von welcher Uni er kommt. Bei Musik-Talentwettbewerben läuft es manchmal ähnlich: erst dem Kandidaten zuhören, bevor die Jury ihn oder sie zu Gesicht bekommt. Das Ziel ist in beiden Fällen, möglichst unvoreingenommen bewerten zu können.

Kürzlich erfuhr ich, dass auch junge Hengste sich einem Auswahlprogramm stellen müssen, um in der Zucht `mitspielen´ zu dürfen: Körung – Hengstleistungsprüfung – Zuchthengst, so lautet hierzulande die Reihenfolge. Wer die erste Stufe, die Körung, nicht schafft, ist raus. Dabei geht es um grundsätzliche Gesundheit und bestimmte körperliche Anlagen: wie er denn aussieht, der junge Hengst, sich bewegt usw. usf. Die Leute, die dann über `gekört´ oder `nicht gekört´ befinden, sehen aber eben nicht nur ein beliebiges junges Pferd. Aus den Papieren wissen sie auch, wem es gehört und ob es schon erfolgreiche Geschwister hatte. Ob sich die Richter von diesen Informationen ganz frei machen und ein wirklich objektives Urteil fällen können, ist zumindest fraglich. Einziger Ausweg: `blind auditions´ für junge Hengste! 

Unhöflich? Kann sein, ist mir aber egal.

Ich verlasse ein Musical vor der Zugabe und verabschiede mich kurz von einem Bekannten. „Das ist aber unhöflich“, sagt er zu mir. Er hat recht, aber ich lächle nur und gehe trotzdem.

Erstens ist mir kalt: Ich bin noch immer ein bisschen nass von der Herfahrt durch den Regen.

Zweitens war ich zwar pünktlich hier, aber doch irgendwie zu spät: Auf den eilig hinzugestellten Stühlen außerhalb des Saals hört man ganz ordentlich, sieht aber nur wenig.

Drittens weiß ich, was sich gehört, und bleibe normalerweise immer bis zum Schluss. Selbst einen Kinosaal verlasse ich erst, wenn der Abspann durchgelaufen ist. Dieses Mal gehe ich früher – auch wenn mein Bekannter das als unhöflich empfindet. Es ist mir egal, was er von mir denkt, und auch, ob er meine Gründe verstehen oder gutheißen würde: Ich will nach Hause.

Genug oder nicht?

Wenn wir nicht begabt, schlau, gewieft, entschlossen, mutig oder stark genug sind, ist es hilfreich, an eine Geschichte aus der Bibel zu denken. 5.000 Menschen hatten sich damals versammelt und hörten Jesus zu – bis es Zeit fürs Abendbrot war. Die Jünger sollten ihnen zu essen geben, meinte Jesus. Aber sie hätten doch `hier nichts als fünf Brote und zwei Fische´, erwiderten die Jünger – aus ihrer Sicht und auch ganz offensichtlich nicht genug, um so viele Menschen satt zu machen. Da ließ Jesus sich geben, was sie hatten, „sah zum Himmel, dankte und brach´s und gab die Brote den Jüngern, und die Jünger gaben sie dem Volk. Und sie aßen alle und wurden satt und sammelten auf, was an Brocken übrigblieb, zwölf Körbe voll“ (Matthäus 14, 19b+20).

Bei einer anderen Gelegenheit verwandelt er Wasser in Wein. Jesus nimmt das, was nicht reicht, und macht daraus genug – auf buchstäblich wunderbare Weise. Es genügt, dass wir ihm das Bisschen geben, was wir haben, und nicht selbst versuchen, damit auszukommen.

Schön ist anders

Ich komme oft an einem Garten vorbei, den ich rein optisch eher pragmatisch nennen würde als `schön angelegt´. Gerade im Moment ist er besonders karg: In den künftigen Gemüsebeeten befindet sich noch blanke Erde; dazwischen markieren ein paar Steinplatten die Wege – krumm und schief. Die Rasenfläche ist klein und wirkt vernachlässigt, das wird so bleiben: Ich weiß aus eigener Anschauung, dass der Schwerpunkt dieser Gärtner eindeutig auf dem Nutzgarten liegt.

Zwischen Gemüseabteilung und Rasenfläche `wächst´ ein Hibiscus-Busch: momentan mit vielen knallroten Blüten, einige voll aufgegangen, andere noch knospig. Es ist zwar schon frühlingshaft warm, aber für Hibiscus-Blüten ist es auf jeden Fall zu früh. Der Busch ist nicht echt, sondern ein reines Deko-Element aus Kunststoff.

Ich finde das interessant: Der Rest des Gartens ist total zweckmäßig; es scheint den Besitzern nicht wirklich um Attraktivität zu gehen. Das ist total in Ordnung. (Auch mir ist in mancher Beziehung `praktisch´ deutlich wichtiger als `schön´, sagen zumindest meine Kinder.) Und deshalb verstehe ich nicht, wieso diese Gartenbesitzer einen Plastik-Hibiscus in die Erde graben. Meiner Meinung nach passt er mit seiner künstlichen Makellosigkeit überhaupt nicht in diesen Garten – wirklich schön ist anders.

Das Klima und so

„Wir müssen etwas tun fürs Klima!“ Keine Aussage wird in den Medien derzeit mehr diskutiert als diese – in großer Vielfalt: Das Einzige, worin sich alle einig sind, ist die Tatsache, dass wir Reichen dieser Welt nicht so weitermachen können wie bisher. Was genau wir ändern müssen, wie und in welche Reihenfolge? Hier gehen die Meinungen, Ansichten und Überzeugungen weit auseinander. Die einen wollen den Kohlendioxid-Austausch reduzieren, die anderen wollen Deutschland flächendeckend mit Windrädern versorgen und womöglich sogar wirtschaftsfähig halten. Einigen liegt die Vermüllung der Meere mehr am Herzen als das Abschmelzen der Polkappen. Ganz allgemein ist `der Regen´ ein Thema: zu wenig oder zu viel, sauer oder nicht. Außerdem sind nie da gewesene (?) Hitze- und Kälteperioden je nach Region und Interpretation eindeutige Beweise für unumkehrbaren Klimawandel …

Das Thema ist Legion, die theoretisch diskutierten Lösungsansätze ebenso:
insgesamt weniger Auto fahren, möglichst viel mit E-Autos fahren, gar kein Auto fahren …
insgesamt weniger Müll erzeugen, den restlichen Müll zumindest nicht in den Meeren landen lassen …
nur noch `second hand´ einkaufen – aber nichts `second hand´ nach Afrika verschiffen …
insgesamt Strom sparen, nur noch Öko-Strom verbrauchen, französischen oder doch lieber deutschen Atomstrom verbrauchen …
insgesamt mehr dämmen – unter Ausnahme denkmalgeschützter Gebäude … 
die Raumtemperatur im Winter auf maximal soundsoviel Grad Celsius drosseln und flächendeckend mit Wärmepumpen arbeiten …

Im ganz praktischen Leben verändert sich wenig bis gar nichts – zumindest bei den Menschen in meinem Umfeld:
Zwar besitzen viel mehr Leute ein E-Bike als noch vor zwei, drei Jahren, aber das Auto bleibt doch der Deutschen liebstes Fortbewegungsmittel.
Second hand-Läden sind tolle Fundgruben, aber eine modische Winterjacke, die passt, bekommt man dort nicht – und auch keine weißen Turnschuhe. 
Niemand tauscht die intakte Ölheizung in seinem alten Haus gegen eine alternative Heizung, aber das wäre aus Gründen der Nachhaltigkeit ohnehin keine gute Idee.
Und eine Bekannte erzählte mir neulich, sie würde Handtücher nach einer Benutzung in die Waschmaschine stopfen. Das ist zwar nicht besonders ressourcenschonend, aber eben eine alte Gewohnheit. Und die lässt sich eben nicht so einfach ablegen – selbst wenn es gut fürs Klima wäre.