Wenn alles zu spät ist

Ich kann nicht nähen, überhaupt nicht. Zum einen habe ich es nie gelernt und besitze keine Nähmaschine. Zum anderen sind mir auch das Sockenstopfen und Knopf-Annähen ein Gräuel. Es kommt nichts Schönes dabei heraus, wenn ich Nadel und Faden in die Hand nehme.

Dafür kenne ich Frau P., eine begabte Schneiderin: Reparatur- oder Korrekturarbeiten in Sachen Stoff sind bei ihr bestens aufgehoben. Frau P. war schon häufig der letzte Rettungsanker für Löcher in Hosen, sich öffnende Nähte, zu lange oder zu weite Sachen oder für Jackenärmel, die durch Kaninchenzähne geschädigt sind. Ich bezahle, Frau P. repariert – und alle sind zufrieden.

Ab und zu reißt jedoch etwas entzwei, was den normalen Beanspruchungen des Alltags einfach nicht mehr gewachsen ist. Mir geschieht das häufig mit Oberteilen, die ich gern, viel und lange getragen habe. Irgendwann kommt der Tag, da geben diese Sachen nach: Es braucht keine große Strapaze, und schon ertönt das mir bekannte Geräusch zerreißenden Stoffes. Meist ignoriere ich es und schaue nicht gleich hin, denn ich weiß instinktiv: Was sich meinen Augen bietet, ist ein Zustand, den man mit „nicht mehr zu retten“ treffender nicht beschreiben könnte. Es ist bedauerlich, aber dann ist es selbst für die Rettungsbemühungen einer begabten Schneiderin zu spät!

Stau-Analyse

Kleidungsstücke werden durchs Tragen zu Wäsche. Das Waschen verwandelt Wäsche wieder in Kleidungsstücke. Die einen sind zum Anziehen geeignet, die andere nicht. Ich beschäftige mich im Wechsel mit Kleidung und Wäsche, unterstützt von meiner Waschmaschine und diversen Wäscheleinen. Für die nicht abreißende Zufuhr an verschmutzter Wäsche sorgen vor allem die fünf in unserem Haushalt lebenden Kinder. Die Folge – ein Wäsche-Kreislauf.

Wenn Kinder fehlen, geht der Kreislauf zunächst so weiter. Über Silvester sind zwei von ihnen auf einer Freizeit. Sie verabschiedeten sich herzlich von mir und hinterließen zwei Dinge: aufgeräumte Zimmer – erwünscht und super – und eine volle Wäschekiste – unerwünscht und nicht so super. Die Folge – ein Wäsche-Stau.

In der Ruhe einer temporär verkleinerten Familie wasche ich mich in gewohntem Tempo durch die Wäscheberge, ohne dass der Nachschub in gewohnter Weise gewährleistet ist. Dadurch werde ich in den nächsten Tagen kurzzeitig der Illusion erliegen, alle Kleidung sei sauber, trocken und wieder in den Schränken. Die Folge – eine Wasch-Pause.

Ein oder anderthalb Tage später werden die ausgeflogenen Kinder heimkehren – und mit ihnen (sehr viel, weil drei Tage gesammelt) neue Wäsche. Die Folge – ein Wäsche-Stau.

Der aus dem Rhythmus geratene Wäsche-Kreislauf braucht dann noch ein paar weitere Tage, bis er wieder in alter Stetigkeit funktioniert.

These: Nach einem ähnlichen Prinzip entstehen und verschwinden Staus auf der Autobahn, wobei das durch Reisende verursachte Verkehrsaufkommen ähnlich schwer vorhersehbar ist wie das durch reisende Kinder verursachte Wäsche-Aufkommen.

Eindrücke

Als ich 40 wurde, erhielt ich ein „Buch“ mit Briefen an mich. Unterschiedliche Leute hatten mir geschrieben: langjährige Weggefährten, Verwandte und einige der Freunde und Bekannten, die mich zu dem Zeitpunkt noch nicht lange kannten. In einem dieser Briefe schilderte eine dieser neuen Freundinnen, wie sie mich wahrgenommen hatte, bevor sie mich kennenlernte: Für sie war ich die „junge Frau mit dem Doppel-Kinderwagen und den vielen Kindern, meist zu Fuß unterwegs“. Ihr Eindruck von mir war positiv und erleichterte uns die erste persönliche Begegnung, die erst später stattfand.

Ich finde das interessant: Wir sind und leben so vor uns hin und sind uns unserer Außenwirkung manchmal gar nicht bewusst.

Solange wir einen guten Eindruck hinterlassen: schön. Es wäre manchmal motivierend, davon zu wissen, es geht aber auch ohne. Der Beziehung tut es trotzdem gut – wenn auch einseitig.

Sobald wir einen schlechten Eindruck hinterlassen: nicht schön. Dann wäre es wichtig, davon zu wissen, um klarstellen, uns entschuldigen oder korrigieren zu können. Der Beziehung tut es sonst nicht gut – wenn auch einseitig.

Bedürfnisse und Wünsche

Eine Freundin wies mich kürzlich hin auf den feinen Unterschied zwischen Bedürfnissen und Wünschen:

Was ich brauche, muss sein; was ich mir wünsche, wäre schön.

Was ich brauche, bleibt ziemlich gleich – egal, wie es mir geht. Klar.
Was ich mir wünsche, vermehrt sich – je besser es mir geht. Komisch.

Persönlichkeit

Einer meiner Söhne hat einen bestimmten Stil, Dinge zu erledigen. Was er macht, macht er richtig. Er schreibt ordentlich, radiert, wenn nötig, schneidet sorgfältig aus, sortiert mit System und räumt gründlich auf. Er braucht Zeit dafür, er ist nicht der Schnellste; aber das Ergebnis hat Hand und Fuß. Nichts davon tut er in der Form, weil ich es ihm sage. Er tut es, weil er nicht anders kann – er ist ein gewissenhafter Mensch. Etwas luschig zu tun, widerspricht seiner Persönlichkeit.

Ich oder wir als Eltern haben das nicht in ihn hineingelegt. Natürlich sehe ich Tendenzen davon in seinem Vater, es könnte also genetisch sein. Aber auch das käme ja nicht von ungefähr, sondern ist von Gott geschenkt. Ich staune darüber, wie stabil derartige Anlagen bereits in einem Kind verankert sind. Im Verlauf des Lebens lernt man noch eine ganze Menge, das ist klar. Aber das grundsätzliche „WIE“ einer Persönlichkeit ist keine variable Komponente – und nur in Maßen von uns als Eltern beeinflussbar.

Der Hang zur Gründlichkeit bei diesem Sohn hat wunderbare Aspekte; aber natürlich weiß ich, dass jede gute Gabe eine Kehrseite hat: Dem Gewissenhaften wohnt der Drang zur Perfektion inne – und die kann einen selbst begrenzen und andere nerven. Dem Impulsiven dagegen (auch ein solcherart geprägtes Exemplar Kind gibt es in unserer Familie) fallen Entscheidungen leichter, er wird mit Aufgaben schneller fertig und hat eher den Mut zur Lücke – aber die Resultate sind manchmal unbefriedigend, die Lösungswege zu wenig bis zu Ende durchdacht.

Ich möchte in meinen Kindern gern die guten Anlagen sehen, fördern und wertschätzen und gleichzeitig auf die Begrenzungen derselben hinweisen. Allen gleichermaßen möchte ich mitgeben: „Macht das Beste daraus!“

Rollladen-Politik

Wir wohnen in einem erst (!) 60 Jahre alten Haus. Im Zuge diverser Umbau- und Renovierungsmaßnahmen ließen wir unter anderem Rollläden installieren. Diese dienen vor allem dazu, das Haus möglichst frei zu halten von: Kälte im Winter, Hitze im Sommer und ungebetenen Eindringlingen immerzu. Allerdings sperre ich nicht gern das Tageslicht aus und schaue abends lieber in die schwarze Nacht hinaus als auf Rollladen-Lamellen. Daher lassen wir diese vor allem nachts runter oder wenn wir nicht zu Hause sind oder – im Sommer – nicht vollständig. Ich mag es am liebsten, wenn Rollläden von mir unbemerkt ihre Nutzung entfalten – so wenig Rollladen wie nötig.

In den heutzutage sprießenden Neubau-Siedlungen sind neue Häuser meist mit Rollläden ausgestattet. Diese Siedlungen sehen für mich häufig steril und irgendwie anonym aus, denn Rollläden werden dort viel intensiver genutzt: im Sommer immerzu und im Winter, sobald es dämmert – so viel Rollladen wie möglich. Nicht so meins.

Gut, besser, am besten

Ob ich etwas gut kann, hat eine Menge damit zu tun, was mein Bezugspunkt ist: Verglichen mit einem 5-Sterne-Koch bin ich keine gute Köchin, verglichen mit meinem zehnjährigen Sohn schon.

Ob ich etwas gut kann, hat auch damit zu tun, wer die Güte bewertet: Gäste in einem Restaurant würden mir wohl kaum einen Stern verleihen; meine Familie gibt mir sogar einen Kuss!

Ob ich etwas gut kann, hat nicht zuletzt damit zu tun, welchen Anspruch ich selbst habe, welchen Ehrgeiz, welche diesbezüglich hilfreichen Begabungen und Möglichkeiten: Ich koche an 365 Tagen im Jahr; die Esser sind mir sehr wohlgesonnen; ich habe auch noch andere Dinge zu tun – für uns alle sind meine Kochkünste so ziemlich das Beste, was uns passieren kann.

Stop-Schild

In unserer Stadt gibt es einige Stop-Schilder. Ich weiß, dass man direkt dort halten muss, wo das jeweilige Stop-Schild steht – so lernt man es für den Führerschein. Das kann man immer tun, direkt dort anhalten, wo das Schild steht. Nur: An einer ganz bestimmten Straße in unserer Stadt ist das total und absolut sinnlos und überflüssig. Dort steht das Stop-Schild viel zu weit vor der Straßenmündung, so dass man überhaupt nicht sehen kann, ob etwas kommt.

Darf ich dort einfach noch ein Stückchen weiterfahren? Nein.
Tue ich es trotzdem und halte erst zwei oder drei Meter später an? Ja.
Habe ich deswegen ein schlechtes Gewissen? Nicht mehr.

Ich frage mich nur, ob ein Vorfahrt-achten-Schild nicht angebrachter gewesen wäre. (Ich sollte in die Straßenplanung gehen.)

No passion

While cleaning the church in a little team of friendly people we come across a floor which already has been cleaned the day before. I stop the man who vacuums and tell him: „It`s done. It all looks clean to me.“ As I resume my work in the still dirty areas of the building this sentence resonates within me: „It all looks clean to me.“ It sounds similar to: „It`s all Greek to me.“ I repeat the sentences in my head and must admit, that I feel similar towards cleaning as I would feel about something I can`t grasp at all – dispassionate…

Sometimes I just do what needs to be done.

Gibt`s „Bio“ auch in „lecker“?

Ein Freund meines Sohnes, ein erklärter Fleischliebhaber, bekam als Wichtelgeschenk ein veganes Würstchen. Von vornherein hielt sich seine Begeisterung in Grenzen und schlug in offene Ablehnung um, als er davon probierte. Mein Sohn – Zeuge des Vorfalls – probierte auch und bestätigte: „Das schmeckt einfach nicht!“ Weder nach Fleisch noch gut nach Gemüse. Wieso stellt man überhaupt vegane Würstchen her? Wenn ich auf tierische Produkte verzichte, geht damit eben der Verzicht auf diesen speziellen Geschmack einher. Alles andere empfinde ich als inkonsequent.

Ähnlich ging es mir selbst mit der Bio-Schokolade, die ich letztens erwarb: Sie war teuer, versprach eine interessante Geschmackskomposition – aber sie schmeckte mir nicht. Zu wenig süß, zu wenig aromatisch, zu wenig schmelzend. (Es war nicht mein erster Vorstoß in dieser Richtung: Ehrlich gesagt hat mich Bio-Schokolade noch nie überzeugt.)

Möglicherweise sind wir anderes gewöhnt und Bio liegt geschmacklich neben dem, was wir kennen (und mögen). Allerdings wehre ich mich dagegen, wenn in solchen Fällen immer alles auf durch Geschmacksverstärker verdorbene Geschmacksknospen geschoben wird: Ich mag meine selbst gekochte Erdbeermarmelade (mit ganz wenig Zucker und sonst nichts) lieber als alles, was es auf dem Marmeladenmarkt so gibt.

Dabei habe ich echt etwas übrig für Bio-Produkte, für glückliche Hühner und ungespritztes Obst. Es ist auch in Ordnung, wenn diese Artikel teurer sind – das hat seine Berechtigung. Aber Hauptsache Bio ist nicht alles, mir reicht das nicht. Zumal in der Werbung oft betont wird, Bio-Produkte schmeckten naturbelassener und intensiver. Beides trifft auf ein veganes Würstchen und Bio-Schokolade nicht zu: Das eine schmeckt künstlich, die andere fad. Dabei wäre mir „lecker“ am liebsten!