Angesichts der Niagarafälle sagte kürzlich ein Bekannter von uns, die `Natur lasse ihre Muskeln spielen´. Es ist eine passende Formulierung. Ebenso beeindruckend sind Dinge wie Bienenwaben, die fragile Stabilität von Eiern, rückwärts laufende Krabben, Chamäleons, die ihre Farbe ändern können, und die Tatsache, dass ein Specht 18 bis 20 mal pro Sekunde seinen Schnabel gegen den Baumstamm hämmert … All das nehmen wir einfach so hin, vielleicht staunen wir darüber. Für mich sind es wunderbare Beweise für einen allmächtigen und sehr kreativen Schöpfergott. Entspränge irgendetwas davon einem menschlichen Gehirn – der Nobelpreis wäre das Mindeste.
Warten oder erwarten?
„Aber die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“
Jesaja 40, 31
Ich warte täglich darauf, dass Gott in meinem Leben wirkt – und erlebe das als herausfordernd und entspannend zugleich. Auf etwas zu warten ist ein äußerst aktiver Vorgang – und sehr offen. Ich müsste nicht warten, wenn ich allein weiterkäme oder `schon Bescheid wüsste´. Was auch immer passiert, kann mich überraschen: ein Paket in der Post, eine Antwort auf eine Frage, ein Rat oder Hilfe, dass etwas gelingt oder wie ich mit Schwierigkeiten umgehe.
Etwas Bestimmtes zu erwarten ist ebenso aktiv – aber sehr festgelegt. Ich weiß eigentlich schon, was ich will, und möchte nicht überrascht werden: Werden meine Vorstellungen nicht erfüllt, bin ich enttäuscht. Im schlimmsten Fall erwarte ich dann (täglich?), dass mein Leben anders wird, als es ist. Mich würde das nicht beflügeln, sondern ermüden.
Immer weiter?
Kurz vor Weihnachten traf ich die Postbotin einige Male persönlich. Jedesmal wünschten wir uns vorab Frohe Weihnachten – `falls wir uns nicht mehr begegnen sollten´. Heiligabend sah ich sie doch noch, aber wir verzichteten auf gute Wünsche und winkten nur . „Bis nächste Woche!“, rief ich ihr zu, worauf sie erwiderte: „Es geht ja immer weiter.“ Das hallt in mir nach. Sie hat recht: Weihnachten ist ein besonderes Fest, aber kein Schlusspunkt. Auch das Jahresende ist nicht automatisch eine einschneidende Zäsur. Am 1. Januar geht es einfach weiter – daran ändern auch noch so viele gute Vorsätze nichts.
Andererseits stimmt dieses `immer weiter´ eben nur, solange nichts Unvorhergesehenes dazwischenkommt. Wir rechnen nicht mit Dingen, die unseren durchgeplanten Alltag `stören´: Mich irritiert manchmal sogar ein Hexenschuss oder wenn jemand etwas von mir will! Für Dietrich Bonhoeffer dagegen sind Unterbrechungen positiv – besonders wenn es um Menschen geht, die unsere Zeit oder Hilfe brauchen: „Wir müssen bereit werden, uns von Gott unterbrechen zu lassen. Gott wird unsere Wege und Pläne immer wieder, ja täglich durchkreuzen, indem er uns Menschen mit ihren Ansprüchen und Bitten über den Weg schickt.“ Widmen wir uns dann trotzdem unseren eigenen Wichtigkeiten, so verpassen wir das Entscheidende – meint zumindest Bonhoeffer: „Wir gehen dann an dem sichtbar in unserem Leben aufgerichteten Kreuzeszeichen vorüber, das uns zeigen will, dass nicht unser Weg, sondern Gottes Weg gilt.“
Das Einzige, was mit Sicherheit `immer weiter´ gehen wird, ist Gottes Wirken in dieser Welt – und dazu gehört sein manchmal tägliches Durchkreuzen unserer Pläne. Das könnte ein wirklich guter Vorsatz sein fürs nächste Jahr: flexibel und neugierig auf Unterbrechungen zu reagieren – in der Erwartung, dass Gott damit etwas bezweckt.
Kennen
Wer außer mir kennt mehr als die Spitze meiner Persönlichkeit? `Wenn die wüssten´, habe ich kürzlich geschrieben; `wenn der wüsste´, denke ich manchmal sogar meinem Mann gegenüber. Niemand weiß, wie wütend ich innerlich sein kann; meine kindliche Naivität ist mir manchmal peinlich; und für `so macht man das´ fehlt mir oft die Sicherheit. Vollkommen ehrlich bin ich nur vor Jesus, der mich ohnehin kennt: „Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne“, sagt David im Psalm 139 (Vers 2) und gleich danach: „Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, Herr, nicht schon wüsstest.“ (Vers 4) Er spricht mir aus der Seele.
Eine Frau aus der Gemeinde bringt mir eine Kleinigkeit für Weihnachten. Durchs Papier hindurch spüre ich, was es ist. Ich lächle sie an, sie lächelt zurück. Wir wissen beide, worum es sich handelt – es ist ein kleiner Kalender mit Zitaten von Dietrich Bonhoeffer. Letztes Jahr zu Weihnachten hatte sie mir ebenso einen geschenkt. Diese Frau hört genau hin und hat ein gutes Gedächtnis. Daher weiß sie, dass ich diesen Mann sehr schätze – und noch einiges mehr. Sie würde wahrscheinlich niemals behaupten, mich `gut zu kennen´, aber sie trifft mit ihren Worten und Geschenken ziemlich oft ins Schwarze.
Erfahrungen – einerseits und andererseits
„… wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden …“
Römer 5, 3
Einer meiner Söhne wird in der Schule geärgert, weil er in manchem nicht mithalten kann: Er besitzt kein Handy und darf nicht unbegrenzt am Bildschirm sitzen – das hat er uns als Eltern zu `verdanken´. Außerdem trägt er keine coolen Klamotten und hat nicht den modischsten Haarschnitt: Ihm ist das nicht wichtig, zwei Jungen in seiner Klasse schon. Diese ärgern ihn häufig: „Ach, du tust mir so leid“, heißt es zum Beispiel, „du hast kein Handy und keine PS4 – was machst du eigentlich den ganzen Tag?“ Oder aber sie lachen über seine Cargo-Hosen, nehmen ihm die Mütze weg oder stopfen Müll in seine Kapuze. Zu zweit fühlen sie sich stärker – und sind es auch. Vielleicht ist das schon Mobbing; vielleicht ist es die normale Grausamkeit von Kindern.
Es tut mir sehr leid, dass es meinem Sohn so ergeht. Gern würde ich ihm helfen; die Frage ist, wie. Rein theoretisch wäre es möglich, ihm ein Handy zu geben und seine Bildschirm-Zeiten zu erweitern – allerdings halten wir das für unklug. `Coole´ Klamotten und ein angesagter Haarschnitt ließen sich ebenfalls organisieren. Aber letztlich ist beides stark vom Geschmack anderer abhängig – und also sehr vergänglich. Dennoch würden all diese `Maßnahmen´ die Angriffsfläche, die mein Sohn bietet, verkleinern; entfernen würden sie sie aber nicht. Ich bin sicher, den Jungen fiele dann etwas anderes ein: Es ist nicht die Frage, WAS, sondern OB man etwas bemängeln möchte.
Eine bessere Möglichkeit ist die, dass mein Sohn sich von den beiden fern hält – äußerlich und innerlich. Er kann die Unterrichts Pausen mit anderen Mitschülern verbringen: Das ist vergleichsweise leicht. Schwieriger wird es, sich von den verbalen Angriffen nicht verletzen zu lassen.
Unterm Strich wäre es schön, die beiden Jungen würden meinen Sohn nicht mehr ärgern. Noch schöner wäre, sie hätten damit gar nicht angefangen. Einerseits. Andererseits weiß ich, dass diese Erfahrung meinen Sohn innerlich stärker machen kann.
„Auf die Idee muss man erst einmal kommen, dass ausgerechnet das, was wir uns aus unserem Alltag immer wegwünschen – nämlich die Belastungen, die Widerstände und Schwierigkeiten – uns zu dem machen, was wir ohne sie immer werden wollten: standfest und geduldig, erfahren und bewährt, zuversichtlich und hoffnungsvoll.“
H. J. Eckstein
Selbstwert(gefühl)
„ … Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner Statt, weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb habe …“
Jesaja, 43, 3b+4
Wie wertvoll ich mich fühle, schwankt – manchmal täglich.
Wie wertvoll ich bin, hängt nicht davon ab, was ich kann oder was nicht.
Denn: Für Gott habe ich einen Wert an sich. Das ist alles, was zählt.
Advent – Jesus kommt (trotzdem)
Dieses Jahr schleicht sich die Adventszeit fast unbemerkt an uns vorbei: Zu sehr geht es in den Medien um Corona – Infektionszahlen, Maßnahmen, angepasste Verordnungen. Ich entscheide mich trotzdem und gerade jetzt für andere Gedanken:
„Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er´s stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit.“
Jesaja 9, 5+6
Lieber sorglos
Wir können nicht in die Zukunft schauen: Selbst morgen ist heute noch ein großes Geheimnis. Daher rechnen wir meistens ganz vergnügt damit, dass alles gut weiterläuft – und planen Tage, Wochen und manchmal sogar Jahre im voraus. Das ändert sich, wenn wir anfangen, uns auszumalen, was alles passieren KÖNNTE: „Künftige Ereignisse werfen ihre Schatten voraus.“ (Thomas Campbell in `Lochiel´s Warning´: “Coming events cast their shadows before.” ) Die zu erwartende Tragödie von morgen kann dem heutigen Tag jegliche Leichtigkeit nehmen.
Das ist aber auch schon alles, was wir mit unseren Sorgen erreichen: „Wer von euch vermag mit seinem Sorgen seiner Lebenszeit auch nur eine Elle hinzuzufügen?“ (Lukas 12, 25) Da lasse ich die Sorgen heute lieber los – zumal ich nicht weiß, was morgen geschieht: So konnte mir der Hexenschuss vom Montag nicht am Sonntag schon aufs Gemüt schlagen …
Auge im Sturm
Manche Zeiten fühlen sich an wie ein wildes Durcheinander: Alltägliche Aufgaben sind sowieso da, einige extra Termine hübschen das Ganze auf (Sportverletzungen oder schräg liegenden Weisheitszähne treiben uns zum Arzt), Geburtstage – schon wieder? Wenn dann noch einer TRAURIG wird oder besondere Begleitung benötigt, verliere ich manchmal den Überblick – und weiß morgens nicht, womit ich anfangen soll. Irgendwie geht es dann doch immer weiter, `schaffe´ ich alles; ich weiß das schon. Aber die Ruhe geht flöten, ich fühle mich getrieben und würde am liebsten die Zeiten der Besinnung streichen. Was ließe sich nicht alles erledigen, anstatt eine Stunde mit Jesus spazieren zu gehen und zu beten?
Luther sagt dagegen: „Heute habe ich viel zu tun, deswegen muss ich viel beten.“ Er wusste, dass die Zeit mit Gott wie das `Auge im Sturm´ ist – da ist es ganz still. Da finde ich die innere Ruhe, von der aus ich anders an meine Aufgaben heran gehe – sortierter, gelassener und motivierter. Und dann, noch einmal Luther: „Bete so, als würde jedes Arbeiten nichts nutzen, und arbeite so, als würde jedes Gebet nichts nutzen.“ Ein gutes Lebensprinzip.
All the difference
“But now, God´s message, the God who made you in the first place, Jacob, the One who got you started, Israel: `Don´t be afraid, I´ve redeemed you. I´ve called your name. You´re mine.
When you´re in over your head, I´ll be there with you. When you´re in rough waters, you will not go down. When you´re between a rock and a hard place, it won´t be a dead end – because I am God, your personal God, the Holy of Israel, your Savior.”
Isaiah 43, 1-3
For me as a Christian, life is not necessarily better than for anybody else: it is not always easy, I experience conflicts or problems, just like everyone else does. But as a Christian I am better off, because in everything Christ is with me. My basic need to be loved and accepted is met in Jesus Christ, no matter the circumstances. I am not alone – and that makes all the difference.