Auto(matik) fahren?

Wer einmal Automatik gefahren ist, will nie mehr schalten – jedenfalls wenn ich denjenigen glauben darf, die nach jahrelangem Schalten umgestiegen sind. „Es gibt nichts besseres, hätte ich das doch schon früher gemacht“, schwärmte mir erst kürzlich wieder jemand vor.

Meine Erfahrungen mit Automatik-Fahrzeugen sind sehr begrenzt, ich kann nicht mitreden. Täte ich es, kämen Sätze heraus wie: „Nur aufs Gaspedal treten und bremsen kann jeder.“ Vielleicht liegt es daran, dass ich selten das Auto nehme und viel öfter das Rad. Auto zu fahren ist keine notwendige oder alltägliche Tätigkeit und nervt mich nicht. Im Gegenteil: Ich fahre gern Auto – und gut. Von einem Gang in den anderen zu schalten gehört für mich dazu.

Eine Zumutung?

„Ab wann ist eigentlich ziviler Ungehorsam angebracht?“, fragt mich jemand. Es ist eine Reaktion auf die in unserem Landkreis verordnete Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr – für die nächsten zwei Wochen. Es sind Osterferien, die jungen Leute schlafen länger und verschieben ihren Rhythmus mehr in Richtung Abend. Meinem Mann gegenüber nenne ich diese Anordnung daher eine Zumutung für die jungen Menschen. „´Zumutung` ist zu scharf“, findet mein Mann, „ich würde sagen, die Lage ist misslich. Aber man kann Jugendlichen für einen begrenzten Zeitraum durchaus zumuten, ihren Rhythmus so anzupassen, dass sie nach 21 Uhr zu Hause sind.“

Ich sehe das anders, denn der normale Alltag junger Menschen hat sich ohnehin schon sehr verändert: Sie treiben seit Monaten kaum Sport, gehen in die Schule mit Abstandsregeln oder gar nicht, verbringen ihre Freizeit allein oder geplant in sehr kleinen Gruppen. Die kommenden Wochen lagen vor ihnen wie eine Perspektive zum Aufatmen: Ferien, hellere Tage, frühlingshafte Temperaturen. Eine WEITERE Einschränkung ist daher ein WEITERER erheblicher Dämpfer. Mit „unbeschwert genießen“ – in schon bestehenden Grenzen – ist durch die neue Regelung gleich wieder Schluss.

Vielleicht trifft weder „Zumutung“ noch „misslich“ genau, wofür ich halte, was eine Ausgangssperre besonders für Jugendliche bedeutet. „Herausfordernd“ klingt zu positiv; „enttäuschend“ schreibt den Behörden zu viel Macht über ihr Lebensgefühl zu. Ist diese Ausgangssperre ärgerlich, frustrierend, nicht nachvollziehbar oder unverhältnismäßig? Ich weiß es nicht. Willkommen ist sie jedenfalls nicht. Wir verlangen jungen Menschen eine Menge Vernunft ab und muten ihnen eine Menge Einschränkungen zu – in einer Lebensphase, in der sie normalerweise unvernünftig sind und Grenzen zumindest hinterfragen oder sogar ignorieren. Was das langfristig mit ihnen macht, werden wir später sehen. „Misslich“ sind Ausgangssperren in jedem Fall, für manchen vielleicht eine „Zumutung“. Es bleibt Ansichtssache, welches Wort es am besten trifft.

BERLIN

Ich war in der Hauptstadt und mein Kopf ist voll davon: Dort ist alles lauter und schneller – eine fast unüberschaubare Fülle an Eindrücken. Auch die persönlichen Begegnungen (mit den Berlinern) sind anders und deshalb horizonterweiternd.

Nach einem Wochenende dort muss ich zu Hause den Kopf wieder frei bekommen: für mein stilles, langsames und überschaubares Leben. Die horizonterweiternden Gedanken und Gefühle bewege ich noch eine Weile in Kopf und Herz.

Nicht nur ein Kalb

Ich gehe über die Felder und sehe meine Freundin winken: „Komm her, ich muss dir etwas zeigen!“, ruft sie mir zu – und strahlt über das ganze Gesicht. Sie klingt, als wäre etwas Besonderes passiert. Dabei erlebt sie jedes Jahr mindestens 50 Geburten; aber auch über die von heute freut sie sich sehr. Im Stall darf ich es bewundern, das neugeborene Kalb. Da liegt es im Stroh, ganz frisch und feucht – und winzig im Vergleich mit seiner 600 Kilogramm schweren Mama. Alles ist super gelaufen bei dieser Geburt; das ist oft so, aber nicht immer. Dieses Mal werden sehr sicher beide überleben, Kuh und Kalb. Das ist natürlich eine schöne Bestätigung für die Bäuerin – die Umstände in diesem Stall sind lebensförderlich. Noch dazu ist ein gesundes Kuh-Kalb ein finanzieller Gewinn. Aber für meine Freundin ist es eben nicht nur das: Sie erlebt ein fröhliches Staunen, die beiden da so liegen zu sehen. Und es ist völlig egal, ob sie das schon hunderte Male miterlebt hat: Für sie bleibt es etwas Besonderes.

Zwei Stunden später bekomme ich eine Nachricht: „Übrigens, Dagmar, da kam noch ein zweites hinterher, noch ein Kuh-Kalb.“ Aber es ist nicht nur ein Kalb, denke ich. Es ist auch schwarz-weiß gefleckte Bestätigung ihrer Arbeit, finanzieller Gewinn – und Anlass zu großer Freude über das Leben.

Rückmeldung schmeckt nicht immer

Ich kann keine Knöpfe annähen, ich kann im Grunde überhaupt nicht nähen – jedenfalls nicht schön. Mit Finanzamt-Dingen beschäftige ich mich nicht gern; und Dekorieren ist weder meine Gabe noch meine Leidenschaft. Außerdem fällt es mir schwer, Geheimnisse für mich zu behalten – obwohl ich darin schon besser geworden bin. Sprich: In gewissen Bereichen bin ich talentfrei; wer dennoch behauptet, ich machte das „super“, erzählt Quatsch. Derartige Falschaussagen bewirken in mir keinerlei Anstrengung, mich zu verbessern. Was mich weiterbringen würde, wären eine ehrliche Rückmeldung und das Angebot, mir zu helfen: Jemand, der mir das richtige Nähen zeigt, die Ablage von Rechnungen mit mir zusammen macht, mich beim Dekorieren über seine Schulter schauen lässt und meine Verschwiegenheit einfordert.

Rückmeldung, die etwas bringen soll, muss ehrlich sein – und ein bisschen schonungslos. Das gilt nicht für ganz kleine Kinder; bei denen läuft mehr (bis alles) über Ermutigung: Selbst wenn ein gemalter Hund eher aussieht wie ein Wirbelsturm – egal. Ganz kleine Kinder dürfen fürs „Nichtskönnen und trotzdem Probieren“ gelobt werden! Aber irgendwann muss das aufhören, sonst werden wir zu nichts könnenden Erwachsenen – das will keiner.

Ich gebe gern zu, dass ich nicht gut nähen kann, keinen Plan habe von ordentlicher Akten-Ablage und mir der Sinn (und die Lust) fürs Dekorieren fehlt. Wenn mich jemand sachlich darauf hinweist, trifft mich das nicht emotional. Denn: Dass ich nicht gut nähen kann, macht mich nicht zu einem unfähigen oder nicht liebenswerten Menschen. Es macht mich zu jemandem, der nicht näht oder es üben müsste, um es gut zu können. Mehr nicht.

Bezogen auf Charakterschwächen aber fühle ich mich durch kritische Rückmeldung leicht persönlich herausgefordert: `Ich bin nicht verschwiegen genug?´, denke ich und ärgere mich – über mich selbst und über die klare Aussage des anderen. Sie schmeckt mir nicht, diese ehrliche Rückmeldung. Aber sie motiviert mich, mein Verhalten tatsächlich zu verändern – in diesem Fall mit (nicht) hörbarem Ergebnis.

Ehrgeiz

Ich bin nicht ehrgeizig. Und doch verspüre ich manchmal insgeheim den „starken Wunsch, mich vor anderen auszuzeichnen“ – und genau das nennt man Ehrgeiz.

Einiges kann ich gut – organisieren, pünktlich sein, Briefe schreiben… Darin muss ich mich weder besonders anstrengen noch zur Übung zwingen. Anderes geht mir nicht so leicht von der Hand – barmherzig sein und ohne Stolz, frei von Menschenfurcht, nachgiebig… In dieser Richtung bekäme mir Ehrgeiz gut – wenn er denn helfen würde.

Leider fallen solche „weichen Fähigkeiten“ in unserer Welt kaum auf – was mich nicht davon abhalten sollte, sie anzustreben. Das wäre dann zwar nicht ehrgeizig, aber für mich vielleicht genau richtig.

Beschwert

Ein Streitgespräch mit meinem Liebsten; neue Vorgaben der Regierung, die meinen lange geplanten Berlin-Ausflug zumindest illegal machen, wenn nicht sogar verhindern werden; Schulaufgaben für meinen Jüngsten, die meine Mitarbeit fordern; das Telefonat mit einer Freundin, deren Covid-19-Angst mich sprachlos zurücklässt … und dann auch noch eine super Idee fürs Mittagessen, die sich nur realisieren lässt, weil wir noch zwei Mal einkaufen gehen.

Nichts läuft heute geschmeidig und unkompliziert, mir ist jegliche Leichtigkeit flöten gegangen. Ich fühle mich beschwert – und das nur, weil ich mehr auf die äußeren Umstände höre als auf Jesu Worte „… und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“. (Matthäus 28, 20b)

Warum? (2)

Die Frage nach dem „Warum“ ist bisweilen sehr unbefriedigend: Warum bin ich stark erkältet, wenn ich eine 160 Kilometer-Wanderung vor mir habe? Warum hat unser Auto nach 117.000 gefahrenen Kilometern einen Getriebeschaden? Warum ist der Abschied für eine Mutter so viel schwieriger als für die erwachsener werdenden Kinder? Warum kann ich so schlecht aus meiner Haut?

Manchmal lässt sich die Frage nach dem „Warum“ am besten mit „Warum nicht?“ beantworten.

Gute Unterbrechungen

„Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!“
Philipper 4, 6

Ein Teil der christlichen Tradition sind Tagzeitengebete. Heutzutage halten sich vor allem Menschen in christlichen Lebensgemeinschaften an diese Form des regelmäßigen Innehaltens: Zu festen Zeiten unterbrechen Ordensschwestern oder Mönche, was sie gerade tun, und beten stattdessen. Die Gebete selbst sind wichtig – und deutlich mehr als eine feste Routine. Denn in diesem festen Rhythmus drückt sich noch etwas anderes aus: Gottes Wirken ist das Entscheidende, nicht das der Menschen.

Wer sich unterbrechen lässt, bekennt: Nicht ich habe die Kontrolle, nicht auf mich kommt es an. In einer Zeit und Gesellschaft, in der manche damit werben, dass „nichts unmöglich“ ist, klingt ein solches Statement mindestens weltfremd, vielleicht sogar überholt. Aber in den entscheidenden Situationen unseres Menschseins merken wir eben doch, dass diese sich unserer Machbarkeit entziehen: Wenn eine Beziehung sich nicht kitten lässt, so sehr wir uns mühen; wenn uns Schwermut überfällt, obwohl wir reich, gesund und abgesichert sind; wenn wir uns einsam fühlen trotz vieler Menschen um uns herum… Wie tröstlich ist es dann, das „EINER dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält“ (wie Rilke sagt). Mit ihm können wir reden, ihn sogar hören und seinen Trost und Frieden erleben.

„Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.“
Philipper 4, 7

Unsretwegen

Wir sprechen mit den Kindern über das, was jungen Menschen heute wichtig ist. Unverhofft kommen wir im Gespräch auf einen Freund aus meiner Jugend: „Wann ist der gestorben, Mama?“ Es ist schon fast fünf Jahre her, aber das kann ich ihr in dem Moment nicht sagen. Denn plötzlich vermisse ich meinen alten Freund und unsere gemeinsamen Erinnerungen und weine – seinetwegen. Meine Kinder beobachten mich gespannt, wie immer in solchen Situationen, und nehmen Anteil. Eine meiner Töchter weint auch – meinetwegen. „Meine Güte, was bin ich nah am Wasser gebaut“, platzt es aus ihr raus, „wie soll es mir erst gehen, wenn einer von meinen Jugendfreunden stirbt!“ Ich weiß es: Sie wird traurig sein – seinetwegen. Sollte ich dann noch leben, werde ich auch traurig sein – ihretwegen.