Die Bonhoeffer-Biographie von Eberhard Bethge ist komplex, umfassend, streckenweise hoch theologisch. Aber sie zeichnet Bonhoeffer eben nicht nur als den intellektuell und musikalisch besonders begabten Bildungsbürger und Theologen, sondern ebenso als den an Alltagsnähe und Praxis interessierten gläubigen Mann. Jahrelang machte er Kindergottesdienst und scharte junge Erwachsene um sich, um seinen Glauben in Gemeinschaft zu leben. Diese Alltagsnähe beeindruckt mich, sie ist es, was mich neben all seiner klugen Gedanken am meisten von ihm als Menschen überzeugt. Viel davon hat er seinem Elternhaus zu verdanken.
Sein
Vater (Karl) war ein angesehener Psychiater, seine Mutter (Paula)
Lehrerin, die vor allem ihre acht Kinder unterrichtete. Paula
Bonhoeffer führte wahrscheinlich ein unspektakuläres Leben: Sie
machte keine Karriere, schrieb weder Bücher noch Musikstücke. Sie
widmete sich jahrelang der Familie, liebte und ermutigte ihre Kinder,
prägte sie und gab ihnen Werte und Halt mit. Daraus gewachsen sind
Persönlichkeiten, die klug und lebenstauglich waren, ausgestattet
mit einer schier unfassbaren Stärke, zu den eigenen Überzeugungen
zu stehen.
Ein
Sohn der Bonhoeffers starb im ersten Weltkrieg, zwei Söhne und zwei
Schwiegersöhne wurden von den Nazis ermordet. Wie hält man das aus?
Karl-Friedrich Bonhoeffer, der einzige Sohn, der die Kriege
überlebte, sagte in der Rückschau: „Was uns damals aufrecht
hielt, war die geschlossene Front der Familie gegen die Nazis. Aber
wir haben es schwer büßen müssen.“ Für mich klingt dieser Satz
wie ein Vermächtnis. Eine derartige Familienkraft entwickelt sich
nur unter Eltern, die ihren Kindern starke Wurzeln und kräftige
Flügel mitgeben.
Wenn es eine Biographie über Paula Bonhoeffer gäbe – ich würde sie lesen. Aber wahrscheinlich lerne ich diese Frau auch ein wenig kennen durch das Buch über ihren Sohn Dietrich.