Knausrig oder maßvoll

Bei uns gibt es immer wieder Verhandlungen ums Geld. Nicht alle sind gleich bescheiden – und es ist nicht so leicht, zwischen maßvoll und knausrig zu unterscheiden. Wie viel gebe ich aus für was, welche Einteilung ist gut? Jeder handhabt das anders; aber der Überfluss, in dem wir heutzutage leben, macht ein Maßhalten schwer.

Wenn immer genug da ist, bereitet das mein Kind nicht darauf vor, sich genügen zu lassen, auf etwas sparen oder sich zwischen zwei Wünschen entscheiden zu müssen. Vielleicht geht das Leben so weiter, vielleicht wird mein Kind von Anfang an einen sehr lukrativen Job haben. Vielleicht auch nicht. In beiden Fällen ist es für mich ein Wert, sich freiwillig zu beschränken und NICHT alles GLEICH zu erwerben, wonach mir der Sinn steht. Wie aber vermittle ich diesen Wert, ohne als eine knausrige Mutter wahrgenommen zu werden, die ihrem Kind eine Freude nicht gönnt?

Vorleben allein scheint nicht auszureichen: Ich bin in diesen Fragen nicht Orientierung für mein Kind, die Freunde sind es. Und diese scheinen ALLE aus Elternhäusern zu kommen, in denen ALLES möglich ist und ALLES möglich gemacht wird. Wenn ich meinem Kind glauben darf. Dagegen kann ich nur als knausrig wahrgenommen werden – ob ich es will oder nicht.

Aufwand und Nutzen

Mein Mann und ich fahren zu einer Geburtstagsfeier in eine Stadt, die 450 Kilometer entfernt von uns liegt. In ihr haben wir beide vor über 20 Jahren gewohnt, es leben noch Freunde dort. Mittlerweile kommen wir selten dahin, sehr selten: Der Geburtstag ist ein guter Anlass, alte Weggefährten mal wieder persönlich zu treffen.

Insgesamt sind wir etwa 30 Stunden weg, von denen sitzen wir neuneinhalb im Auto – wir sind gut durchgekommen. Dennoch ist die Fahrt anstrengend: Da die Infrastruktur in Deutschland nicht im besten Zustand ist, wird an vielen Stellen an ihr herumgewerkelt.

Viereinhalb Stunden „dauert“ die Feier. Wir treffen alte Bekannte wieder und Menschen, die wir noch gar nicht kennen. Die Gespräche sind unterschiedlich intensiv, erfordern aber alle auf ihre Art unsere Aufmerksamkeit und Initiative. Mit dem Geburtstagskind haben wir am wenigsten zu tun; allerdings hatten wir das vorher geahnt.

Sechs Stunden schlafen wir – eindeutig zu wenig, aber mehr ist einfach nicht drin.

Die restlichen zehn Stunden sind wir zu Besuch und im Gespräch mit einem Freund, bei dem wir übernachten können. Anfangs müssen wir uns herantasten, wir haben uns lange nicht gesehen. Am Ende sind zehn Stunden nicht genug.

Vom Verstand her ist es ein immenser Aufwand für ein paar Stunden Zusammensein.

Vom Gefühl her hat es den Beziehungen zu unseren Freunden genutzt, dass wir uns mal wieder persönlich begegnet sind.

Ohne Antwort

Meine Briefe bleiben heutzutage in der Regel ohne Antwort, kaum einer meiner (Brief-)Freunde schreibt zurück. Es ist viel leichter und schneller und mit weniger Aufwand möglich, über andere Kommunikationswege miteinander in Kontakt zu treten. Allerdings: Fürs Telefonieren scheint nie der richtige Zeitpunkt zu sein; private Mails werden ebenso unzuverlässig beantwortet wie Briefe – sie gehen unter in der Flut der digitalen Informationen; auch SMS verhallen bei „ganz modernen Menschen“ ungelesen. Das einzig Wahre sind angeblich WhatsApp-Nachrichten. Ich habe keine Erfahrung damit, ob diese noch zwingend beantwortet werden – ich nutze diesen Messenger-Dienst nicht. Es gibt jedoch Menschen, die sich diesbezüglich sehr um mich bemühen und versichern, auf eine WhatsApp-Nachricht von mir würden sie sofort reagieren. Ob ich das glauben kann?

Noch wehre ich mich, noch verweigere ich mich. Ich will nicht derart vernetzt sein. Da bleibe ich doch lieber ohne Antwort. Selbst Schuld.

Nicht meine Welt

Ich kann es nicht mehr hören – der Rekordmeister FC Bayern München. Dieser Tage schießt und gewinnt er sich schon wieder hin zum nächsten Meistertitel in der Bundesliga, möglichst auch noch zum Gewinn des sogenannten Triple aus DFB-Pokal, Champions League und Deutscher Meisterschaft. Es ist langweilig und nervig und für mehr als die halbe Fußball-Nation nicht erfreulich – und da kann man jetzt den Bremern gar keinen Vorwurf machen. Die haben schließlich alles getan, um Schlimmeres zu vermeiden. Aber die penetrante Dominanz der Bayern sorgt mal wieder dafür, dass wir mit langweiliger Konstanz immer denselben Verein als besten deutschen feiern – oder ertragen – müssen.

Im Grunde interessiere ich mich wenig für Fußball, es ist nicht meine Welt. Deutschland-Spiele lösen einen gewissen Nationalpatriotismus bei mir aus, aber in den einzelnen Ligen kenne mich nicht wirklich aus. Seit ich fußballspielende Söhne habe, die beide Fans des FCB sind, geht die Bundesliga nicht mehr ganz so spurlos an mir vorüber wie früher. Vor einigen Jahren tauchte ich daher ein in die Fußball-Realität und schlug ich mich auf die Seite von – natürlich – Borussia Dortmund. Dieses Jahr sah es anfangs ganz gut aus, dann aber passierten solche unangenehm eindrucksvollen Kantersiege wie 6:0 gegen Mainz oder 5:0 gegen Dortmund selbst. Meine Güte – geht’s noch? Macht das überhaupt noch Spaß, bei Bayern immer zu gewinnen? Weniger geht nicht, zweiter Platz ist nicht gut. Nicht ganz oben zu stehen – ein No-go! Ich weiß es nicht.

Man könnte sagen, dass die Bayern-Spieler selbst nichts dafür können. Sie sind einfach zu gut, überragend eben, sie haben Teamgeist, spielerische Klasse, den absoluten Siegeswillen und natürlich auch eine sehr motivierende Konkurrenz innerhalb des Vereins. Dieser hat genug Geld und eine unvergleichlich kraftvolle Prominenz in seiner Führungsetage. Wahrscheinlich stimmt eben alles, und deshalb gewinnen sie alles und immer wieder. Und natürlich wollen sie gewinnen – wer will das nicht?

Was ich aber wirklich überhaupt nicht verstehe, wirklich, ist: Warum wollen alle bei Bayern spielen??? Es ist doch nicht nur das ständige Siegen; es ist auch dieser immense Druck, der dort herrscht, und die Gefahr, schneller wieder auf der Bank zu landen, als es einem lieb ist. Geht es noch um das Spielen oder nur noch um den Sieg? Aber wahrscheinlich bin ich nicht genug Fußball-Fan, nicht genug auf Wettkampf ausgerichtet, nicht genug Fan ohnehin. Letztlich ist es mir egal. Spätestens wenn meine fußballspielenden Söhne nicht mehr zu Hause wohnen werden, wird mich die Lage in der Bundesliga-Tabelle kaum noch jucken – es ist eben nicht meine Welt.

Wind

Vor einigen Tagen war es sehr windig. Es wehte stark und unablässig, meist aus Osten. Die Sonne schien ebenso unablässig, ihre Kraft wurde aber durch den Wind abgemildert. Es war nicht wirklich kalt, aber es fühlte sich kalt an. Jackenwetter – zumindest für Menschen wie ich, die schnell frieren. Abgesehen davon ist mir der Wind auf den Keks gegangen. Die Wehgeräusche im Haus, sobald ein Fenster geöffnet war, die aufschlagende Terrassentür – nervig. Das Radeln im Wind – mit ihm und gegen ihn – gleichermaßen anstrengend. Nicht schön. Und ich erinnerte mich an eine Formulierung aus „Mittagsstunde“ von Dörte Hansen:

„Man machte es am besten wie das dünne Pferd, man duckte sich und blieb ganz still, den Rücken in den Wind, den Kopf gesenkt, norddeutsche Schonhaltung. Dem großen Mahlwerk möglichst wenig Angriffsfläche bieten, man gewöhnte sich das an, wenn man hier aufgewachsen war.

Man hatte hier als Mensch nicht viel zu melden. Man konnte gern rechts ranfahren, aussteigen, gegen den Wind anbrüllen und Flüche in den Regen schreien, es brachte nichts. Es ging hier gar nicht um das bisschen Mensch. Das hier war Altmoränenland, es hatte ewig unter Gletschereis gelegen, es war geschliffen und verschrammt, das bisschen Wind und Regen machte ihm nichts aus.“

Weil ich aber nicht in Nordfriesland lebe, sondern am Rand der Lüneburger Heide, bin ich noch genervt vom Wind (auch ohne Regen). Anstatt ihn hinzunehmen wie eine Naturgewalt, gegen die man ohnehin nichts ausrichten kann. Und die – anders als in Nordfriesland – nur ab und zu und nicht immerzu nervenaufreibend über die niedersächsische Tiefebene pfeift. Ich weiß, Wetter geht noch schöner – undankbares Menschlein…

Klar und schön

Ich mag es, wenn Menschen sich gut ausdrücken, wenn etwas schön klingt. Ich mag klar gewählte Worte. Damit meine ich keine besonderes intelligente Sprache: Klar kann einfach und darf nicht kompliziert sein, meist auch kurz. Ich möchte verstehen, was gesagt oder geschrieben wird, ohne lange darüber nachdenken oder ein Fremdwörterbuch zu Hilfe nehmen zu müssen.

„Gönn dir“, schallt es manchmal durch unser Haus. Das ist kurz und klar, aber schön finde ich es nicht. „Mach mal kein Auge“, ist auch kurz, aber weder schön noch leicht verständlich. Aus „echt krass“ sind wir rausgewachsen. Mal sehen, was sonst noch so kommt an „klar, aber nicht schön“.

Gewohnheitstiere

Die Familie war in verschiedene Gruppen getrennt. Jedes Grüppchen hatte auf seine Weise eine gute Zeit und sich an den neuen Zustand gewöhnt. Nun sind wieder alle zusammen – und rasseln aneinander. Ständig. Es knirscht im Getriebe. Ein wenig hat es den Anschein, als würde der Platz nicht mehr ausreichen. Wo es zu fünft ganz gut auszuhalten war, ist für sieben eindeutig zu wenig Raum. Also wird provoziert, sich provoziert gefühlt und gestritten. Schade eigentlich. Eigentlich lieben wir uns sehr. Aber nach solchen „anderen Zeiten“ kommen wir uns eben auch sehr ins Gehege und an unsere Grenzen des freundlichen Miteinanders.

In zwei, drei Tagen wird es wieder besser gehen, da bin ich sicher. Es braucht eine gewisse Zeit, dann werden wir uns wieder eingeschuckelt und aneinander gewöhnt haben. Aber noch sind wir in der Phase, in der jeder denkt: „Es war so schön ohne die anderen.“

PS: Vermitteln hilft nur bedingt. Wir als Eltern werben um Verständnis, stoßen aber nicht auf offene Ohren. Nur die Zeit hilft. Es geht nicht über den Kopf, es geht über den Bauch – und der braucht ein paar Tage, sich wieder an den neuen alten Status quo zu gewöhnen.

Dringlich oder wichtig?

„Ich kann es mir nicht leisten, schlechte Qualität zu kaufen“, sagt jemand, den ich schätze. „Ich kann es mir leisten, manche Dinge gar nicht zu kaufen“, sage ich. Wie viel wir besitzen und wie wenig davon wir wirklich nötig haben – dazwischen lebt und herrscht der Gott des Konsums!

Werbung richtet sich an unser Empfinden für „wichtig“ und „dringlich“: „Dies und das ist wichtig für dich! Du solltest dem ersten Kaufimpuls nachgeben und heute noch zuschlagen, ein solches Angebot kommt so schnell nicht wieder.“ Dabei ist Eile kein guter Ratgeber. Je länger ich ohne etwas auskomme, umso weniger dringlich wird mir die Anschaffung selbst…

Was ich alles besitzen würde, wenn ich immer dem ersten Kauf-Impuls gefolgt wäre – eine Menge Zeug. Was ich mir alles leisten kann (aber nicht muss), weil ich dem ersten Kauf-Impuls nicht gefolgt bin – auch eine Menge Zeug. Beide Mengen haben glücklicherweise nichts zu tun mit der Befriedigung meiner wirklich wichtigen Wünsche…

Ostern

Pünktlich zu Ostern las ich einen Artikel in der Zeitung, in dem es um zwei Wissenschaftler ging und ihre These, dass Jesus wahrscheinlich gar nicht tot war nach der Kreuzigung. Laut dieser These war er wahrscheinlich „nur“ in ein Kohlendioxid-Koma gefallen, die Aufbewahrung in der kühlen Gruft tat ihm dann gut. Daraufhin versteckte er sich ein paar Wochen, um nicht noch nachträglich gefangengenommen und hingerichtet zu werden. Und seine Himmelfahrt machte dann möglich, dass er unter neuer Identität den Rest seines Lebens irgendwo ganz nicht-öffentlich verbringen konnte.

Natürlich ist die These schöner formuliert und begründeter ausgeführt; aber darum geht es jetzt nicht. Ich war erstaunt, was dieser Artikel alles in mir ausgelöst hat:

Anfangs ärgerte ich mich, dass jemand sich auf die Fahnen schreibt, DIE zentrale Wahrheit und Botschaft des Christentums anzuzweifeln und dann auch noch – 2.000 Jahre später – wissenschaftlich zu begründen. Der Autor des daraus hervorgegangenen Buches bezeichnete dieses angeblich selbst als „Schriftchen“ – auch das hat mich geärgert. Schriftchen. Das klingt so harmlos. Dabei sind die Zweifel, die er sät, keineswegs harmlos. Die Verunsicherung, die er stiftet, ist nicht harmlos: Sie kann für Menschen folgenschwer sein, Menschen in eine Krise führen. Solange das Schriftchen behauptet, die Wahrheit zu kennen, und nicht gleichermaßen Offenheit für eigenen Irrtum demonstriert, sind die geäußerten (wissenschaftlich begründeten) Vermutungen eine Herausforderung für jeden ernsthaft an Jesus glaubenden Menschen auf dieser Welt.

Weiter habe ich mich gefragt, ob ich nicht froh sein müsste über derartige Thesen. Ich bin doch auch an Wahrheit interessiert, ich möchte mich dem nicht sperren: Zweifel an etwas zu haben, ist nicht per se schlecht. Meine Wahrheitssuche geht jedoch nicht soweit, dass ich Lust hätte, das Buch zu lesen. Mit dieser Art Zweifeln möchte ich mich nicht auseinandersetzen, da hinein möchte ich meine Energie nicht investieren. Ehrlich gesagt? Interessiert mich nicht. Die historische Glaubwürdigkeit Jesu stellt heutzutage kaum jemand in Frage; ich habe in diesen Fragen nicht den Anspruch, auf dem neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu sein. Ich bin ein Schaf in der Masse der Gläubigen und überlasse derartige Untersuchungen und ihre Auswertung, Bestätigung oder Widerlegung gern anderen.

Meine abschließenden Gedanken gingen zu Gott selbst. Ich kenne ihn als einen liebenden Vater und einen eifernden Gott, der auch zornig sein kann. Um Menschen, die seinen Namen in den Schmutz ziehen, kümmert er sich selbst. Er will nicht, dass wir verurteilen und richten. Jesus selbst hat uns das vorgelebt. Als Petrus dem Soldaten des Hohepriesters ein Ohr abschlug, weil dieser Jesus verhaften wollte, da heilte Jesus dieses Ohr: „Lasst ab! Nicht weiter!“ (Lukas 22, 51) Oder: „Steck dein Schwert in die Scheide! Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat?“ (Johannes 18, 11)

Gott hatte schon immer Widersacher. Gott hat seine eigene Art, mit ihnen umzugehen: Für sie – wie auch für mich – hat er seinen Sohn auf diese Welt geschickt, durch die Kreuzigung sterben und nach drei Tagen auferstehen lassen. Das ist Ostern – auch wenn viele Menschen es feiern, ohne die Wahrheit dahinter zu verstehen oder zu glauben.

Nicht perfekt

Letztens bekam ich eine Karte, auf der stand: „Ich bin nicht perfekt, und ich arbeite auch nicht daran.“ Beruhigend, dass es anderen auch so geht.