Demokratie in der Familie

Unsere Kinder wachsen anders auf als wir. Wir sind in manchen Fragen weniger streng, als unsere eigenen Eltern es waren, in anderen deutlich enger. Wir ecken an mit unseren Orientierungshilfen und Leitlinien – und die Kinder artikulieren ihren Ärger über unser Eingreifen, unsere Ver- und Gebote. Das habe ich in der Form nicht getan. Elterliche Autorität war für mich deutlich weniger hinterfragbar, als sie es für unsere Kinder zu sein scheint. Ist das Demokratie heute versus Hierarchie damals?

Einerseits freut mich das: Unsere Beziehung ist zwar (noch?) nicht freundschaftlich, aber doch sehr offen, nah und ehrlich. Andererseits: Die Ehrlichkeit und Offenheit meiner Kinder strengt mich an und hätte wohl zu meiner Zeit schon als Respektlosigkeit gegolten: „Du unterbrichst doch genauso wie ich, Mama“, muss ich mir da anhören, „du hörst mir und meinen Argumenten doch auch nicht zu. Wieso sollte ich immer nachgeben, wenn du nie nachgibst?“ Ich kann nicht sagen, dass ich diese ehrliche Einschätzung meiner Erziehungsmethoden gern höre. Es wird allerdings ein Kern Wahrheit drin sein, selbst wenn ich die Faktoren „Teenager-Logik“ und „kindliche Unreife“ abziehe…

Familiendemokratie hat ihren Preis. Es ist anstrengend, wenn alle mitreden und mitentscheiden können; und am Ende sagt doch die stärkste Fraktion, wo es langgeht. Noch müssen sich bei uns die Eltern (Unterzahl) den Kindern (Mehrheit) nicht beugen; noch haben wir – meist – das letzte Wort. Aber bis zu diesem gibt es viel Diskussionsbedarf, wird bisweilen erbittert gekämpft um kleinste Zugeständnisse. Wir werden müde geredet, schwindlig argumentiert und müssen uns – vielleicht viel genauer als unsere Eltern – überlegen, warum wir welche Entscheidung nun gerade so treffen, wie wir sie treffen.

Ein Erziehungsstil ist nicht notwendigerweise besser als der andere; und ich bin mir bewusst: Die Grenze zur Nicht-Erziehung ist ein schmaler Grat – der immer schmaler wird, je mehr Demokratie wir in der Familie zulassen.

Unordnung hat ihren Preis, Ordnung auch

Ich weiß zwar, dass Entropie nicht gleich Unordnung ist – Entropie ist viel mehr und viel komplizierter. Sie misst die Umkehrbarkeit von Vorgängen. Daher sind Entropie und Unordnung sich zumindest ähnlich; und der zweite Hauptsatz der Thermodynamik bestätigt sich immer wieder in meinem ganz unwissenschaftlichen Alltagsleben: Obwohl ich grundsätzlich ein ordentlicher Mensch bin, kann man das in unserem Haus nicht unbedingt und immer sehen. Zu viele Menschen mit eigenen Bedürfnissen arbeiten in irritierender Konstanz daran, die bestehende Ordnung in Chaos umzuwandeln. Ich halte andauernd dagegen und vernachlässige dabei immer wieder einige Orte zugunsten anderer. Aus den Kinderzimmer schwappt die Unordnung in den Flur. Ich schaufele alles zurück auf die Betten, denn da stören Gegenstände am meisten. Im Gegensatz zu Schreibtischen, da stören Gegenstände in der Regel überhaupt nicht: Es gibt immer noch den Küchentisch als Alternative, wenn eine glatte, leere Oberfläche gebraucht wird.

Gefährlich wird es also spätestens, wenn Unordnung bis in die Küche vordringt. Zuerst werden die Arbeitsplatten invasiert. Von dort ist es bis zum Esstisch nicht mehr weit. Einer meiner Söhne sagt, ich solle ihm 24/7 das mobile Handgerät überlassen – das würde dann jedenfalls nicht mehr stundenweise in der Küche liegen. Der Preis ist mir zu hoch. Dann lieber Chaos…

„Kurznervig“ gibt´s nur im Duden nicht, im Leben schon

Es gibt böse Menschen, die behaupten, dieses Wort gebe es gar nicht – kurznervig. Deutschlehrer sind das, Kollegen meines Mannes, die kennen das Wort nicht – weil es nicht im Duden steht. Stimmt ja auch, es steht so nicht im Duden. Da gibt es nur solche Worte wie „dünnhäutig“, „zartbesaitet“, „hochempfindlich“ oder „kurzatmig“, aber die treffen es nicht. Kurznervig trifft es am besten: Ich gerate nicht außer Atem, meine Haut bricht nicht auf, und in mir reißt auch keine Saite. Nein, es sind meine Nerven die kurz vor dem Ende ihrer Belastbarkeit stehen, wenn jemand oder etwas darauf herumtrampelt.

Dieser Zustand ist nicht schön – weder für mich noch für meine Mitmenschen. Einzige Abhilfe: Distanz. Ich brauche dann Abstand. Körperlich ist schon gut – rausgehen, spazieren oder in ein anderes Zimmer. Noch besser ist, wenn sich meine Nerven distanzieren können. Wie geht das? Den Nerven eine laute Stimme geben ist nicht immer die beste Methode. Besser für mich ist – Sport. Mich so anstrengen, dass ich nicht mehr denken kann (oder will). Den Körper so beschäftigen, dass der Geist die Wut sausen lässt. Holzhacken würde sicherlich auch gehen. Oder Umgraben. Das dehnt, relativiert, beansprucht, bringt in die richtige Perspektive. Hinterher bin nicht mehr kurznervig, sondern – entspannt, elastisch, ausgeglichen. Langnervig gibt’s nämlich nicht, steht ja auch gar nicht im Duden.

Es lebe der Brief!

Briefe sind eine aussterbende Spezies. Nur selten bekomme ich einen, obwohl ich regelmäßig welche verschicke. Heute jedoch habe ich einen Brief bekommen. Ich bin einerseits versucht, ihn sofort zu öffnen – alles stehen und liegen zu lassen für diesen Brief. Denn: Es hat sich jemand die Mühe gemacht, an mich zu denken und den Stift zu nehmen und Papier und einzutüten, abzuschicken. Das ganze Paket. Ich bin jemandem wichtig genug für einen Brief!

Andererseits lasse ich den Brief gern noch ein bisschen liegen, ich hebe ihn auf. Für den Moment heute, an dem ich ihn nicht so dazwischen schieben muss, sondern in Ruhe lesen und genießen kann – vielleicht sogar zweimal, wenn er kurz ist oder inhaltsschwer oder beides.

Briefe können unterhaltsam sein, informativ, ein gutes Mittel gegen Langeweile, eine Form der Wertschätzung und oft eine Möglichkeit, anderen wirklich Anteil zu geben an Gedanken von „unter der Oberfläche“.

In jedem Fall ist ein Brief eine Art Unterhaltung, die heutzutage sehr selten geworden ist – und das nicht wegen der andauernd erhöhten Portogebühr. Hin und her dauert bei Briefen deutlich länger als bei Mails, SMS oder gar WhatsApp oder dem direkten Miteinander. Ein Brief-Gespräch läuft anders. Ich kann an einem Thema zwar nicht so zeitnah dranbleiben, aber ich kann mich diesem besser widmen, tiefer gehen, es manchmal durch die verflossene Zeit aus mehreren Blickwinkeln betrachten. Manchmal kann ich in Briefen mutiger Dinge ansprechen als von Mensch zu Mensch – und ebenso mutig und ehrlich (und in Ruhe!!!) auf etwas reagieren. Auch kenne ich eine, die formuliert einfach zu schön für „nur einmal ausgesprochen“. Von ihr bekomme ich besonders gern Briefe. Oder Postkarten. (Obwohl Postkarten eine ganz eigene Spezies sind.)

Irgendwann mache ich den Brief auf und freue mich. Noch ein bisschen später setze ich mich hin und schreibe eine Antwort. Es lebe der Brief!

Interpretiert, unterstellt oder wahr?

„Interessiert dich wahrscheinlich gar nicht“, murmele ich leicht frustriert und mein Mann reagiert aufmerksamer, als ich ihn im bisherigen Gespräch erlebt habe: „Aha, das weißt du also ganz genau, dass mich nicht interessiert, was du erzählst. Du weißt ja eh meist genau, was ich denke.“

Stimmt, denke ich, ich weiß es einfach. Woher? Keine Ahnung, aber ich bin mir meist ziemlich sicher, wie mein Mann findet, was und wie ich es sage – zu lang, zu ausführlich, manchmal auch zu sehr ein Thema behandelnd, zu dem er keine zwei Sätze finden würde. Woher nehme ich mein Wissen? Zum einen kann ich offenbar sehr gut zwischen den Zeilen lesen – eine Gabe, die er zumindest nicht sein Eigen nennt. Leider. Zum anderen schließe ich aus dem, worüber und wie er erzählt, darauf, was ihn interessieren könnte.

Wahrscheinlich liege ich oft ziemlich daneben mit meinen Schlussfolgerungen, wahrscheinlich irre und unterstelle ich. Auch interpretiere ich reichlich und bin dann sauer – letztlich, weil ich nicht die Reaktion bekommen habe, die ich mir erhofft hatte. Das liegt zum einen an einer in mir tief drin sitzenden Unsicherheit, zum anderen, dass er deutlich weniger (gern) redet als ich. Interessanterweise liegt die Abhilfe ganz nah. Ich könnte nachfragen: „Interessiert dich das?“ Wenn ja, ist gut, wenn nein, ist auch gut. Hat ja erstmal nichts mit meiner Person zu tun – kein Grund also, auch nur leicht frustriert zu sein.

Schnittmengen

„Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“
Galater 3, 28

Wie eng mein Denken ist, wie eingeschränkt mein Sichtfeld. In der Begegnung mit Familie, die mir irgendwie nahe steht und aber doch so ganz anders lebt, habe ich (mal wieder) gemerkt, wie individuell ein Leben sich gestaltet, wie klein die Schnittmengen sind, die unsere Lebensentwürfe haben: Deutsch – weiblich – verheiratet – fünf Kinder – nicht berufstätig – Kleinstädterin… Je mehr ich aufzähle, desto kleiner wird der kleinste gemeinsame Nenner. Und immer mal überlappe ich hier oder da mit dem einen oder der anderen – und komme mit den unterschiedlichsten Menschen innerhalb unserer gemeinsamen Schnittmenge ganz wunderbar zurecht.

Außerhalb der gemeinsam geteilten Lebenswirklichkeit wird es schnell schwierig, vor allem, wenn man gezwungenermaßen miteinander zu tun hat. Viele Eltern bei einem Elternabend zum Beispiel. „Eltern der Kinder einer Klasse“ ist keine besonders große gemeinsame Schnittmenge – vor allem keine, die eng zusammenschweißt.

Es sei denn, am Ende steht Christ. Bei Christus hören die Unterschiede nicht auf, Christus ist die eine Schnittmenge, die mit äußeren Gegebenheiten nichts zu tun hat. Die Tiefe der Begegnung mit Christen verblüfft mich immer wieder; hier können Grenzen wegfallen, die sonst unüberwindbar scheinen. Zwar ist das kein Automatismus für beste Freundschaften, aber treffen kann man sich eben immer bei Jesus – das gemeinsame Gebet ist dafür ein toller Ort.

Abbitte fürs Rasenmähen

Wir haben zwei Bäder. Eins putzen die Eltern, eins die Kinder. Die Standards für „vorher“ und „nachher“ sind klar festgelegt und leicht kontrollierbar. Bisher dachte ich, das gelte auch fürs Rasenmähen. Darum kümmern sich seit einigen Jahren die beiden großen Söhne – 17 und 15 Jahre alt. Angesichts eines bevorstehenden Auswärts-Wochenendes beschloss ich kürzlich, „mal eben schnell“ für sie den Rasen zu mähen. Mit einer dreiviertel Stunde habe ich gerechnet, gedauert hat es doppelt so lang. Aber ich habe noch viel mehr verstanden: Beurteile nicht die Arbeit eines anderen, wenn du nicht um die Schwierigkeiten weißt, die auftreten können.

Viel Moos haben wir im hinteren Teil. Da wächst dann zwar kaum Rasen, aber Moos wächst, verstopft den Mäher, bleibt liegen (trotz des Auffangkorbes) und nervt einfach unheimlich. Mehrere Lösungsansätze bieten sich an. Man kann öfter den Korb leeren, langsamer drüber mähen, immer wieder den abgesoffenen Mäher neu starten: Das mehrfache Starten des Dieselmotors sorgt dann gleich auch für eine Stärkung der Oberarmmuskulatur. Man kann aber auch einfach den Mäher auf „ganz lang“ stellen. Das probate Mittel für Teenager ist die letzte Lösung.

In der Vergangenheit hat mich das geärgert: „Könnt ihr nicht ein bisschen kürzer mähen, könntet ihr hinten bitte auch mit Korb mähen, würdet ihr das mit dem Rasenmähen bitte ernsthafter und sorgfältiger betreiben!!!“ Nach dem heutigen Morgen weiß ich, dass selbst ein gründlicher Typ Mensch gern Prinzipien über den Haufen werfen würde, wenn der Leidensdruck zu hoch wird – und sich vor allem die Sinnhaftigkeit von Gründlichkeit nicht ohne weiteres erschließt. Zwar habe ich kurz gemäht, zwar habe ich hinterher abgeharkt, in Säcke gestopft, was da an Grünzeug lose auf dem Rasen lag, aber: Tut das dem Rasen gut? Geht es dadurch nächste Woche besser? Wird sich das Moos auf wundersame Weise in Luft auflösen oder in mähbaren Rasen verwandeln? Oder hat das alles einfach nur lange gedauert, mich sehr angestrengt und meine Laune nicht unbedingt beflügelt?

„Geschafft!“, sage ich mir, ein schön gemähter Rasen ist da jetzt von der Terrasse aus zu bewundern, für mein Herz und meine Lungen war diese Form der körperlichen Betätigung sicherlich sehr gesundheitsfördernd. Meine Teenager-Söhne finden „geschafft“ auch nach der Hälfte der Zeit wunderbar, erfreuen sich am kurzgeschorenen Rasen nicht mehr als an dem, auf dem die Gänseblümchen noch blühen und finden Herz- und Kreislauf-Ertüchtigung nur mit Ball schön beziehungsweise ganz und gar unnötig.

Ergo? Wenn sie das nächste Mal den Rasen mähen, werde ich bewundernd und lobend zugegen sein, ermutigend auch und sehr, sehr dankbar.

Zuständig versus abkömmlich

Jahrelang hatte ich kleine Kinder um mich – erst eins, dann zwei, dann drei…, dann fünf. Jahrelang waren sie auf mich angewiesen, war ich rund um die Uhr zuständig, verantwortlich, letzte Instanz in allen Fragen oder auch Geschäften. Standardruf von allen und jederzeit: „Mama!“

Tagsüber lesen – unmöglich, tagsüber telefonieren – nur mit halbem Ohr bei den dann besonders viel Quatsch machenden Sprösslingen, tagsüber naschen – nur wenn die Schokoladen- oder Gummibärchen-Ration für alle reicht. Tagsüber irgendwas tun? Gern, wenn Gesellschaft dabei und Unterbrechung darin willkommene Größen sind. Langsam ändert sich das. Die Kinder lernen Vokabeln und fragen sich gegenseitig ab. Der Jüngste macht sich selbständig auf den Weg zu seinem Freund. Reiten, Fußball, Schlagzeug – machen sie alles allein und ohne Erinnerung meinerseits.

Und ich? Hänge noch drin in dem alten Muster. Mich unabhängig zu fühlen und nicht zuständig und – letztlich – sehr abkömmlich: Wenn ich ehrlich bin – das fällt mir schwer. Denn es lässt mich spüren, wie sehr die eine Lebensphase die andere ablöst und wie sehr ich mich neu orientieren muss – aber auch darf.

Noch findet meine 14-jährige Tochter es toll, dass ich mittags hier bin und etwas zu essen da ist und wir gleich oder später oder eben, wann sie will, über die neuesten Ereignisse in der Schule reden können. Aber auch das ändert sich: Einer meiner Söhne ist 15 und verhandelt manche Themen gar nicht mehr mit mir. „Du gehst spazieren? Mit wem denn?“ „Mama!!!!“ Klingt jetzt ganz anders…

Kommunizieren – wie – mit wem – wieviel?

Eine der letztlich sinnlosen Diskussionen mit dem Zweitgeborenen geführt: Wieso ist Kommunizieren heute etwas, was meist digital und möglichst andauernd passiert? Wieso kann man sich nicht in der Schule sehen, verabschieden und dann am nächsten Tag wieder miteinander reden? Dazwischen könnte man den Nachmittag gelangweilt auf dem Sofa, im Garten, beim Sport oder mit Freunden verbringen und abends nach dem Abendbrot ungehetzt noch ein wenig in der Familie präsent sein. Ist ja genug Familie vorhanden.

Stattdessen gibt es gefühlt einen steten Zug raus aus der Gemeinschaft hin zum Rechner oder – bei ihm bald – Handy. Da könnte ja jemand online sein und warten. Das Kind: „Weil ihr unsere Medienzeiten so begrenzt, wollen wir sie immer komplett ausschöpfen.“ Die Eltern: „Weil wir nicht wollen, dass ihr nur noch am Rechner oder Handy hockt, beschränken wir die Medienzeiten.“ Das Kind: „Ihr solltet da lockerer werden.“ Die Eltern: „Die ganz medienfreien Tage sind die schönsten, da ist das Zusammensein hier viel entspannter, eure Präsenz klarer.“

Der Erfolg unserer Maßnahmen sind immer wieder anstrengende Diskussionen, die in zwei Sackgassen enden. Das Kind: „Wir kommunizieren heute anders, findet euch damit ab.“ Die Eltern: „Wir wollen euch gern erleben lassen, dass man nicht nur so wie heutzutage kommunizieren kann – und auch nicht andauernd muss.“

Der von uns angebotene Kompromiss, es – ergebnisoffen (!!!!) – mal ein paar Tage „ganz frei“ in Sachen digitale Medien zu handhaben und dann aber gegebenenfalls wieder Begrenzungen einzuführen, stößt nicht auf Begeisterung. Wie machen das andere Eltern? Wenn wir den Kindern glauben, haben die anderen Eltern sich ALLE komplett aus diesem Thema zurückgezogen. Sie bieten „freie Medienfahrt für freie Kinder“. Sollen/können/wollen wir das glauben? Gibt es etwas dazwischen?

Als ich letztens seufzend (und Verständnis heischend) erwähnte, Elternsein sei ein bisschen „learning by doing“, folgte prompt: „Mama, ihr seid aber noch sehr stark in der learning-Phase.“

Mama und Putzfrau in Personalunion

Papier-Abholung morgen. Schnell noch einen Papierkorb in die Tonne entleert und ab damit auf die Straße, auf der zwei unserer Kinder mit – mir unbekannten – anderen Kindern aus der entfernteren Nachbarschaft spielen: „Und wer sind Sie?“ „Ich? Wer soll ich denn sein, die Putzfrau?“ „Ja, meine Mama hat eine Putzfrau.“ „Ich nicht, ich bin Mama und putze.“

Ich weiß nicht warum, aber dieses kurze Gespräch hat mich irritiert. Ich persönlich würde erstmal davon ausgehen, dass derjenige, der sich auf einem Grundstück um die Mülltonnen kümmert, der Bewohner ist. Für einige Kinder heutzutage (und ehrlich gesagt nicht die Kinder von Schwerreichen, die wohnen hier nämlich nicht um die Ecke) gibt es die Option, dass es sich um Dienstleister handeln könnte. Vielleicht war das früher auch schon so – und ich habe mich nur grundsätzlich in anderen Kreisen bewegt. In wie vielen Haushalten werden – nicht aufgrund von Gebrechlichkeit – Arbeiten ausgelagert, die noch vor 40 Jahren zum normalen Lebensalltag gehörten?

Noch interessanter finde ich, dass ich mich durch die Frage nach meiner Funktion abgewertet fühlte – „nur“ die Putzfrau? Wieso? Ich habe nicht nur die Aufgabe, hier sauber zu machen; ich wohne und lebe hier – und ich mache hier auch sauber, bringe den Müll raus. Ist eine Mutter mehr wert als eine Putzfrau? Vom Verdienst her nicht, aber sonst? Dieser Vergleich ist schwierig und nicht hilfreich. Ist es kein ehrenwerter Beruf, sauber zu machen?

Vielleicht liegt es daran, dass Muttersein für mich soviel mehr ist als ein „Job“ – eine Lebensaufgabe, eine Berufung, ein Geschenk, eine Herausforderung, ein Segen. Für mich beinhaltet er – derzeit – auch das Putzen, aber das ist eben nur ein Aspekt unter vielen. Nicht der beliebteste, nicht der, für den ich am besten geeignet bin, nicht der wichtigste. Die Aussage „Sind Sie hier die Mama?“ hätte mich stolz gemacht – obwohl ich dafür gar nichts kann…