Gleichzeitig oder nacheinander?

Kann ich gleichzeitig lesen und zuhören? Mich selbst überschätzend würde ich sagen: „Na klar!“ Meinem Mann kommen regelmäßig Zweifel – meiner älteren Tochter übrigens auch. Daher stellt sie die kniffligen Fragen gern, wenn ich gerade meine Mails checke, Zeitung lese oder ein Buch. Zwar dauert meine Antwort dann, aber meist lautet sie „Ja“.

Multitasking ist erwiesenermaßen trainierbar, bringt aber nicht viel – die Aufmerksamkeit für die einzelne Aufgabe leidet, sobald eine andere hinzukommt. Logisch, das verstehe ich auch ohne Studie. Es gibt nur bestimmte Dinge, die ich gleichzeitig abarbeiten kann: Ich kann einkaufen und dabei mehrere Kinder im Schlepp haben, auf sie eingehen etc. und sogar Dinge in den Einkaufswagen legen, die NICHT auf meiner Liste stehen. Ich kann dagegen – offenbar – nicht lesen (und den Inhalt verstehen) und dabei mit meinen Kindern so reden, dass meine Antworten Sinn ergeben. Wenn ich darüber nachdenke: Selbst lesen und essen geht bei mir nur nacheinander. Telefonieren und simultan bügeln funktioniert auch nur begrenzt. Spätestens nach zehn Minuten habe ich einen Krampf in der Schulter, die den Hörer am Ohr festklemmt.

Eventuell ist es eine Frage des Alters: Meine Nichte ist Anfang 20 und kann gehen und gleichzeitig verständliche Textnachrichten in ihr Handy tippen. Das werde ich nie lernen. Wie gut, dass ich aus einem Jahrhundert komme, in dem Multitasking noch kein Begriff im normalen Sprachgebrauch war – geschweige denn eine zu erlernende Grund-Kompetenz! (Mein Sohn reagiert auf derartige Erkenntnisse meinerseits immer mit einem seufzenden „Ja,ja, Mama, früher war alles besser.“)

Was geht und was nicht und wer entscheidet das…

Bis vor kurzem dachte ich, Trends seien etwas für Jüngere; aber auch Menschen in meinem Alter argumentieren bisweilen mit: „Das trägt man dieses Jahr so.“ Meine Klamotten fallen für ein derartiges Konsumverhalten nicht schnell genug auseinander – und mein Kleiderschrank ist nicht groß genug.

Noch viel verbreiteter scheint aber ein sehr unterschiedlicher Standard zu sein, was man auf keinen Fall trägt oder besitzt: Für eine meiner Freundinnen sind es Birkenstock-Hausschuhe oder Outdoor-Sandalen (mit oder ohne Socken), für mich sind es SUVs im Stadtverkehr. Was bedeutet das für mein Denken? Erhebe ich mich über die Geländewagen-Fahrerin im asphaltierten Flachland oder lass ich sie fahren, ohne zu beurteilen?

Ich bin immer wieder überrascht, wie unterschiedlich wir ticken. Was für den einen schön ist, stößt den anderen ab. Das ist solange in Ordnung, wie ich den anderen trotzdem einfach machen lasse. Es ist allerdings leichter, sich über Eigenschaften oder Vorlieben aufzuregen – zumindest wenn man die Person dahinter nicht persönlich kennt. Einer Freundin dagegen „verzeihe“ ich mehr – und sie mir. Im Angesicht einer funktionierenden Beziehung fällt schonungslose Abrechnung schwer; wenn ich jemanden mag, bin ich bereit, meine zementierten Ansichten (zu Äußerlichkeiten) zu überdenken. Oder sie werden, was sie im Grunde ohnehin sind – letztlich irrelevant!

Abendmahl

Denn es ist kein Ansehen der Person vor Gott.“
Römer 2, 11

Abendmahlsgottesdienst. Ich darf austeilen. Gern spreche ich den Leuten namentlich zu, dass Jesus für sie gestorben ist, dass er für jeden einzelnen das Kreuz auf sich genommen hat – ob Birgit oder Andrea, ob Jakob oder Jürgen. Alle sind ganz verschieden. Manche kenne ich schon lange, manche kaum – so dass ich nach dem Namen erst fragen muss. Manche stehen mir näher, manche weniger, das Lebenskonzept von X ist mir vertraut, das von Y total fremd. Ganz zu schweigen von den Lasten oder Lastern, in die ich nur bedingt Einblick habe – und trotzdem bin ich schnell mit einem Urteil. Würde ich auch nur für einen von ihnen MEIN Leben geben? Ohne Bedingungen daran zu knüpfen, wie derjenige diesem Opfer gerecht werden sollte? Ich bezweifle es.

Ich weiß nicht, wie dann sowas passiert, aber manchmal schenkt Gott eine Sternstunde. Manchmal öffnet Gott einem ganz unerwartet die Augen für seine Sicht: Für einen Moment konnte ich mit dem Herzen verstehen, wie Jesus uns sieht. Alle anderen und auch mich, die ich durch so manches menschliche Raster mühelos durchfallen würde und für die auch nicht so schnell einer sein Leben geben würde. Eine Schwester nahm mich in den Arm. Nach einer kurzen Pause ging es wieder: „Jesus hat dich lieb, Anke, Jesus ist für dich persönlich ans Kreuz gegangen.“ Keine Wahrheit aus dem Verstand, eine Wahrheit aus dem Herzen.

Als Austeilende überwältigt vom Abendmahl – beschenkt bin ich nach Hause gefahren.

Wann, wenn nicht jetzt? Der richtige Zeitpunkt!

„Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: …. schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit …“
Prediger 3, 1+7b

Leider gibt es bei uns die 21.30 Uhr-Regel. Zwar geht es mir manchmal gegen den Strich, aber eine Abmachung zwischen uns als Ehepaar lautet: Nach halb zehn werden keine wichtigen Gesprächsthemen mehr angesprochen. Aber auch tagsüber ist es bisweilen mehr als schwierig, den richtigen Zeitpunkt abzupassen: So wichtig kontroverse und konstruktive Streitgespräche der Eltern sind, so wenig brauchen sie den Nachwuchs als Zeugen oder Moderator. Und wenn es nur die Kinder wären! Nein, es gibt noch viel mehr Grund, Dinge nicht anzusprechen: Müdigkeit, Frust, Eile – um nur einige zu nennen.

Kurzfristig betrachtet kann ich mich darüber ärgern: Manche Dinge erscheinen so drängend, die müssen doch einfach raus! Ein Problem will unbedingt angesprochen werden, die Wahrheit muss auf den Tisch – Aufschub scheint unmöglich. In mir brodelt´s.
Langfristig gesehen weiß ich inzwischen, dass die Wahl des richtigen Zeitpunktes mehr als das Zünglein an der Wage sein kann: Hier entscheidet sich oft Erfolg oder Misserfolg eines Anliegens, der richtige Moment kann die Stimmung in die eine oder andere Richtung kippen lassen. Wann ich herausplatze mit welchem Problem, vermittelt manchmal Wertschätzung, manchmal Ignoranz.

Erst überlegen, dann reden – das entspricht wahrscheinlich nicht hundertprozentig meiner Persönlichkeit, kann aber schlau sein. Dringlichkeit ist dagegen oftmals ein schlechter Ratgeber. Irgendwo dazwischen liegt der richtige Zeitpunkt.

Christus und ich

Eine Frage, die mich seit einigen Jahren immer wieder beschäftigt, ist die nach der Berechtigung von Unzufriedenheit in meinem erfolgreichen, gesegneten Leben als langjährige Christin in einem reichen Land, in dem ich weder verfolgt noch aufgrund meines Glaubens bedroht werde. Ich weiß, dass Unzufriedenheit mit Undankbarkeit zu tun hat und nichts Positives bringt. „Sei dankbar in allen Dingen“, heißt es in der Bibel; und das stimmt ja auch wirklich, das tut mir ja auch gut. Ich höre oft, dass mit Gott alle Mauern zu überspringen sind, dass ich in IHM und mit IHM alles habe, was ich brauche, dass Dankbarkeit der Schlüssel zur Zufriedenheit ist und solche Dinge. Aber im ganz normalen alltäglichen Leben ist Gott eben nicht so häufig gleich und einfach zu erfahren. Manche Lebenswendungen erklären sich mir bisweilen auch nicht im Nachhinein – so sehr ich mich mühe, ihnen Gutes abzugewinnen. Und dann gibt es sie eben doch, diese leise Stimme, die sich hin und wieder in mir zu Wort meldet: `Es geht mir nicht so gut, wie ich es gern hätte. Ich bin unzufrieden oder sogar unglücklich, ich möchte aus meinem Leben ausbrechen, auch wenn es noch so viele sehr beneidenswerte Umstände gibt, in denen ich lebe.´ Zunächst bin ich versucht, diese Stimme zum Schweigen zu bringen, weil sie so undankbar klingt und so unheilig und so ungeistlich – und es vielleicht ja auch ist. Aber nach einiger Zeit kommt sie wieder; und immer mehr habe ich den Eindruck, ich müsste mich ihrem Reden stellen.

Zwischen Pro und Kontra

Ich bin verheiratet – ein Umstand, den sich viele wünschen und nicht haben, ich weiß. Aber das ist eben auch anstrengend. Ich habe zu Dingen eine andere Meinung als er, wir müssen uns einigen. Kompromisse sind nicht immer einfach und eben auch genau das – Kompromisse. Ja, mein Mann hat Werte und Prinzipien, unterstützt und liebt mich etc.
Dennoch gibt es manchmal eine Sehnsucht in meinem Innersten nach genau den Eigenschaften und der Art Verständnis, die er eben nicht mitbringt. Klar, ich kann mir genügen lassen an dem, was ich habe, kann dankbar sein. Aber ich darf mir auch zugestehen, dass es da ein kleines Defizit gibt, dass ich mich unverstanden fühle und nach 20 Ehejahren im Alltag zu wenig bewundert, zu wenig bestaunt (auch wenn dem de facto gar nicht so ist).

Ich habe Kinder – ebenfalls ein Segen, der nicht allen zuteil wird. Und wahrscheinlich kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, was es heißt, in diesem Bereich jahrelang auf Erfüllung starker Wünsche zu warten und zu hoffen, darum zu beten, und letztlich doch ohne Kind dazustehen. Wie schwer muss es sein, trotzdem noch Gott als den liebenden Vater zu kennen, der weiß, was gut ist für mich – wo es mir doch gar nicht gut damit geht!
Andererseits verändern Kinder ein Leben eben so umfassend, dass nicht nur Erfüllung auf der Liste steht, sondern auch Verzicht. Verzicht auf Selbstbestimmung, manchmal jahrelang. Verzicht auf Freiheit und Spontaneität, vom Verzicht in finanzieller Hinsicht, den einige noch dazu zu tragen haben, ganz zu schweigen. Verzicht vielleicht auch auf eine Arbeit und Karriere, die mich erfüllen würden, für die ich begabt wäre. Und manchmal sehe ich nur diese Seite der Medaille und fühle mich älter werdend und betrogen um Anerkennung im Beruf, eigenes Geld, Feierabend, kinderfreie Zeiten oder Zonen in meiner Wohnung, meinem Haus.

Zwischen Ist und Soll

Ich habe so viel, was andere nicht haben. Ich könnte, nein, müsste so unsagbar glücklich und zufrieden sein. Bin ich auch meistens. Mein Jammern findet auf einem sehr hohen Niveau statt. Aber auch in meinem so optimal laufenden Leben gibt es eben Dinge, die mich anstrengen und ermüden, die mich frustrieren und enttäuschen und in denen ich Jesus erstmal nicht erlebe. Er ist in allem drin und immer an meiner Seite, das weiß ich, aber ich merke es eben nicht immer. Jedenfalls kommt es bei mir nicht an. „Lass dir an meiner Gnade genügen“, das ist eben schwierig in der Praxis, das erlebe ich nur manchmal, das sind Sternstunden. Häufiger sind die Zeiten, in denen ich das durchbuchstabiere, wie wir Christen es oft so schön formulieren, und sich das dazugehörige gute Gefühl trotzdem nicht einstellt. Es bleibt beim Verstandeswissen, es rutscht nicht ins Herz. Dann möchte ich mir nicht am unsichtbaren und nicht greifbaren Jesus genügen lassen, sondern direkte Erfüllung meiner Wünsche und Bedürfnisse. Und schon fühle ich mich nicht dankbar, sondern muss mich dafür entscheiden, dankbar zu sein.

All das klingt nach einer sehr unzufriedenen Frau. Ist mein Glas immer nur halb voll? Nein, überhaupt nicht. Meist bin ich gut drauf, schenkt Gott Gelingen, kann ich dankbar sein von „ganz allein“, verstehe ich mich gut mit Mann und Kindern, habe Freunde und fühle mich so unsagbar wohl in meinem Leben. Diese anderen Momente sind selten, aber vorhanden – und mir drängt sich die Frage auf, ob diese anderen Momente nicht aber eben diejenigen sind, in denen sich mein Christsein bewähren sollte.

Stattdessen gewinne ich zunehmend den Eindruck, in meinem Leben kaum einen Unterschied zu machen. Sehen Menschen Jesus, wenn sie mich sehen? Lebe ich anders, streite ich anders, erziehe ich anders, verzeihe ich anders, bin ich anders zufrieden? Bin ich Salz für diese Welt oder wenigstens für meine Nachbarn? Gehe ich anders um mit den Unwägbarkeiten meines Lebens, mit meinem Frust, mit meinem Stress, mit den Dingen und Menschen, die mir auf den Keks gehen? Ich hoffe es, aber oft merke ich nichts dergleichen.

Mit den Jahren, in denen ich mich besser kennenlerne, fällt es mir auf, dass der größere Teil meiner Erdenjahre über meine Kraft hinaus herausfordernd ist, dass dieses oft so wunderbare Leben hier nur ein Abklatsch sein kann von dem, was noch kommt. Das hoffe ich zumindest. Die Momente des Einsseins mit Gott, der Gottesbegegnung sind eben Momente und nicht die Regel. Gott macht sich mir so fremd, so unabhängig; seine Erhabenheit und Unerreichbarkeit drängen sich fast schmerzhaft in mein Bewusstsein. Mir jedenfalls gelingt es nicht, eine Dauergemeinschaft mit ihm herzustellen oder vielleicht auch zuzulassen und auszuhalten, weil ich eben doch so sehr Mensch bin.

Ich weiß nicht, was die Ursache ist. Ich höre in mich rein und sehe in die Abgründe meiner Seele. Ich bin egoistisch, heuchelnd, unversöhnlich, leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen (und was weiß ich noch) und eben auch manchmal unzufrieden – und ich werde ohne (und vielleicht sogar trotz) Jesus immer genau das bleiben. Nichts davon kann ich willentlich abstellen, manches davon lebe ich ganz bewusst aus, wenn auch nur in Gedanken. Da bin ich ganz Teil dieser Welt und scheine mich auch nur minimal von ihr abzuheben – wenn überhaupt.

Dennoch!

Macht mich das zu einem schlechten oder unreifen Christen? Habe ich mich vor 25 Jahren nicht schon deutlich weiter gefühlt, deutlich heiliger und besser? Wenn es so weiter geht, empfinde ich meine geistliche Entwicklung als eher rückläufig. Und ich bin ein bisschen gespannt, was noch so alles offenbar wird in mir. Und wie Jesus damit umgehen wird.

Das ist nämlich die Kehrseite: Jesus wird mir ferner und näher zugleich. Ich staune anders als früher darüber, dass ich angenommen bin und geliebt, dass Jesus stirbt für meine Schuld, von der ich so viel mehr wahrnehme als vor 25 Jahren. Ich erlebe, wie individuell seine Wege mit uns sind, wie einzigartig (und oft auch schwer vermittelbar) unsere Gottesbegegnungen und wie viel Veränderung er eben doch schenkt in mir. Und DAS ist etwas, worin ich dann doch geistlich gesehen erwachsener werde und entspannter und über Gott juble: Er erreicht mich da, wo ich bin, und so, wie ich es brauche und tut tatsächlich etwas: Meine Rechthaberei hat über die Jahre weichere Züge angenommen, meine Bereitschaft, den ersten Schritt zu machen, ist gewachsen. Mit meinen nicht erfüllten Bedürfnisse gehe ich öfter schon mal früher ins Gebet und zu Jesus und erfahre den Frieden darüber, den eben nur er schenken kann. Es gäbe noch andere Beispiele. Nur eins: Ich bin viel dankbarer geworden für vermeintliche Selbstverständlichkeiten und nehme diese für das, was sie sind – ein Segen, ein unverdientes Geschenk. Meistens. Die noch immer auch vorkommenden Zeiten der Unzufriedenheit müssen wir beide aushalten – Christus und ich.

Angst – ein sich wandelnder Begleiter

Mit acht Jahren hatte ich Angst im Dunkeln, war nicht gern allein. Meine Eltern haben alles dafür getan, mich nicht allein zu lassen und mir die kindliche Angst vor der Dunkelheit zu nehmen.

Mit 18 war von Angst im Dunkeln bei mir keine Spur mehr vorhanden. Dafür hatte meine Mutter Angst um mich – ganz erhebliche. Die einsamen Abkürzungen durch den Wald, die leeren Straßenzüge mitten in der Nacht habe ich dennoch angstfrei in Kauf genommen, um selbständig mit dem Rad von A nach B zu kommen.

Jung verheiratet mit 28 sorgte sich plötzlich mein Mann, wie und ob ich nachts sicher radelnd nach Hause komme – und in mir machte sich eine gewisse Unsicherheit breit. Lästig, aber durch das Vermeiden von Schleichwegen zu beherrschen.

Im nicht mehr ganz so zarten Alter von 38 Jahren und mit fast fünf Kindern im Schlepptau gab es wenig Zeit für nächtliche Eskapaden – und überhaupt wenig Gelegenheit, allein zu sein.

Heute, zehn weitere Jahre später, bin ich besorgt um meine halbwüchsigen Kinder, wenn diese allein des Nachts unterwegs sind. Geht es darum, ihnen mit dem Rad entgegenzufahren – kein Problem: Um mich mache ich mir keine Gedanken, um mich habe ich keine Angst.

Interessant. Tätern ist das Alter der Opfer doch wahrscheinlich egal. Außerdem sind nachts alle Katzen grau (= einheitsalt). Die Bedrohung ist dieselbe (mindestens), das Gefühl „Angst“ hat sich über die Jahre sehr gewandelt. Eine Liedzeile weht mir durch den Kopf: „In wieviel Not hat nicht der gnädige Gott über mir Flügel gebreitet!“ Und wieviel Gefahr hat Gott schon abgewendet, bevor ich sie registriert habe.

Kommunikation, nonverbal

Wir bringen den Jüngsten zu einem Freund und nutzen die Zeit für einen Ehepaar-Spaziergang. Auf dem Hinweg redet das Kind nonstop. Wir lächeln uns an – und freuen uns auf den stillen Rückweg. Je länger wir verheiratet sind, umso treffsicherer verständigen wir uns nonverbal.

Positiv daran: Die Kinder bekommen nicht alles mit. Mein Mann mit seiner sprachökonomischen Grundeinstellung freut sich über fast jede Rede-Pause. Die Erfahrung, dass wir uns ohne Worte verstehen, schafft Nähe.

Andererseits können sich negative Kommunikationsmuster breit machen. „Nutzt ja eh nix, noch was zu sagen – auf dem Ohr ist sie taub – der ändert seine Ansichten eh nicht mehr…“ Wenn ich Paare erlebe, bei denen sich eine gewisse Resignation eingeschlichen hat in die nonverbale Kommunikation, bin ich fest entschlossen, das nicht als unsere Zukunft zu akzeptieren.

Einzige Lösung: Miteinander reden, reden, reden. Zuhören, verstehen wollen, nachfragen, sich hinterfragen lassen, Rückmeldungen zulassen – auch wenn sie schmerzen. Nicht aufhören, ehrlich (!!!) über schwierige Themen zu sprechen, obwohl wir (vielleicht berechtigt) Angst vor Missverständnissen haben müssen oder die Ausgangs-Ansichten Welten auseinander liegen. Kommunikation – nonverbal – funktioniert nur, wenn wir die wirklich wichtigen Dinge verbalisieren.

Jäger und Sammler

Ich bin versucht, die Menschen zu kategorisieren. Alle passen in Schubladen – man muss nur genügend Schubladen haben. Zwei Unterteilungen heißen „Jäger“ und „Sammler“, inklusive diverser Mischformen. Ich bin eindeutig aus der ersten Kategorie: „Mama, hast du das Fußball-Trikot von Toni Kroos gesehen?“ „Das war dir doch viel zu klein, das hat dir ja letztes Jahr schon nicht mehr gepasst.“ Ich trage nicht nur aktiv dazu, dass unser Besitz überschaubar bleibt; ich sorge auch dafür, dass wir Platz haben und Raum zum Atmen.

Mein Mann dagegen bewegt sich zwischen beiden Schubladen, er wirft nicht gleich weg, sondern hebt auf: Schrauben, Muttern, Nägel (gern auch sortiert), Holzbretter, Pflastersteine… Ein echter Sammler ist auch er nicht: Mit Grausen erinnert er sich an die Briefmarkensammlung, die er als Teenager von seinem Vater erbte. Das ausschlaggebende Argument heute ist: „Kann man immer mal gebrauchen.“ Und dann kommen sie garantiert irgendwann, diese Momente, in denen er etwas zum Reparieren braucht und sich genau die richtige Schraube, Mutter, das richtige Stück Brett oder der passende Metallkeil findet: Die Freude ist groß.

Beide Ansätze haben ihre Berechtigung – wie immer, auch wenn sie bisweilen kollidieren. Mittlerweile sehen wir, wie unsere Unterschiedlichkeit bereichernd wirkt.

Aus unserer Ehe hervorgegangen sind sowohl „Jäger“ als auch „Jäger mit Aufhebe-Tendenzen“; nur einer schlägt ein wenig aus der Art und ist (bislang?) eindeutig ein „Sammler“: Alte Schuhe ohne vollständige Sohle? „Will ich behalten – als Deko in meinem Zimmer“. Leere Packungen von PEZ-Bonbons, Buttons mit „Polizeiverein Niedersachsen“ oder ähnlichen Aufdrucken, Fußball-, Pokemon-, Ninjago-Sammelkarten? „Kann ich noch gebrauchen, leg ich auf meinen Schreibtisch.“

Als bereichernd erlebe ich das nicht, eher als frustrierend – besonders wenn ich mich in regelmäßigen Abständen durch sein Zimmer arbeite, um Ordnung herzustellen. Ist er dabei, kann ich nur umschichten. Ist er nicht dabei, fliegt auch mal was raus („Mama, hast du … gesehen?“). Verwächst sich das noch? Lässt sich das kanalisieren – und wenn ja, wohin? Kann, muss, sollte mir das einfach egal sein?

PS: Gilt die unter dem mütterlichen Radar angelegte Zusammenstellung leerer Kaugummi-Packungen meiner Tochter auch als Sammelleidenschaft?