(Meinungs-)Vielfalt

Wir reden über Corona und können uns nicht einigen. Ich kenne kaum ein Thema, zu dem es so viele unterschiedliche Positionen gibt. Vielleicht offenbart Corona aber auch nur die Vielfalt unserer Meinungen. In unserer von Informationen gefluteten Welt sind heute wichtige Themen normalerweise schnell wieder „Schnee von gestern“ – Corona hält sich hartnäckig: Das Virus beherrscht seit Monaten unsere Gespräche, unser Denken, Tun und Fühlen. Wir haben Zeit, eine eigene Position zu finden; diese wird beeinflusst von einer unüberschaubaren Menge an Faktoren: Verschiedene Sach-Informationen spielen eine Rolle, aber auch emotional gefärbte Kommentare in Zeitungen, dem Internet und beim Nachbarn und nicht zuletzt unsere eigene Befindlichkeit und Prägungen. Außerdem müssen wir wöchentlich auf neue Verordnungen reagieren. Dem einen gelingt das besser, dem anderen schlechter.

Wir könnten uns also trefflich streiten über dieses Virus und die Maßnahmen zu dessen Eindämmung – nur bringt das nichts. Ob wir es wollen oder nicht, wie auch immer wir zu Corona stehen: Wir müssen leben mit dem Virus und mit dem, was es direkt und indirekt auslöst in unserem Land und Leben. Nicht viel davon können wir beeinflussen – selbst wenn wir täglich auf die Straße gingen und unsere Meinung öffentlich verkündeten. Mal wieder ist unser Umgang mit den Umständen das Einzige, was wir in der Hand haben. Und auch das gelingt dem einen besser und dem anderen schlechter.

Wunderbare Vielfalt

In unserer Tageszeitung sind zwei Leserbriefe zu den Corona-Maßnahmen im November abgedruckt – sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Der eine Schreiber empfindet diese als zunehmend unerträglich und unschön hinsichtlich der persönlichen Freiheit. Dem anderen reichen die Maßnahmen nicht weit genug: Er fordert deutlich drastischere Einschnitte – nämlich zwei Wochen radikale häusliche Abschottung, medizinische Notversorgung und einen Lieferdienst für Lebensmittel durch Einsatztrupps.

Egal, was ich von beiden Briefen halte: Sie offenbaren den tiefen Graben, den das Virus in unserer Gesellschaft ausgehoben hat. Ich frage mich, wie wir ihn wieder schließen können und dabei trotzdem gut und respektvoll miteinander umgehen. Meinungsvielfalt ist großartig – und anstrengend. Wir müssen sie wahrnehmen, aushalten und für ein gutes Miteinander nutzen. Dabei können wir uns wunderbar ergänzen oder herrlich streiten; der Ton (in der Auseinandersetzung) macht die Musik (des gemeinsamen Kompromisses). Demokratisches Verhalten ist nicht den Politikern vorbehalten. Es fängt nicht erst in Ämtern oder Parlamenten an, sondern direkt in meiner Nachbarschaft.

Bienen

Immerzu geht es um Artenschutz momentan. Wir ruinieren den Planeten, Arten sterben aus, ganze Ökosysteme verschwinden. Bei uns waren in der Vergangenheit Saatmischungen im Briefkasten, um uns zu ermutigen, bienenfreundliche Multikulturen im eigenen Garten anzulegen. Kann ich machen. Ich könnte auch einfach aufhören, Unkraut zu jäten – das gäbe der Artenvielfalt bei uns ebenfalls Auftrieb. Ich bin nur unsicher, ob mir das optisch genauso gut gefällt wie den Wildbienen…