Luft und Wind

Es stürmt in ganz Deutschland, auch bei uns. Heute auf dem Weg zum Bäcker und zur Post kam der Wind sowohl hin als auch zurück von vorn – und noch dazu in Böen. Ich war nicht lange unterwegs, der Gegenwind störte mich nicht wirklich. Aber: Je nachdem, wie mein Gesicht im Wind „stand“, blieb mir zeitweise fast die Luft weg.

Ich gehe davon aus, dass sich die vorhandene Luftmenge nicht vermehrt oder verringert. Wind beschleunigt nur das, was da ist. Wenn kein Wind weht, steht die Luft still – atmen ist einfach und selbstverständlich. Rückenwind ist angenehm und willkommen; Gegenwind strengt an und stört uns – wir geraten außer Puste. Wie sehr wir die (stille) Luft brauchen, merken wir erst, wenn der Wind heftig und von überall kommt – und uns den Atem nimmt.

Wie geht`s richtig?

„Den Juden bin ich wie ein Jude geworden …, den Schwachen bin ich wie ein Schwacher geworden …, ich bin allen alles geworden… „
1. Korinther 9, 20+22

Diese Zeilen sprechen davon, wie Paulus sich in seinem Predigen anpasst an seine Zuhörer, um wirklich verstanden zu werden. Er stellte sich auf die Leute ein, mit denen er zu tun hatte. Das ist ein guter Rat, wenn man bei Menschen etwas erreichen will – sich erstmal auf sie einlassen. Dann lassen sie sich vielleicht auch auf uns und unsere Ansicht ein. Wenn ich das nur könnte! Es fällt mir ja schon schwer, in guter Art und Weise auf meine Kinder einzugehen:

Einer meiner Söhne klagte kürzlich darüber, dass Schule zwar vielleicht weniger Arbeit sei als ein Job, aber: „Wenn man – nicht als Lehrer – von seinem Job nach Hause kommt, ist man fertig. In der Schule muss man immer noch Hausaufgaben machen und für Tests und Arbeiten lernen. Da ist immer so ein Druck.“ Anstatt zuzuhören und seine Aussage zu bestätigen, lehne ich mich in meinem Stuhl zurück und bemerke: „Du weißt dich diesem Druck aber geschickt zu entziehen.“ Er schaut mich an, zischt: „Ihr versteht überhaupt nichts!“, und stürmt aus der Küche.

Manchmal habe ich den Eindruck, ich kann es nur falsch machen: Entweder ich sage die Wahrheit – und ruiniere die Stimmung. Oder ich stimme meinem Gegenüber kommentarlos zu – und schmälere die Ehrlichkeit des Miteinanders. Wie so oft hätte ich gern das richtige Händchen für die goldene Kommunikationsmitte!

Genug Mut?

Grundsätzlich hätte ich gern mehr Mut.
In manchen Situationen fehlt mir eher Lang-Mut.
Gut gebrauchen könnte ich Sanft-Mut – anderen und mir selbst gegenüber.
Es mangelt mir an De-Mut, aber ich bin stolz auf das, was da ist.
Nur Hoch-Mut habe ich mehr als ausreichend.
Oh je!

PS: Den Über-Mut meines Sohnes bewundere und fürchte ich zugleich.

Alles relativ

Beim Einkaufen begegne ich einer älteren Dame aus der Nachbarschaft, die meinen abgenutzten Anhänger betrachtet und sagt: „Der ist ja praktisch fürs Einkaufen.“ Ich nicke und antworte, dass ich so nur selten das Auto zum Einkaufen bemühen müsse. Sie zeigt auf ihre Satteltaschen und erklärt: „Ich nehme nie das Auto. Wenn ich meine Einkäufe ordentlich verstaue, passt ein Großeinkauf hinein.“

Ich muss schmunzeln. Es stimmt, eine Satteltasche ist erstaunlich groß. Ich bin selbst manchmal überrascht, wie viel ich darin verstauen kann. Aber ein Großeinkauf? Niemals.

Ihr Großeinkauf und mein Großeinkauf sind sicherlich grundverschieden – vor allem hinsichtlich der Größe. Der Begriff Großeinkauf allein ist nicht aussagekräftig genug; auch sehr wichtig sind die variablen Faktoren „für wie viele“ und „für wie lange“. Es ist eben alles relativ.

Erleichtert

Menschen wie ich sollen – trotz fortschreitenden Alters – digital mithalten können, am Puls der Zeit bleiben, die technische Entwicklung nicht verschlafen, sondern sie mit offenen Armen willkommen heißen. Ich fühle mich ein wenig überfordert.

Eine Bemerkung meiner Tochter (noch ohne eigenes Smartphone!!!) zerstört alle Ambitionen: „Mama, du gehst nur auf Instagram, wenn`s keiner merkt. Alles andere ist peinlich.“ Ich bin erleichtert.

Von Zebrastreifen und Rechtsabbiegern

„Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“
1. Korinther 15, 10

Mir nahm heute eine Autofahrerin den Schwung und die Vorfahrt und schnitt mir den Weg ab: Sie bog rechts ab, ich war geradeaus unterwegs und musste bremsen. Ich hatte es schon eine Millisekunde vorher geahnt, denn sie schaute nicht nach hinten und reduzierte nicht die Geschwindigkeit. Ich war vorbereitet und konnte abbremsen. Lächelnd (weil dankbar) fuhr ich weiter. Warum lächelnd? Weil ich weiß, dass solche Fehler passieren können:

Mit unserem Auto überfuhr ich einmal völlig in Gedanken versunken einen Zebrastreifen. An der Seite stand eine Frau mit Kinderwagen und wartete darauf, dass ich anhalten würde – vergeblich. Meine Augen hatten die Frau gesehen, aber mein Gehirn nicht. Im Gehirn wäre die Entscheidung fürs Bremsen gefallen, Augen können das nicht.

Ich übersah auch schon einmal jemanden, als ich rechts abbog. Vielleicht schaute ich zu flüchtig oder auch gar nicht über meine Schulter; Fakt ist, dass ein Fahrradfahrer meinetwegen bremsen musste.

Ich weiß, wie es ist, wenn man beim Autofahren Fehler macht, die nicht passieren sollten. Sie sind mir unterlaufen, obwohl ich keine besonders übermütige Fahrerin bin und schon lange meinen Führerschein besitze. Vielleicht ärgerte sich die Mutter mit Kinderwagen, der Radfahrer tat es sicherlich. Mir selbst waren die zwei Ereignisse vor allem peinlich – auch weil sie keine schlimmen Folgen nach sich zogen: Die beiden Leute landeten nicht unter meinem Auto. Das war nicht mein Verdienst; man könnte sagen, es war Glück. Ich würde sagen: Das war Gnade.

Sicher gab es noch andere Situationen, in denen eine Unachtsamkeit von mir nicht in einem Schaden für andere endete. Ich registriere nicht alle meine Fehler. Das ist auch Gnade.

Let`s talk!

There is an author whose books I enjoy reading. He writes non-fiction books in such a way that even I like them. His topics are interesting and touch on everyday life; his writing is sometimes amusing, always balanced and clear, his style smart and his perspective often rather unusual. Last but not least: I just like his way of creating and dealing with issues he finds interesting enough to think and write about.

A little while ago I heard him talking about the research for his latest book and what he himself took from it: he said if he needed an assistant he wouldn`t do a job interview anymore – there was nothing you would learn from an interview if you wanted to hire someone. A conversation of this kind was all about appearances; everything you really needed to know you could check on the phone or get from other people you trust.

He is right: in a conversation I can`t figure out whether someone is punctual, reliable and diligent, is discreet and will be committed to their job. Nevertheless, for me the first, ‘optical’ impression still has some relevance – if I needed a personal assistant I also would like to see them first. Don`t we have to work together and get along on a daily basis? Doesn`t it help if the other person’s appearance is not off-putting to me in some way? What`s wrong with wanting to work with someone who is also pleasant company – as a bonus? (Not that I know what I am talking about: I am a long way from needing a personal assistant and even farther from being able to afford one…)

Secondly „my author“ mentioned that the only situation where you really have to meet someone is dating. My initial reaction would be: I agree – it`s obvious. But a mere second later I find myself thinking about centuries of arranged marriages in other parts of the world. People checked a lot of things about potential spouses – parents, upbringing, education, class – apart from letting them MEET each other as well.

I am not a person who likes to argue, I am a person who likes to discuss, though. (Isn`t there always a BUT to anything you might say?) In this case I`d like to exchange ideas. I know I am no match for this author – neither intellectually nor concerning the flexibility of one`s mind, but still: Let`s talk Malcolm Gladwell!

Automatismus

Ich kann mit zehn Fingern auf der Tastatur schreiben – eine Tastatur aus dem Gedächtnis aufmalen könnte ich nur mit großer Anstrengung.

Mein Deutsch ist fehlerlos – die grammatischen Strukturen dahinter schüttele ich nicht ebenso aus dem Ärmel.

Eine meiner Töchter kann die meisten Klavier-Akkorde in jeder Umkehrung ohne Überlegung spielen – sollte sie die einzelnen Tasten aufzählen, müsste sie sich sehr konzentrieren.

Mein Autofahren funktioniert (inklusive der Verkehrsregeln) ohne aktives Nachdenken – aber eine Führerschein-Prüfung würde ich heute sicherlich nicht bestehen.

Automatismen brauchen vor allem eins: viel Übung.

Zu deutsch

Ich mag Regeln, ich bin in dieser Frage sehr deutsch. Ich mag allerdings keine Regeln, die mir nicht einleuchten, meines Erachtens unnötig sind und meinen Alltag verkomplizieren: Im Kindergarten meines jüngsten Sohnes mussten die Kinder punktgenau um 12 abgeholt werden – zu früh sollte man nicht erscheinen, um die Abschiedszeremonie nicht zu stören; zu spät kam erst recht nicht in Frage. Mir leuchtete diese Regelung nicht ein, ich empfand sie als unnötig und meinen Alltag verkomplizierend. Außerdem spürte ich den Versuch der Erzieherinnen, mich zu erziehen – so als müssten die Eltern in die richtige Spur gebracht werden. Dass die Erzieherinnen meines Sohnes beide jung und kinderlos waren, machte die Sache nicht leichter.

Ich weiß, dass Regeln fast immer von außen kommen; die wenigsten setzen wir uns selbst. Ich weiß auch, dass diese Abmachung (wenn auch einseitig beschlossen) aus Sicht der Erzieherinnen ihre Berechtigung hatte, einen Sinn erfüllte – und nicht darauf abzielte, mich zu maßregeln. Dennoch fiel es mir sehr schwer, mich ihr klaglos zu beugen: Ich ärgerte mich fast täglich über sie – vor allem im Winter oder bei Regen. Es hätte so gut anders laufen können: Abschlusskreis eine Viertelstunde früher, zum Abholen eine Gleitzeit von zehn Minuten – alle wären zufrieden gewesen!

Noch fünf Jahre später denke ich manchmal daran, wie sehr mir „zu deutsch“ gegen den Strich geht.

Lego – für jung und alt

Ich behaupte: Nicht viele Kinder in Deutschland kommen ohne Lego-Spielzeug durch ihre Kindheit. Das ist wahrscheinlich so, seit es diese Bausteine gibt. Es gibt sie in groß und klein und in allen möglichen Farben und Formen – Variabilität steigend. Unverändert ist die Beliebtheit von Lego-Bausätzen bei Kindern. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass Eltern in regelmäßigen Abständen vorhandene Lego-Bestände sichten, sortieren und auf Vollständigkeit kontrollieren. Sonst macht Lego-Bauen nämlich wenig Spaß.

Ganz charakteristisch ist das Geräusch, das entsteht, wenn man (möglichst viele) Legosteine durchwühlt – auf der Suche nach einem ganz bestimmten Teil. Es ist kein schönes Geräusch: Der junge Lego-Bauer nimmt es als unvermeidbaren Nebeneffekt gern in Kauf; für den erwachsenen Lego-Sortierer ist es Krach.