Lieblings-Irgendwas

Wenn mich jemand fragt, welches mein Lieblingsessen ist, drücke ich mich um eine Antwort: Ich esse viele Dinge sehr gern.

Auch ein Lieblingstier kann ich nicht benennen; es fiele mir leichter, an zwei Händen abzuzählen, welche Tiere ich NICHT so gern mag.

Lieblingsautor? Fehlanzeige. Ich lese Bücher einiger Schriftsteller, die unterschiedlich schreiben und mir doch gleich gut gefallen.
Lieblingsmusiker? Das ist sehr von meiner eigenen Stimmung abhängig und offenbar von meinem Alter. Aber selbst eine Bestandsaufnahme „genau jetzt“ ergibt kein eindeutiges Ergebnis.
Meine Lieblingsfarben sind: Türkis, Rosé, Tauben- oder Hellblau, Violett – nicht grell, Schwarz und Weiß. Ach ja, Grau ist auch wunderbar.
Eine Lieblingsblume ist die Freesie, aber Tulpen sind auch gut – besonders wenn sie noch nicht ganz aufgeblüht sind. Pfingstrosen sind faszinierend üppig – jedenfalls dafür, dass sie nur so kurz zum Blühen kommen in unserem Garten …

Mir gefällt ganz viel – oder ich lege mich eben nicht gern fest. Nur in einer Frage ist die Antwort klar. Ich habe ein Lieblingsinstrument. Man kann es zwar nicht überall hin mitnehmen, aber das ist der einzige kleine Mangel. Alles andere ist super: Es hat einen tollen Klang, mit dem es einen Raum allein füllt; es „kann“ Rhythmus und Melodie, eignet sich zur Liedbegleitung wie kein anderes und bietet auch ohne Gesang einen Hörgenuss.

Mein Lieblingsinstrument ist das Klavier, keine Frage.

„Gern!“ oder: Das Leben ist ein Wunschkonzert?

In mancher Beziehung würde ich gern mit Menschen tauschen: Am Klavier wäre ich gern so versiert wie meine Tochter. Ich spräche gern so gut Französisch wie eine Freundin. Ich würde gern gut tanzen können.

Aber ich habe trotz eines Klaviers in unserem Wohnzimmer zu wenig Zeit und Muße zum Üben. Obwohl es Volkshochschul- und Onlinekurse gibt, nehme ich weder Französisch noch Spanisch in Angriff. Außerdem merke ich beim Abfragen der Vokabeln, wie schnell ich diese mittlerweile wieder vergesse. Und natürlich gehe ich lieber regelmäßig laufen als in einen Tanzkurs.

Ohne Fleiß kein Preis, ohne Einsatz kein Erfolg, ohne Üben kein Können. Das Leben ist kein Wunschkonzert.

Ende der Nabelschau

Heute Morgen in der Küche sinnierte ich vor mich hin: „In drei Wochen habe ich Geburtstag und werde 50.“ Meine Tochter entgegnete ohne Zögern: „In zwei Monaten habe ich Geburtstag und werde 16.“ Ich weiß nicht, womit ich gerechnet hatte, es war vieles denkbar: Anteilnahme, Erstaunen, Freude etc. Stattdessen erhielt ich eine rein sachliche Feststellung, gewürzt mit leiser Ignoranz. Wer behauptet, 50 zu werden sei in irgendeiner Weise besonders, hat wahrscheinlich kein Kind im Teenager-Alter. Diese Personengruppe hält jeden auf dem Boden der Tatsachen.

Anders

Die meisten, die 2020 einen runden Geburtstag feiern wollten, mussten und müssen noch umdisponieren. Einige meiner Freunde haben ihre Feiern – gezwungenermaßen – abgesagt oder auf das nächste Jahr verschoben. Trotzdem fallen die Geburtstage nicht aus. Die ursprünglichen Pläne sind durch die beschränkenden Maßnahmen zwar erschwert oder sogar ins Wasser gefallen. Das muss aber nicht bedeuten, dass der Tag selbst ein Reinfall wird – im Gegenteil: Die Gemeinschaft mit einigen wenigen Freunden wird dem nullenden Geburtstagskind vielleicht sogar intensiver in Erinnerung bleiben als eine große Sause mit vielen Menschen…

Handgemenge

Ein Handgemenge – welch schönes Wort! Es klingt nach viel und ist doch oft nur die freundschaftliche Auseinandersetzung zweier Brüder, unserer großen Söhne zum Beispiel. Grundsätzlich mögen sie sich gern: Sie streiten sich nicht viel und nur selten ernsthaft. Das, was sich zwischen ihnen abspielt, ist durch Gemenge gut beschrieben. Da prallen zwei Körper aufeinander, es gibt ein scheinbar (!!!) untrennbares Durcheinander. Man sieht, spürt und ahnt die Energie, die in ihnen steckt – ich würde nicht dazwischengehen. Am Ende lösen sie die temporäre Durchmischung auf und sind wieder jeder für sich heil und vollständig.

Die Handgemenge zwischen ihnen sind meist laut, oft von Gelächter begleitet und beschränken sich höchst selten auf die Hände: Krach- oder Lachgemenge wäre eine noch treffendere Bezeichnung.

Lebensgefühl 50 plus

Alle, die schon 50 sind, sagen, man gewöhne sich mit der Zeit daran – das ist ja immer so. Trotzdem ahne ich, dass es anders ist als bei den runden Geburtstagen, die ich schon erlebt habe. Ein Freund fasste es gut zusammen: Bisher habe er im Hier und Jetzt gelebt; ab jetzt gehe der Blick mehr nach vorn.

Intuitiv weiß jeder 50-Jährige, dass mehr als die Hälfte des Lebens vorbei ist. Man könnte „runter zählen“ – wenn man wüsste, wie lang genau die zweite Hälfte dauert. Wir wissen es nicht. Deswegen ist es gut, die Ignoranz der Jugend abzulegen und die Endlichkeit wahrzunehmen. Wir altern und bewegen uns in Richtung Lebensende. Unser Körper weiß es schon eine Weile – unser Geist versteht es jetzt auch langsam … 

Enttäuscht, :-)!

Ein ehemals sehr guter Freund von mir hält Enttäuschungen für positiv: Von einer falschen Vorstellung – einer Täuschung – ent-täuscht zu werden, das sei eine sehr gute Sache, meint er.

Ich brauche „pro Enttäuschung“ eine Weile, um das ähnlich zu sehen: Mir gelingt es nicht immer sofort, mich über jegliche Korrektur meiner Weltsicht zu freuen und fröhlich zur Tagesordnung überzugehen. Das mag daran liegen, dass ich mich von „meinen Wunsch-Vorstellungen“ nur ungern trenne, besonders wenn es um mich selbst geht.

Nach einem Streit bin ich enttäuscht, wenn ich nicht zuhören und verstehen wollte, nicht vergebungsbereit und um Versöhnung bemüht war. Ich weiß (wieder): Hinsichtlich „barmherzig und versöhnlich“ bin ich noch nicht so, wie ich gern wäre. Diese Erfahrung macht mich nicht fröhlich, sondern traurig. Und sie fordert mich heraus, mich zu verändern – noch habe ich Hoffnung.

Solange Ent-Täuschungen mich nicht resignieren lassen, sondern motivieren, sind sie also wirklich eine sehr gute Sache.

Bescheiden und selbstsicher

Je älter ich werde, desto vorsichtiger formuliere ich – obwohl ich zum Teil feste Überzeugungen habe. Es geht mir nicht hauptsächlich darum, nicht anzuecken. Aber ich ahne, dass es selten nur eine Tatsache gibt, nur eine Perspektive, nur eine Variante von „richtig“. Wenn mir Menschen begegnen, die jung und sehr überzeugt von sich und ihrer Meinung sind, frage ich mich: Ist diese Selbstsicherheit alters- oder typabhängig?

Ein wenig bewundere ich diejenigen, die nichts zu erschüttern scheint, die nie „Ich weiß es nicht“ sagen und immer eine Antwort oder Lösung haben. Noch beeindruckender sind für mich bescheidene Menschen: Wer eigene Fehler weder sieht noch benennt (und sich erst recht nicht entschuldigt), mag stark und fähig wirken. Wahre Größe zeigt der Mensch, der mit seinem Können nicht protzt und sich seiner Unwissenheit nicht schämt.

„Bescheidenheit ist eine Zier“, denke ich. „Doch weiter kommt man ohne ihr“, mag ebenso stimmen – nur nicht dahingehend, von anderen Menschen geachtet, wertgeschätzt und ernst genommen zu werden.

Dem Alter entsprechend

Um mich herum werden die Menschen dieses Jahr scharenweise 50, ich gehöre dazu. Wir alle wähnen uns noch nah dran an den Dreißigern, kleiden uns sportiv-jugendlich, halten uns fit – und erschrecken, wenn wir an die 50 denken: Es bleibt ein halbes Jahrhundert, ob wir uns nun dem Alter entsprechend fühlen oder nicht. Von außen werden wir als „älter“ wahrgenommen; außerdem lässt unser Körper sich nicht austricksen: „Fit wie ein Turnschuh“ gehört der Vergangenheit an. Regelmäßige Bewegung tut gut, beinhaltet aber zunehmend Übungen zur Beweglichkeit und Dehnung – Dinge, die ich noch vor zehn Jahren für selbstverständlich beziehungsweise überflüssig hielt.

Andererseits leben wir unser „Mittelalter“ sehr bewusst, legen Wert auf einen gewissen Komfort, liebäugeln mit einer ausgewogenen work-life-balance oder schielen sogar in Richtung Ruhestand. Wir haben kaum offene Wünsche und wahrscheinlich deutlich weniger Ehrgeiz als vor 20 Jahren. Wir wollen und müssen nicht mehr so viel haben, tun oder vorweisen. Das ist angenehm – und dem Alter entsprechend.

Ähnlich dem Alter entsprechend ist ein Elektro-Fahrrad – findet eine gleichaltrige Freundin von mir. Sie schätzt die Vorteile eines solchen Gefährtes: Das E-Bike trotzt dem Gegenwind genauso wie ihrem inneren Schweinehund. Es ermöglicht ihr Bewegung an der frischen Luft ohne nennenswerte Anstrengung. Verstopfte Straßen bremsen sie nicht mehr, auf kurzen Distanzen spart sie vielleicht sogar Zeit ein.

Ich bin noch nicht so weit, ich denke nicht einmal darüber nach. Für mich heißt „dem Alter entsprechend“ dann eben langsamer als früher und angestrengter. Ein E-Bike hat noch Zeit; das kann ich mir auch in einem anderen Alter noch zulegen.

Im Verborgenen

„Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“
2. Korinther 5, 17

Im Verborgenen passiert viel mehr, als wir sehen: Das ist bei Eisbergen ebenso wie bei einer Roggenpflanze. Die Menge an Substanz „unten der Oberfläche“ entscheidet über die Größe des sichtbaren Eisberges beziehungsweise gewährleistet die Stabilität der Pflanze. Auch von einem Menschen sehen und hören wir am Anfang nur einen kleinen Teil: die äußere Hülle und die schöne Fassade. Erst nach längerer Zeit, wenn wir öfter hingeschaut, gut zugehört und gemeinsam erlebt haben, entdecken wir eines Menschen Stärken, Schwächen, Emotionen und Prägungen – den Kern.

Genau dort spielt sich Gottes Wirken ab – im Verborgenen. Äußerlich ist es vielleicht zunächst kaum sichtbar. Aber wenn ein Mensch Gott in sein Leben einlädt, wird sich etwas verändern: Gott gibt Halt und Orientierung, reinigt die Motivation, stillt die Sehnsucht nach Annahme, schenkt Vergebung und Hoffnung. Diese Veränderungen im Innern bewirken letztlich auch einen nach außen hin wahrnehmbaren Unterschied – in Wort und Tat. Hoffentlich.