Nur ein Fotobuch!

Freitagabend: Der Computer, mit dem ich Fotos zu Kalendern oder Büchern verarbeite, hat eine Datei gelöscht, an der ich viele Stunden gesessen habe. Ich durchsuche den Rechner, die Zwischenablage, den `Zuletzt benutzt-Ordner´. Nichts. Dieses spezielle Fotobuch speist sich aus vielen verschiedenen Quellen: Fotos in meinen eigenen Ordnern, in Mails, Nachrichten, von meinen Töchtern übermittelt … Ich bin einigermaßen verzweifelt – auch wenn das in Besuch auf ein verschwundenes Fotobuch ein sehr starker Begriff ist. Vor mir sehe ich einen großen Berg Arbeit, von dem ich dachte, ihn hinter mir gelassen zu haben. Mir fehlen die Worte: Ich bin gleichzeitig frustriert, wütend, resigniert und erschöpft. Abends betet mein Mann, Gott möge die Datei irgendwie wieder herstellen. Er sagt: „Wir wissen nicht, ob du es tun willst, aber wir glauben, dass du es tun kannst.“ Ich höre in mich hinein – glaube ich das wirklich? Theoretisch sage ich dazu `Amen´; praktisch rechne ich nicht damit.

Am Samstagmorgen ist die Verzweiflung auf ein erträgliches Maß gesunken: Der erste Schritt ist der halbe Weg, das weiß ich schon. Ich werde mich nächste Woche neu an die Arbeit machen. Mein Sohn fällt mir ein: Seine erste Antwort auf ein Computerproblem ist ein Neustart. Ich weiß nicht, was das in diesem Fall bringen soll. Trotzdem probiere ich es aus, warte aber nicht ab, was passiert – heute habe ich anderes zu tun: Nach einem Unkraut-Gang durch den Garten, vor dem Fußballspiel meiner Tochter, während die Wäsche trocknet, gehe ich später am Computer vorbei: Die Datei ist wieder da – als wäre sie nie verschwunden gewesen. Ich fasse es nicht. Welch ein Geschenk, was für ein gnädiger, freundlicher, zugewandter Gott! Es ist nur ein Fotobuch, aber für mich eine sehr barmherzige Antwort auf meine Zweifel!

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