Eine Freundin von mir wird heute 80. Sie ist seit zehn Jahren Witwe und lebt allein. Anlässlich ihres Geburtstages hatte sie zu einem großen Fest eingeladen. Dieses kann aufgrund der derzeitigen Ausnahmesituation nicht stattfinden – schade.
Heute Morgen ging ich zum Gratulieren vorbei und sang ihr ein Geburtstagsständchen. Wir redeten eine halbe Stunde und tranken ein Glas Sekt. Immer wieder klingelte das Telefon, klar: Die meisten können nicht kommen und rufen an – oder schreiben oder wählen digitale Kommunikationswege. Zum Kaffeetrinken wird später ihr Bruder vorbeikommen.
Am Ende des Tages wird das wahrscheinlich alles gewesen sein: viele Anrufe, analoge und digitale Grüße, ein kurzer Besuch von mir und ein Mini-Kaffeetrinken. Verglichen mit dem geplanten „großen Fest“ scheint das eine magere Ausbeute zu sein. Von dem unterschwelligen „Schade-Gedanken“ lässt meine Freundin sich nicht beherrschen: Sie trägt ein schickes Kleid, hat Blumen im Haus, die Sonne scheint, und den ganzen Tag wird sie die Glückwünsche von Menschen hören, die sie mögen. Wer sagt, dass das nicht auch ein wunderbarer Geburtstag sein kann?