Ich habe Kinder, die noch zu Hause wohnen. Ich weiß, dass sie größer werden und selbständiger und ich sie irgendwann ziehen lassen muss. Natürlich wünsche ich mir, dass sie zu lebenstüchtigen Menschen werden. Was auch immer im Leben vor ihnen liegt – wenn sie mich lassen, werde ich Anteil daran nehmen. Was auch immer sie machen werden – ich werde sie lieben, weil ich ihre Mutter bin.
Gern möchte ich meine Töchter und Söhne entlassen in ein selbstbestimmtes Leben. Irgendwann werden sie selbst am besten wissen, wie sie leben möchten, welche Prioritäten und Ansichten sie haben, für welche Überzeugungen sie kämpfen wollen. Sie sollen ihr Leben frei gestalten dürfen. Ich will ihnen nichts vorschreiben.
Ich wollte mir irgendwann auch nichts mehr vorschreiben lassen von meinen Eltern, wollte meine eigenen Entscheidungen treffen, meine eigenen Freunde haben und auf meine Weise Beziehungen pflegen. In manchem habe ich mich bewusst oder unbewusst nach dem gerichtet, was ich von zu Hause kannte; in manchem habe ich mich bewusst oder unbewusst von dem Vorgelebten distanziert.
Weil es mir schwerfällt, mich von Erwartungen anderer zu emanzipieren, ist es mir besonders wichtig, meinen Kinder gegenüber keine konkreten Erwartungen zu formulieren. Was nicht heißt, dass ich nicht doch ziemlich klare Vorstellungen habe, was gut für sie wäre und richtig und schön. Ich formuliere (vor allem auch nonverbal) Maßstäbe: „Jesus liebt dich, Sport ist toll, Bücher sind horizonterweiternd, Musik kann Emotionen freisetzen, Beziehungen zu Menschen sind überhaupt das allerwichtigste und werden am besten so und so gepflegt. Und so weiter und so fort.“ Insgeheim knüpfe ich daran die Erwartung, dass sie diese Dinge ähnlich sehen und handhaben. Die entscheidende Frage ist wohl die: Was passiert mit unserer Beziehung, wenn meine (unausgesprochenen, aber doch konkreten) Erwartungen nicht erfüllt werden? Sind meine Kinder wirklich frei? Dürfen sie anders sein?