Leicht oder schwerwiegend?

„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. … Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre und seien Lichter an der Festes des Himmels, dass sie scheinen auf die Erde. Und es geschah so.“
1. Mose 1, 1+14

Für Gott ist alles leicht. Er spricht nur ein Wort – und das Universum ist da, die Erde mit allen Lebewesen und schließlich der Mensch. Mir ist es egal, ob das eine Woche gedauert hat oder länger – ich glaube, dass Gott genau so handelt: Er spricht und es geschieht.

UY Scuti ist ein sogenannter Roter Überriese – ein sehr großer Stern. Verglichen mit der Erde sind viele Himmelskörper im Universum ziemlich groß. UY Scuti zum Beispiel hat einen Durchmesser von 1,8 Milliarden Kilometern. Ich kann mir diese Entfernung nicht vorstellen, eine Illustration hilft: Man könnte diese Strecke fliegen, zum Beispiel mit einem Düsenjet. Bei einer Geschwindigkeit von 800 Kilometern pro Stunde würde das über 200 Jahre dauern – oder so. Das ist zwar vorstellbar, aber begreifen kann ich es trotzdem kaum. So leicht es Gott auch fallen mag: Das Universum ist über die Maßen beeindruckend.

Viel greifbarer, aber ebenso unfassbar ist für mich die Tatsache, dass Gott Menschen geschaffen hat – als Geschöpfe mit einer Seele. Wir können: nonverbal kommunizieren, Gefühle erleben und ausdrücken, Musik, Literatur und Kunst allgemein bewundern, empathisch reagieren, uns versöhnen, vertrauen, trauern, lachen … All das (und vieles mehr) schuf Gott ebenso mit einem Wort: „Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen … Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und er schuf sie als Mann und Weib.“ (1. Mose 1, 26+27)

Beides fiel Gott leicht; aber ich bin mir sicher, welcher Teil der Schöpfung aus Gottes Sicht schwerer wiegt.

Spott

Spätestens seit Charlie Hebdo wissen wir, dass Pressefreiheit ein hohes Gut ist. Wir sind uns einig, welche Reaktionen inakzeptabel sind als Antwort auf Spott – egal, wie sehr es mich kränkt, wenn jemand über mich lächelt. Ebenso wissen wir seit Charlie Hebdo: Es ist eine Frage vieler (sehr individueller) Faktoren, ob ich etwas als scherzhaften Spott belächle oder als demütigend wahrnehme. Die Spott-Kolumne in unserer Tageszeitung lese ich daher bemüht groß- und gleichmütig – meistens.

Kürzlich drehte es sich in dieser Kolumne um Gott: Eine Frau hatte öffentlich gebetet, dass wir nicht eine Stadt werden, „die Weltmeister im Testen und Impfen ist, sondern eine Stadt, die ihr Vertrauen wieder in dich, den Herrn der Welt setzt“. Spöttisch bemerkte der Autor, dieser Gott sei einer, der sein Volk nach dem Auszug aus Ägypten „auf eine harte, 40-jährige Wanderschaft durch die Wüste … führte“. So stehe es zumindest im Buch Exodus. Ein „hartes Schicksal“ sei das; und genau diesen Gott um Hilfe zu bitten, sei daher „ganz schön absurd“.

Er schreibt noch mehr, dieser Autor, aber ich kann schon über diesen Teil nicht lächeln. In demselben Buch Exodus steht nämlich, dass genau dieser Gott sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten befreite – diese war ein hartes Schicksal. Während der 40 Jahre in der Wüste bewahrte derselbe Gott die Israeliten vor Hunger und Durst. Das ist aus meiner Sicht sehr eindrucksvoll und fürsorglich. Gott wäre nicht Gott, wenn er immer täte, was ich verstehe und mir gefällt. Gott ist Gott, weil er souverän handelt, den Überblick behält – und weil ihm alles möglich ist. Noch dazu ist er barmherzig und voller Liebe. Wenn ich das glaube, kann ich ihm vertrauen.

„Absurd“ ist Gottvertrauen nicht, es ist ein Glaubensschritt, der auch Gläubigen nicht immer gleich leicht fällt. Darüber kann man sich lustig machen, klar. (Das hat der Pharao von Ägypten übrigens auch getan.) Die Israeliten erlebten damals, dass ihr Gottvertrauen tragfähiger war als das Vertrauen der Ägypter in die eigene (sehr menschliche) Überlegenheit. Auch ich entscheide mich in letzter Instanz für Gottvertrauen. Hier und heute unterdrückt mich niemand, wenn ich das tue – ich werde höchstens in der Spott-Kolumne der Tageszeitung dafür belächelt…

Ostern ohne Ostereier

Es ist Ostern, und bei uns findet sich kein einziges buntes Ei: Ich habe die Dekoration dieses Jahr im Keller gelassen und werde die Schoko-Eier meines Lieblings-Schokoladen-Fabrikanten erst nächste Woche kaufen. Dafür habe ich diese Woche viel über „Ostern“ nachgedacht und in der Bibel gelesen:

Jesaja schreibt über Jesus, den Sohn Gottes: „Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.“ (Jesaja 53, 3) SOLCHER Verachtung bin ich noch nie begegnet; ich kann sie mir nicht wirklich vorstellen. Sie ist eine schreckliche Perspektive – und wird auch für Jesus nur annehmbar mit einem Ziel: „Aber er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ (Jesaja 53, 5)

Jesus wusste, was ihn erwartete – verlassen zu werden von Menschen und Gott. Trotzdem entschied er sich freiwillig dafür: „Abba, mein Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir; doch nicht, was ich will, sondern was du willst!“ (Markus 14, 36) Wie leicht wir das lesen – als hätten wir Erfahrung mit „Kelchen“, die jemand „von uns nehmen“ möge: Für uns hieße das, nicht in die „falsche“ Mannschaft gewählt zu werden, auf einem Fest einen anstrengenden Gesprächspartner schnell wieder loszuwerden oder um die Aufgabe herumzukommen, die – nicht umsonst – niemand übernehmen will. Die Wahrheit ist: Wir haben keine Ahnung von Kelchen!

Jesus sagte also Ja – und schon ging es los: Im Moment der Anklage nahmen die Jünger Abstand: „Da verließen ihn alle und flohen.“ (Markus 14, 50)
Bei der Kreuzigung war Jesus vollkommen allein: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.“ (Markus 15, 34b)
Und erst während seines Todes wurde Jesus als der erkannt, der er wirklich war: „Der Hauptmann aber, der dabeistand, ihm gegenüber, und sah, dass er so verschied, sprach: `Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen.´“ (Markus 15, 39b)

Ist damit alles zu Ende? Nein: Jesus blieb weder tot noch im Grab: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden.“ (Lukas 24, 5+6) Deshalb können wir noch heute Jesus nah sein – wenn auch anders als unmittelbar körperlich: „Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht mehr sehen. Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.“ (Johannes 14, 19)

Es ist Ostern, und bei uns findet sich kein einziges buntes Ei. Stattdessen „sehe“ ich Jesus und freue mich darüber, dass er lebt.

Beschwert

Ein Streitgespräch mit meinem Liebsten; neue Vorgaben der Regierung, die meinen lange geplanten Berlin-Ausflug zumindest illegal machen, wenn nicht sogar verhindern werden; Schulaufgaben für meinen Jüngsten, die meine Mitarbeit fordern; das Telefonat mit einer Freundin, deren Covid-19-Angst mich sprachlos zurücklässt … und dann auch noch eine super Idee fürs Mittagessen, die sich nur realisieren lässt, weil wir noch zwei Mal einkaufen gehen.

Nichts läuft heute geschmeidig und unkompliziert, mir ist jegliche Leichtigkeit flöten gegangen. Ich fühle mich beschwert – und das nur, weil ich mehr auf die äußeren Umstände höre als auf Jesu Worte „… und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“. (Matthäus 28, 20b)

Gute Unterbrechungen

„Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!“
Philipper 4, 6

Ein Teil der christlichen Tradition sind Tagzeitengebete. Heutzutage halten sich vor allem Menschen in christlichen Lebensgemeinschaften an diese Form des regelmäßigen Innehaltens: Zu festen Zeiten unterbrechen Ordensschwestern oder Mönche, was sie gerade tun, und beten stattdessen. Die Gebete selbst sind wichtig – und deutlich mehr als eine feste Routine. Denn in diesem festen Rhythmus drückt sich noch etwas anderes aus: Gottes Wirken ist das Entscheidende, nicht das der Menschen.

Wer sich unterbrechen lässt, bekennt: Nicht ich habe die Kontrolle, nicht auf mich kommt es an. In einer Zeit und Gesellschaft, in der manche damit werben, dass „nichts unmöglich“ ist, klingt ein solches Statement mindestens weltfremd, vielleicht sogar überholt. Aber in den entscheidenden Situationen unseres Menschseins merken wir eben doch, dass diese sich unserer Machbarkeit entziehen: Wenn eine Beziehung sich nicht kitten lässt, so sehr wir uns mühen; wenn uns Schwermut überfällt, obwohl wir reich, gesund und abgesichert sind; wenn wir uns einsam fühlen trotz vieler Menschen um uns herum… Wie tröstlich ist es dann, das „EINER dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält“ (wie Rilke sagt). Mit ihm können wir reden, ihn sogar hören und seinen Trost und Frieden erleben.

„Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.“
Philipper 4, 7

Universal and unique

Our God is universal: he created heaven – the whole universe with all its stars and planets – and earth, including the right conditions for life to happen in the first place and everything that lives (plants, people, animals from ants to elephants … ).

And our God deals with us in a unique way: he cares about and responds to my own attitudes, wishes and dreams, sometimes encouraging me through something in such an unbelievably gentle way that it moves me to tears.

Breaking or bending?

I am fifty years old and not the same person I was ten years ago. I was, am and will be changed by experience, by my own conscious efforts or through active decisions. My heart, my attitude towards people, my acceptance of circumstances – all this changes awfully slowly, but change it does.

This change can take place through breaking or bending. Breaking is done to something or someone. It doesn`t take much time and in the end the broken thing or person is destroyed. To bend something or someone, on the other hand, is a time consuming process: Either the material needs to have suitable properties or the person needs to offer their cooperation and consent. In the end, the thing or person that is bent still retains its own essence or personality, and most of its power and ability.

I believe God is the driving force behind everything that happens in my life – chances, motivation and the ability to decide. He knows my strengths and weaknesses and also what needs to change in me to be a loving, patient and compassionate person. Because God loves me, he doesn`t break, he bends – using time, effort, patience and humility. He has more patience and readiness to adapt to my pace on life’s journey than I have myself, and is more than willing to start anew with me, again and again.

It may take much longer, but, given the choice, I`d rather be bent than broken ….

Nicht so einfach

„Nun aber legt alles ab von euch: Zorn, Grimm, Bosheit, Lästerung, schandbare Worte aus eurem Munde; belügt einander nicht; denn ihr habt den alten Menschen mit seinen Werken ausgezogen und den neuen angezogen, der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Ebenbild dessen, der ihn geschaffen hat.“
Kolosser 3, 8-10

Als wenn das so einfach wäre: die schlechten Gewohnheiten „ablegen“. Als wäre der alte Mensch ein Kleidungsstück, das man beliebig ausziehen und wechseln kann. Mir zumindest fällt es schwer, alte Muster nicht mehr zu bedienen:

Zorn und Grimm? Es geht noch immer furchtbar schnell, dass ich mich ärgere und zornig werde – und nicht so schnell vergessen kann.
Bosheit? Ich würde gern sagen, dass ich nicht boshaft bin; aber einigen mächtigen, aber mir höchst unsympathischen Zeitgenossen gönne ich ihr Scheitern allemal.
Lästerung und schandbare Worte? Darin bin ich deutlich freundlicher geworden in den vergangenen Jahren, was aber vielleicht nur an einer bereits einsetzenden Altersmilde liegt. Und in meinem Herzen erhebe ich mich noch immer über Leute, die ich als schwierig empfinde.
Lüge? Ich lüge nicht, das kann ich sagen; aber ich sage auch nicht immer die Wahrheit.

Aber dann geht der Text noch weiter:
„So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und ertragt einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!
Kolosser 3, 12+13

Allgemein und in einer konkreten Situation kann ich mich entscheiden – für oder gegen ein bestimmtes Verhalten. Das funktioniert nur, wenn ich weiß, dass ich geliebt bin von Gott. Dann werde ich anders leben wollen und entscheide mich:
für das Erbarmen – und gegen den Zorn,
für die Freundlichkeit – und gegen die Bosheit,
für Demut, Sanftmut und Geduld – und gegen schandbare Worte,
für die Wahrheit – und gegen die Lüge.

Das ist immer noch nicht so einfach; ich werde es manchmal besser, manchmal schlechter hinbekommen. Aber mit fortwährendem (An-)Probieren werden mir die neuen (Verhaltens-)Kleider besser passen als die alten – und besser stehen.

Gott und die Zeit (2)

„Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.“
Prediger 3, 11

Jeder Moment für sich ist lang oder kurz, intensiv oder unwichtig; die Summe meiner Momente ist begrenzt durch Anfang und Ende. Die Zeit meines Lebens rinnt mir davon oder an mir vorbei – wie auch immer, aber weg ist sie ist nicht: Selbst die Vergangenheit ist in gewisser Weise noch heute präsent. Meine 50 Lebensjahre bis heute sind zwar vorüber, in der Rückschau bleiben es aber doch 50 Jahre – und außerdem „sieht“ man sie an mir: Wirklich vergänglich ist nicht die Zeit, sondern Dinge, Umstände und Personen.

Gott dagegen wirkt unbegrenzt, er selbst ist Anfang und Ende: Er scheint über der Zeit zu stehen und ist in jedem Moment gleich präsent – sei dieser nun vergangen oder (aus unserer Sicht) noch gar nicht geschehen. Etwas davon hat er in unser Herz gelegt: Zumindest ab und zu sehne ich mich nach der Ewigkeit, in der kein „leider verpasst“ oder „muss ich unbedingt noch“ existiert. Ich freue mich darauf, dass persönliche Befindlichkeiten und Sympathien keine Rolle mehr spielen werden – perfekter äußerer und innerer Friede, anstrengungsfrei. Besonders attraktiv, aber kaum vorzustellen: In der Ewigkeit ist jede Gemeinschaft unmittelbar – mit Jesus und mit den Glaubensgeschwistern, deren Lebenszeit mit meiner nicht oder nur teilweise übereinstimmt. In der Ewigkeit sind auch wir nicht mehr von der Zeit begrenzt.

Gott und die Zeit (1)

Wir sind ungeduldig, wenn wir mittendrin stecken in einer „Sache“, um die Gott sich doch bitte kümmern soll – es aber nicht tut. Dann beten wir: „Schöpfer des Himmels, wie viel Zeit lässt du dir noch?“ Andererseits freuen wir uns, wenn und dass Gott unser – manchmal schneckengleiches – Lebenstempo mitgeht. Wie schwerfällig und langsam wir uns auch verändern: Er weicht uns nicht von der Seite – und treibt uns erst recht nicht an. In diesen Momenten sind wir dankbar, dass Gott „alle Zeit der Welt zu haben scheint“ und uns die „Zeit lässt“, die wir brauchen.