„Ab wann ist eigentlich ziviler Ungehorsam angebracht?“, fragt mich jemand. Es ist eine Reaktion auf die in unserem Landkreis verordnete Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr – für die nächsten zwei Wochen. Es sind Osterferien, die jungen Leute schlafen länger und verschieben ihren Rhythmus mehr in Richtung Abend. Meinem Mann gegenüber nenne ich diese Anordnung daher eine Zumutung für die jungen Menschen. „´Zumutung` ist zu scharf“, findet mein Mann, „ich würde sagen, die Lage ist misslich. Aber man kann Jugendlichen für einen begrenzten Zeitraum durchaus zumuten, ihren Rhythmus so anzupassen, dass sie nach 21 Uhr zu Hause sind.“
Ich sehe das anders, denn der normale Alltag junger Menschen hat sich ohnehin schon sehr verändert: Sie treiben seit Monaten kaum Sport, gehen in die Schule mit Abstandsregeln oder gar nicht, verbringen ihre Freizeit allein oder geplant in sehr kleinen Gruppen. Die kommenden Wochen lagen vor ihnen wie eine Perspektive zum Aufatmen: Ferien, hellere Tage, frühlingshafte Temperaturen. Eine WEITERE Einschränkung ist daher ein WEITERER erheblicher Dämpfer. Mit „unbeschwert genießen“ – in schon bestehenden Grenzen – ist durch die neue Regelung gleich wieder Schluss.
Vielleicht trifft weder „Zumutung“ noch „misslich“ genau, wofür ich halte, was eine Ausgangssperre besonders für Jugendliche bedeutet. „Herausfordernd“ klingt zu positiv; „enttäuschend“ schreibt den Behörden zu viel Macht über ihr Lebensgefühl zu. Ist diese Ausgangssperre ärgerlich, frustrierend, nicht nachvollziehbar oder unverhältnismäßig? Ich weiß es nicht. Willkommen ist sie jedenfalls nicht. Wir verlangen jungen Menschen eine Menge Vernunft ab und muten ihnen eine Menge Einschränkungen zu – in einer Lebensphase, in der sie normalerweise unvernünftig sind und Grenzen zumindest hinterfragen oder sogar ignorieren. Was das langfristig mit ihnen macht, werden wir später sehen. „Misslich“ sind Ausgangssperren in jedem Fall, für manchen vielleicht eine „Zumutung“. Es bleibt Ansichtssache, welches Wort es am besten trifft.