Meine Story des Tages

In unserer Tageszeitung steht ein langer Artikel; er gefällt mir. Es geht darum, dass die beiden Vorreiter-Länder der digitalen Schule, Schweden und Dänemark, inzwischen längst zurückrudern und wieder auf Bücher und Papier setzen. Das freut mich sehr: auch, dass es bei uns in der Zeitung steht.

Was wurden und werden wir belächelt als die ewig Gestrigen – die Spaßbremsen! – weil wir unseren Kindern erst spät ein Handy erlaubt haben und Wert auf altmodisches Zeug legten und legen: Bücher lesen und eine ordentliche Handschrift zum Beispiel. Unsere Skepsis sei unpopulär und unvernünftig, hieß es immer wieder, die digitale Technik komme sowieso („später tippen sie alle“) und lasse sich nicht aufhalten. Als wäre das ein hinreichendes Argument dafür, das Unaufhaltsame dann auch noch gutzuheißen und jeden Trend kritiklos mitzumachen, anstatt sich selbst eine Meinung zu erlauben!

In dieser `story des Tages´ wird die Bewertung der nationalen Digitalisierungsstrategie in Schweden erwähnt. In ihr heißt es unter anderem: „Je mehr Computer es in den Schulen gibt und je öfter sie eingesetzt werden, desto schlechter.“ Der Bildungsminister Dänemarks hat sich sogar entschuldigt bei einer `Generation digitaler Versuchskaninchen´. Sicherlich gibt es andere Experten und Studien, die das Gegenteil behaupten. Diese müssen herhalten als Begründung für die digitale Aufrüstung an deutschen Schulen – weil wir ja `so hinterherhinken´ in dem Bereich.

Ich aber bewundere die ehrliche (und mutige) Kehrtwende der Skandinavier, die erkennen: „Wir brauchen eine gute Balance zwischen digitalen und analogen Medien.“ Sie ist mir lieber als die anhaltende Glorifizierung der Digitalisierung als DAS Allheilmittel für eine erfolgreiche Ausbildung unserer Kinder. Generationen vor uns waren nicht weniger schlau als wir, nur weil sie mit Buch, Stift und Papier zur Schule gingen. Auch ihretwegen tummelt sich so viel gesammeltes Wissen: ja, auch im Internet. Es lässt sich nicht vererben, sondern nur erwerben – und dafür müssen Menschen noch selber denken und sich Fähigkeiten aneignen, oft mühevoll.

Es war einmal … 

Meine Mutter schickt mir einen Gruß mit der Post. In den Umschlag legt sie ein unbeschriebenes Kärtchen – vorn beklebt mit gepressten Pflanzen. Ich denke sofort an meinen Biologie-Unterricht während der Schulzeit. Herbarien waren weder meine erste Gabe noch meine größte Leidenschaft. Meist war ich zu ungeduldig und nicht gründlich genug: Die kleinen Stengelchen zerbrachen und die Blütenblätter sahen eher zerquetscht aus als schön gepresst, manchmal leicht angeschimmelt. Bei der Karte meiner Mutter bröselt und schimmelt nichts; ich sehe auch keine Klebstoffspuren. Sie ist eindeutig handgemacht, total einzigartig, ein bisschen unvollkommen – wie aus der Zeit gefallen. Mal sehen, wem ich damit eine Freude machen kann.

Kräftemessen

Wir könnten darüber lachen – wenn es nicht auch ein bisschen lästig wäre: Das Wasser in unserem Keller verhält sich wie das Grundwasser unter unserem Grundstück. Regnet es viel und steigt das Grundwasser, dann bekommen wir im Keller nasse Füße. Wenn das Grundwasser sinkt, pumpen wir den Keller aus und freuen uns über trocknende Böden und Wände. Zwei Tage später regnet es wieder genug, um das Grundwasser über die Keller-Ufer treten zu lassen – und das Spiel geht von vorn los. Gummistiefel sind noch immer das wichtigste Utensil im Haus, wenn wir zum Beispiel die Waschmaschine bedienen oder Eis aus dem Tiefkühlschrank holen wollen. Auch das Fahrradflicken findet im Keller statt, meine Laufsachen lagern dort – und einiges mehr.

Natürlich sind zehn Zentimeter Wasser im Keller nicht wirklich problematisch. Wir freuen uns trotzdem jedes Mal, wenn es danach aussieht, als hätten wir wieder trockenen Boden unter den Füßen. Leider waren unsere Bemühungen bisher immer nur kurz von Erfolg gekrönt; langfristig plätschert das Grundwasser ohne Anstrengung am längeren Hebel: Ein paar Regentage bringen unsere Bodenplatte immer wieder zum Schwimmen. Das Kräftemessen mit den Urgewalten der Natur können wir niemals für uns entscheiden – so oft wir uns auch vorgaukeln, wir hätten die Situation im Griff. 

Selten haltbar

Freundschaften sind einem Wandel unterworfen: Die wenigsten bleiben für ein ganzes Leben gleich intensiv. Ich schätze mich glücklich, ein, zwei, drei Freunde aus Schulzeiten zu haben: Diese Beziehungen kann nichts erschüttern, auch wenn man sich monate- oder manchmal einige Jahre lang nicht sieht. In den vergangenen Jahrzehnten fühlte ich mich einigen anderen Menschen auch sehr nahe – aber meist nur phasenweise.

Später im Leben geschlossene Freundschaften scheinen nur in Ausnahmefällen lange haltbar zu sein. Ohne mir ersichtlichen Grund trennen sich die Wege wieder: Die Kinder sind nicht kompatibel; in die vollen Terminkalender passen irgendwann nicht mehr genug Treffen; das, was anfangs bereichernd wirkte, wird mehr und mehr anstrengend; auch innerhalb desselben Wohnortes gilt manchmal `aus den Augen, aus dem Sinn´ – was auch immer. Freunde kommen und gehen. Wir haben Glück: Eine relativ junge Freundschaft (nur 20 Jahre alt) hält doch, auch wenn Ortswechsel persönliche Begegnungen erschweren. Sie hat schon ein paar unterschiedliche Lebensphasen überdauert. Die Beziehung verändert sich, ja, aber sie ist noch da.

Ein Fest: klar und leicht

Ein Freund lädt uns zu seinem Geburtstag ein. Was er sich wünscht, will ich wissen. Die Antwort kommt prompt: Gar nichts, er habe alles und wolle auch nicht wieder ein Buch bekommen – was er lesen möchte, kaufe er sich selbst. Er würde sich freuen, wenn wir kämen: Die seit einigen Jahren gleiche Gästeliste habe sich ebenso bewährt wie der gekaufte Kuchen, den er uns kredenzen werde.

Ich finde diese Klarheit wunderbar: Er weiß, was ihm gefällt, und macht sich und uns das Zusammensein leicht.

Ehrlich gesagt – psst!

„Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist“ soll Henry Ford gesagt haben. Der Satz klingt irgendwie gut und schick und motivierend und was sonst noch, denn: Wer will sich nicht weiterentwickeln, dazulernen, körperlich und geistig agil bleiben und so weiter? Ich weiß inzwischen, dass meine eigene Fähigkeit und Motivation, immer nach vorn zu denken, begrenzt ist. Es gibt Dinge, die kann und will ich zur Zeit nicht lernen: Chinesisch zum Beispiel, Handtaschen verkaufen oder Steuerberatung. Möglicherweise werde ich das in Zukunft irgendwann noch einmal anders sehen – wer weiß, wozu ich eine der drei Fähigkeiten noch einmal benötigen werde. Momentan jedoch fehlt mir für diese und ein paar andere Dinge die Motivation (etwas lernen wollen) und damit genau das, was fürs Lernen-Können unabdingbar ist.

Wie schön sich der zitierte Satz auch als Lebensmotto eignen würde, wie sehr ich diejenigen insgeheim bewundere, die ihn sich als Wandtattoo ins Wohnzimmer kleben: Wenn ich ganz ehrlich bin (und fast schäme ich mich dafür), trifft er auf mich wohl eher nicht zu. In vielerlei Hinsicht bin ich ganz zufrieden mit meinem Status quo – was nicht heißt, dass ich mich gar nicht weiterentwickeln möchte. Aber dieses Wollen hat eben Grenzen, hatte es schon immer: Ich beschäftige mich seit vielen Jahren (mehr oder weniger bewusst) hauptsächlich mit dem, was mich ohnehin interessiert. Kurze Ausflüge in andere Welten (Spanisch und Französisch, Inline-Skaten, Reiten, Kraulschwimmen …) blieben genau das: kurze Ausflüge, ohne langfristigen Erfolg. Mir fehlten Zeit und Vermögen, Geduld und letztlich die Ausdauer, mich diesen Dingen zu widmen. Zu sehr war ich damit beschäftigt, mich in das zu investieren, was mir am Herzen lag und wozu ich mich berufen fühlte: Dadurch bin ich wahrscheinlich noch immer die, die ich schon immer war – allerdings in weiterentwickelter Form … 

Schöner Hingucker

Auf meinem Fensterbrett steht eine Orchidee, momentan blüht sie. Ich besitze dieses Exemplar seit fast zwei Jahren – ein Geschenk meiner Kinder, den Anlass habe ich vergessen. Noch immer weiß ich kaum etwas über Orchideenpflege, nur so viel, dass sie keine `nassen Füße´ bekommen sollten. Daran halte ich mich und ernte beeindruckende Blüten, die ich sehr bewusst wahrnehme: Auf meinem Fensterbrett blüht nichts anderes, einmal die Woche wässere ich die Pflanze. Jedes Mal freue ich mich und denke dankbar an meine Kinder – besonders auch an die, die mittlerweile woanders wohnen.

Wiedersehen

Ich stehe auf dem Parkplatz am Bahnhof, um einen meiner Söhne abzuholen: Semesterferien. Während ich auf ihn warte, beobachte ich die Begegnungen anderer: Ein etwa 25-Jähriger schlendert aus dem Bahnhofsgebäude und geht schnurstracks auf einen Mann in meinem Alter zu. Beide lächeln breit, umarmen sich herzlich (und ausgiebig) und beginnen sofort munter zu erzählen. Ein anderer Mann holt offenbar seine Frau ab; er drückt ihr einen Kuss auf den Mund und wuchtet ihren Koffer ins Auto.

Die Wiedersehensfreude der anderen steigert meine Vorfreude – eine ebensolche Begegnung werde ich auch gleich erleben. Ich freu mich schon so!

Wortreich

Die Inhaberin eines Geschäftes bedient mich und macht dabei viele Worte: wie viel Wert sie auf gute Qualität lege, welche Leistungen sie bald zusätzlich im Angebot habe und was bei ihr dann noch alles möglich sein werde. „Guter Service ist mir sehr wichtig“, sagt sie zum Abschluss.

Die Frau hat mich gut bedient, ja, und war betont freundlich. Trotzdem bin ich in dem Laden nicht so gern: Mir sind die Menschen lieber, die guten Service anbieten, ohne darüber zu reden.  

Das Wissen, meine Meinung

Es scheint zum guten Ton zu gehören, immerzu und über alles Mögliche informiert zu sein: Dazu lesen wir Zeitung (auf Papier oder im Internet), hören Radio und schauen Nachrichten im Fernsehen. Manche gönnen sich nicht einmal im Urlaub eine Pause davon. Am Ende jedes Tages meinen wir, eine Menge zu wissen – und bilden uns eine Meinung. Aber jemand mit genau denselben Informationen kann komplett andere Schlüsse ziehen! Grund ist der sehr subjektive Bezugsrahmen jedes Menschen, das eigene Wertesystem, in das wir alle Informationen einpassen – vor allem unbewusst.

Am regelmäßigsten lese ich in der Bibel: investiere also in meine Werte. Hinsichtlich der weltweiten Nachrichten informiere ich mich dagegen vergleichsweise mäßig und erlaube mir trotzdem meine ganz persönliche Einstellung. Ich schätze, auch ein Mehr an Wissen sorgt nicht notwendigerweise für mehr Objektivität – und schon gar nicht für mehr Lebensschläue. Denn wie heißt es so schön? Wissen schützt vor Torheit nicht!