Was noch?

Was ein einfaches Lied noch kann? Es verhilft mir manchmal zu einem unverhofften, rein emotionalen Ausflug in eine andere Lebensphase – wenn auch nur für drei oder vier intensive Minuten.

Einfach super

„All I have to offer is a simple song …“, heißt es in einem Lied: Alles, was ich anzubieten habe, ist ein einfaches Lied. Das klingt, als wäre es nicht viel; aber für mich ist ein einfaches Lied manchmal einfach super: Es hebt meine Stimmung, spricht mir aus der Seele, lenkt mich ab, bringt mich in Bewegung, inspiriert meine Gedanken, verändert meinen Fokus …

Man kann nicht alles haben!

Ich stehe an der Ampel bei uns an der Kreuzung. Nur für Autos schaltet diese automatisch auf Grün: Fußgänger und Radfahrer müssen drücken, um regelkonform die Straße überqueren zu können. Dadurch kommt man hier öfter ins Gespräch mit wartenden Leidensgenossen. „Mensch, ist das kalt!“, ruft mir eine Frau zu. Ich persönlich friere nicht und relativiere: „Wenn man sich bewegt“, ich zeige auf unsere Räder, „ist es ganz in Ordnung.“ Sie zuckt mit den Schultern. Als die Ampel grün wird, fährt sie langsam los und wird dann zusehends blitzeschnell – mit elektronischer Unterstützung geht das wie von selbst. Klar, denke ich, wenn ich nur noch mit halber Kraft strampeln müsste, wäre mir vielleicht auch kalt. Man muss sich entscheiden – schnell oder von innen durchgewärmt: Alles kann man nur selten haben.

Vom Grüßen

In manchen Geschäften in der Innenstadt ist die verbale Nähe zum Kunden offenbar oberstes Gebot: Egal, dass die Verkäuferinnen meine Töchter sein könnten – ich werde geduzt. Manchmal frage ich mich, ob dieselben jungen Frauen auch in anderem Kontext alternativlos zum DU greifen würden: Wie begrüßen sie solch mittelalte Damen wie mich auf der Straße oder an deren Arbeitsplatz – in der Arztpraxis, im Rathaus, an der Supermarkt-Kasse, beim Elternabend …? Ich mag altmodisch sein, aber für mich gilt noch immer: Wenn ich jemanden nicht überall duzen würde, sollte ich es auch nicht bei einem potentiellen Verkaufsgespräch tun. Firmenphilosphie hin oder her – schließlich sehen Kundin und Verkäuferin sich gerade zum ersten oder maximal zweiten Mal.

Auf der anderen Seite wohnen Leute in meiner näheren Siedlung, denen ich fast täglich beim Spaziergang zuwinke oder zunicke. Wenn sie mich im Supermarkt nicht zu registrieren scheinen, bin ich verwirrt: Empfinde nur ich es als höflich, sich zu grüßen, wenn man sich schon x-mal gesehen hat?

Parallel-Wirklichkeit

Hausärzte warnen davor, dass zu viel Maskentragen letztlich das Immunsystem zu sehr schont – und Erkältungsinfekte leichtes Spiel haben. Schon im Sommer beobachteten sie außergewöhnlich viele Infekte und prognostizierten eine starke Influenza-Welle im Herbst.

Überhaupt ist der Nutzen von Masken im öffentlichen Raum laut Maßnahmen-Evaluation letztlich nicht zu bewerten. Ihre negativen Auswirkungen jedoch, beispielsweise auf das soziale Miteinander und den Spracherwerb bei Kindern, sind mittlerweile vielen bekannt. Dennoch sind Zugfahrten ohne Maske weiterhin nicht möglich; einige Menschen wünschen sich für Herbst und Winter lautstark eine Maskenpflicht an Schulen.

Verantwortliche in Krankenhäusern bemängeln, dass Mitarbeiter wegen der Isolationsregeln nicht arbeiten gehen können – und nicht, weil sie tatsächlich an Covid-19 erkrankt sind.

Die geschätzte Durchseuchung mit dem Corona-Virus in Deutschland liegt bei über 95 Prozent.

Ein Chefarzt benennt die Auswirkungen der Pandemie-Maßnahmen als `chronifizierte Angstpsychose´ innerhalb der Bevölkerung. Inzwischen ist selbst dem letzten Arzt und Virologen klar, dass JEDER Corona bekommen wird und muss; trotzdem sagen Leute: „Ich will Corona nicht haben!“

Und was kommt aus dem Gesundheitsministerium? Intoleranz gegenüber kritischen Stimmen, Ignoranz hinsichtlich der besorgniserregenden Nebenwirkungen von Maßnahmen, fortwährende Panikmache durch gezielten Alarmismus – wie zum Beispiel die Warnung vor `hunderten Toten´ am Tag und einer `katastrophalen Herbstwelle´. 

Ich frage mich, in welcher Parallel-Wirklichkeit sich manche Politiker eigentlich dauerhaft aufhalten (wollen).

Inflation, ganz konkret

Manchmal `koche ich indisch´ – das heißt, ich würze unser Essen mit indischen Gewürzen. Wenn mir etwas ausgeht, kaufe ich es neu: Heute ist es Cumin. Im Supermarkt bezahle ich 3,99 Euro für 50g. Auf dem Glas, in dem ich mein Cumin aufbewahre, klebt ein altes Schild: Cumin – 80g, 2,95 DM. Früher bekam ich mehr von einer Sache, und zwar für eine geringere Menge Geld in einer Währung, die weniger wert war als die heutige: Das ist Inflation, die ich – buchstäblich – begreifen kann.

Ursache und Wirkung

Die Sonne scheint, es ist frisch, aber nicht eisig. Meine Tochter muss zur Kontrolle einer OP-Wunde zum Zahnarzt; es geht ihr schon wieder ganz gut. Sie fragt, ob sie das Auto nehmen kann. Als ICH verneine, ist SIE verärgert – logisch. Als SIE mit den Türen knallt, habe ICH ein schlechtes Gewissen – komisch.

Meine Blase

Solange wir in unserer eigenen Blase unterwegs sind, kommen wir uns ziemlich allwissend vor. Sobald ich mit jemandem rede, der einer anderen Blase angehört, merke ich, wie wenig Durchblick ich wirklich habe. Dann wird mir klar: Mein Wissen ist Stückwerk. Das geht vermutlich JEDEM so, der ehrlich genug ist und bereit, auch mal in `die Mokkassins eines anderen zu schlüpfen´.

Ein Gespräch mit meiner Freundin der Bäuerin reicht, um mich über den Tellerrand schauen zu lassen – auf den Unterbau unseres Wohlstandes. Zum Beispiel sind Landwirte grundlegend am Überleben einer Gesellschaft beteiligt: Zusammen mit einigen anderen (Industrie, Zulieferbetriebe, Kraftstoffproduzenten usw.) bilden sie den Teil des Eisberges, der nahezu unsichtbar unter Wasser liegt. Gemeinsam halten sie die Spitze über der Oberfläche: Verwaltung, Kultur, Endverbraucher usw. Deutlich mehr Geld für Strom, eventuell sogar ein längerer Blackout? Dieses Szenario bedeutet eben nicht nur, dass am Ende des Monats weniger Geld übrig ist oder ich einen weiteren Pulli überstreifen muss. Die Kreise, die erhöhte Energiekosten ziehen, sind umso größer und folgenschwerer, desto systemrelevanter ein Bereich ist.

Politiker müssen diese komplexen Zusammenhänge im Blick haben und dementsprechend agieren. Dazu sollten sie auf Ratgeber mit verschiedenen Perspektiven hören oder sich selbst die Herausforderungen und Bedürfnisse der Menschen anhören. Es kostet Zeit, in `die Mokassins eines anderen zu schlüpfen´; wahrscheinlich ist es auch unbequem. Aber nur dann erkennt man, dass es neben der eigenen Blase noch viele andere gibt – wahrhaft horizonterweiternd.

Eine Klima-Diskussion

Wir reden über die an Klimaschutz interessierten jungen Menschen und (unter anderem) ihre Fridays for Future-Demonstrationen. Ich vermute, dass diese vielleicht auch deswegen so gut besucht waren, weil sie Freitag vormittags stattfanden. Als Gegenprogramm zur Schule hatten sie per se einen gewissen Reiz – unabhängig vom Demonstrationsanliegen. Mein Gegenüber ist den jungen Menschen gegenüber deutlich wohlwollender eingestellt als ich: Ohne deren radikale Forderungen wäre die notwendige Änderung der Klimapolitik bis heute nicht auf der Agenda, schätzt er.

Wir sind uns einig: Die Schäden fürs Klima verursachen wir vor allem durch unseren energieintensiven Lebensstil, wie es so schön heißt. Der hat sich in den letzten 30, 40 Jahren enorm verschoben: Wir nutzen viel mehr technische Geräte, wohnen großzügig, unternehmen (mehr oder weniger) häufig Flugreisen und sind überhaupt sehr mobil. Dazu kommt eine Menge Müll in Form von Einweg-Flaschen beziehungsweise -Tüten oder -Verpackung. Außerdem ist es leider oft leichter und manchmal auch günstiger, etwas neu zu machen, als Altes weiter zu nutzen. Bei vielem davon sind gerade junge Menschen von heute ganz vorn mit dabei. Ihre Wortwahl gegenüber den Älteren, die `ihnen das Klima kaputtgemacht haben´ empfinde ich daher manchmal als sehr anmaßend: Wer im Glashaus sitzt, sollte vorsichtig mit Steinen werfen. Mein Gesprächspartner scheint meine engagierten Ausführungen zu belächeln.

Ich gebe zu bedenken, dass alternative Energien allein das Problem nicht in den Griff bekommen werden; wir alle müssen umdenken, was unsere Ansprüche angeht. Wären die Standards noch so wie vor 30 Jahren, ständen wir heute anders da. Als ich bezweifle, dass junge Menschen gern so leben würden wie wir vor 30 Jahren, bemerkt mein Gegenüber: „Keiner will mehr so leben wie vor 30 Jahren“. `Das ist genau das Problem´, denke ich.

Das gibt’s doch nicht?

Einmal im Jahr treffe ich in Berlin zwei alte Schulfreunde für ein gemeinsames Wochenende und ein bisschen Kultur. Wir reden viel, essen gut und schlafen wenig. Dieses Jahr gehen wir zum Auftakt ins Theater – in Potsdam. Das Stück ist nicht überwältigend, aber auch nicht schlecht. Weil meine Gastgeber eine der Schauspielerinnen kennen, bleiben wir nach der Vorstellung kurz da. In der Schlange zur Getränke-Theke stehen wir hinter einem Pärchen. Der Mann ist mir – von hinten – merkwürdig vertraut. Ich tippe ihm auf die Schulter; er dreht sich erstaunt um und fängt an zu lächeln: Vor 30 Jahren bewohnte ich ein Jahr lang ein Zimmer in seiner Wohnung am Friedrichshain. Trotz der vergangenen Jahrzehnte erkennen wir uns sofort. Ein Zufall oder ein glücklicher Umstand? `Das gibt’s doch nicht!´ gibt’s eben doch. Auf jeden Fall habe ich jetzt seine Telefonnummer. Selbst wenn (wahrscheinlich) kein längerfristiger Kontakt daraus entsteht: Es war für mich die Sahnehaube auf dem Theaterbesuch, ihn wiederzusehen.