Rückmeldung

Menschen begegnen uns nicht immer so, wie wir es uns wünschen. Wahrscheinlich passiert das jedem – nur gehen wir sehr unterschiedlich damit um. Mich verunsichert es zum Beispiel schnell, wenn meine wie auch immer geäußerte Meinung ohne Rückmeldung bleibt. Dann frage ich mich, ob ich zu konfrontativ war oder meine Meinung überhaupt interessiert. Leicht rechne ich dann mit einer ablehnenden Reaktion – sie würde mich jedenfalls nicht wundern; eine positive sorgt dagegen für Erleichterung.

„Woher kommen diese Selbstzweifel?“, frage ich mich. Wieso rechne ich bei Schweigen eher mit einer Ablehnung als damit, dass Menschen grundsätzlich nicht schnell oder gar nicht reagieren? Ich selbst antworte fast immer und meist sehr zeitnah. Es rührt eventuell daher, dass ich in einer Welt aufgewachsen bin, in der es persönlichen Kontakt gab und Briefe. Nur wenige hatten dazu noch ein Telefon – und wenn doch, dann ohne Display oder Anrufbeantworter. Absprachen erfolgten zum Großteil direkt und beruhten auf einem Hin UND Her. Anders waren Beziehungen schwer aufrechtzuerhalten.

Heute kann ich mich vom heimischen Sofa aus über irgendein Kommunikationsmedium irgendwann bei irgendjemandem melden – eventuell sogar gleichzeitig bei mehreren Personen. Dass nicht jeder gleich oder überhaupt darauf reagiert, mag den meisten Menschen egal sein. Mir nicht!

Zuckerfrei

Derzeit fordert sich eine unserer Töchter wöchentlich heraus: vegan leben, jeden Tag eine Predigt hören, täglich 20 Dinge aufschreiben, für die sie dankbar ist… Diese Woche war – bis Sonntagabend – „zuckerfrei leben“ geplant. Ich entschloss mich, mitzumachen. Schließlich weiß auch ich von Menschen, die sich langfristig zuckerfrei ernähren, toll aussehen, sich super fühlen – und zumindest äußerlich scheinbar nicht altern! Wenig Zucker esse ich schon, eine Woche ganz ohne könnte der Beginn eines neuen Lebens sein.

Mein Frühstück am Montagmorgen fand ohne meine Lieblingsmarmelade statt. Sie ist zwar nur mit Agavendicksaft gesüßt, aber wenn schon, denn schon. Einige Stunden später stand meine Tochter auf und verkündete: „Ich mach` das mit dem „zuckerfrei“ erst nächste Woche.“ – „Ich nicht“, dachte ich, „den ersten Schritt habe ich gemacht, die erste Mahlzeit geschafft: Ich bin schon mittendrin – für mich gibt es kein Zurück. Ich zieh das jetzt durch.“

Fast vier Tage später bin ich froh, dass die Herausforderung nur eine Woche dauert: Heute gab`s Oster-Artikel um 70 Prozent reduziert zu kaufen – meine Lieblingsschokolade und das beste Marzipan Deutschlands. Langfristig wird das bei mir nichts ganz ohne Zucker: Ich freu` mich auf Montag.

So macht man das!

Wir leben in einem freien Land. Unsere Freiheit ist uns wichtig und die der anderen auch. Das Schlüsselwort heißt tolerant, aber sind wir das wirklich? Es existieren viele Regeln für unser Zusammenleben, denn ohne geht es nicht – im Straßenverkehr, im Einkaufsladen, in Beziehungen. Vor allem der ungeschriebenen Grundsätze sind wir uns nicht immer bewusst; trotzdem halten wir uns normalerweise an sie: Wir gehen nicht nackt auf die Straße; wir entschuldigen uns, wenn wir jemandem über den Haufen rennen; wir antworten auf Fragen und stellen uns an der Kasse hinten an. Wir bezahlen, ohne zu feilschen; wir verstehen unter Pünktlichkeit einen Korridor von plus/minus 15 Minuten (oder weniger); wir essen keine Hunde oder Katzen und räumen im Bus unseren Platz für ältere Mitbürger. Und so weiter und so fort.

In vielen „großen“ Fragen gibt es in jeder Kultur einen mehr oder weniger klaren Kanon von „So macht man das.“ In Details kommt zusätzlich zu unserem deutschen Erbe noch unsere Familienprägung zum Tragen: Ironie gehört nicht überall zur besten Art, Witze zu machen. „Verschwiegen“ lässt sich unterschiedlich interpretieren und Kommunikationsstrukturen variieren: Sie reichen zum Beispiel von „Ich lasse den anderen in Ruhe ausreden und rede dann erst“, bis hin zu: „Wenn du dir deine Redezeit nicht selbst erkämpfst, kommst du nicht zu Wort.“

Wie wir persönlich gestrickt sind, können wir manchmal kaum richtig benennen. Es wird uns vor allem dann klarer, wenn wir Menschen treffen, deren persönliche Vorstellungen von „So mache ich das!“ zu weit von unseren abweichen. Bin ich höchstens erstaunt und finde es interessant, wenn eine Freundin persönliche Dinge von mir publik macht? Oder bedeutet ein solches Verhalten mindestens das Ende jedes weiteren vertraulichen Gespräches oder sogar das Ende unserer Freundschaft?

Mit vielen Unterschiedlichkeiten können wir leben, glaube ich. Vielleicht denken wir das aber auch nur. Vielleicht ist in Wirklichkeit unsere Zündschnur sehr kurz, wenn jemand unsere persönliche Grenze überschreitet – weil uns erst genau in diesem Moment klar wird, dass wir sie haben. Bestenfalls schießt uns dann ein: „So macht man das – was machst du denn und wie?“, durch den Kopf. Schlimmstenfalls denken wir nicht nur ziemlich intolerant, sondern verhalten uns auch so.

Heute

Heute Morgen fand ich auf unserer Terrasse einen Blumenstrauß, ein Fläschchen Löwenzahn-Sirup und einen langen Brief an mich. Eine Freundin hatte sich offenbar schon sehr früh auf den Weg gemacht, mir einen Gruß vorbeizubringen. Wie schön!

Heute Nachmittag war ich bei einer anderen Freundin zum Reden und Beten. Zum Abschluss legte sie mir ein warmes Körnerkissen auf meine Schultern, stellte mir eine aufgeschnittene Mango vor die Nase und sagte: „Dagmar, die isst du hier! Wenn ich sie dir mitgebe…“, und ich ergänzte, „… darf ich sie teilen.“ Ich weiß nicht, ob ich in meinem Leben schon einmal eine Mango ganz allein gegessen habe, noch dazu so eine leckere.

Heute Abend sprang mir die Kette vom Rad. Während ich mich vornüber beugte und mit einem stillen Seufzer die (natürlich frisch geölte) Kette wieder aufzog, liefen zwei schwarzbeschuhte Füße in mein Blickfeld. Abstands-, anstandslos und im Grunde wortlos griff ein freundlicher Spaziergänger – Sorte: älterer Herr mit Hund – zu, hob das Hinterrad an und belastete im richtigen Moment langsam die Pedale: Kette wieder drauf.

Heute war ein Tag wie jeder andere: Ich machte Essen, ging ein Brot holen, kümmerte mich um die Wäsche, half bei den Schulaufgaben …
Dazwischen gab es drei Geschenke nur für mich.

Heute war ein besonderer Tag!

Unseriös

Ein Freund von mir erhielt vor kurzem die (Rund-)Mail eines Arztes, bei dem er schon einmal war. Freundlich bezog dieser sich auf die besondere Situation derzeit und vermittelte eine gewisse Sorge um seine Patienten: „Wie kommen Sie am besten durch diese Zeit?“ Glücklicherweise hatte der Arzt selbst eine gute Antwort. Zusätzlich zu all den guten, bereits laufenden Maßnahmen sei der Schlüssel ein gutes Immunsystem. Dieses stärke man am besten mit Bewegung an der frischen Luft, einer gesunden Ernährung – und durch die Zufuhr wichtiger Vitamine und Mineralien, stand da. Falls der Patient nicht weiß, welche das sind und wie man sie richtig dosiert: Der Arzt hatte – ganz praktisch – ein Bestellformular angehängt, inklusive der Preisliste.

Auf den ersten Blick klingt alles wunderbar, hilfreich und besorgt, oder? Auf den zweiten klingt die Mail für mich vor allem unseriös, vielleicht sogar unverschämt. Wahrscheinlich würde ich den Arzt wechseln … 

Männer – durchschaut

Einer meiner Söhne sagte gestern: „Es gibt zwei Tage, an denen mehr Männer als Frauen in der Stadt sind.“ Ich schaute ihn ratlos an. Seine Antwort:

Der letzte Tag vor Heiligabend, an dem man noch Geschenke besorgen kann. Der erste Tag nach der Corona-Pause, an dem die Friseure wieder öffnen.

Wieso er das wohl weiß?

So lustig?

Wahrscheinlich sind wir uns alle einig, dass ein Mundschutz nicht uns selbst, sondern nur die anderen schützt – vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus. Ebenso wahrscheinlich ist, dass die meisten von uns noch nicht infiziert sind und den Mundschutz also entweder umsonst tragen oder hoffen, dass er doch auch gegen eine eigene Ansteckung hilft. Wie dem auch sei: Wir alle tragen einen Mundschutz oder eine andere Barriere im Gesicht.

Das stört den einen mehr, den anderen weniger – aus den unterschiedlichsten Gründen: Heute Morgen sah ich vor einem Supermarkt einen Mann mit Mundschutz. Er hatte seinen Einkauf offenbar beendet und wollte sich – wie wohl sonst auch – einen Zigarillo anzünden. In der Hand hielt er diesen schon und zögerte kurz. Wohin damit? Nach einer kurzen Irritation entfernte er den Mundschutz, konnte den Zigarillo anzünden und – offensichtlich zufrieden und erleichtert – tief einatmen.

Ich fand das lustig, obwohl es gar nicht zum Lachen ist: Du trägst (ausnahmsweise) eine Barriere gegen ein ungewohntes Virus, das die Lunge schädigt. Erst wenn du es entfernst, kannst du (wie immer) barrierefrei dein gewohntes Nikotin inhalieren, das die Lunge schädigt. An diesen Wechsel muss sich der Gewohnheits-Raucher erst gewöhnen.

Gut gemacht reicht nicht immer

Es ist lange her, dass ich lineare Gleichungssysteme auflösen oder berechnen musste. Damals konnte ich es, aber in den Jahren seither habe ich viel vergessen – bis heute: In Zeiten von Online-Unterricht haben Lehrer interessante Ideen, neuen Unterrichtsstoff einzuführen und komplizierte Sachverhalte zu vermitteln. Ein Mathe-Lehrer meiner Tochter zum Beispiel stellte ein selbst aufgenommenes Erklär-Video ins Netz – ansprechend, übersichtlich und gut gemacht.

Nach zweimal Anschauen weiß ich wieder, dass es für lineare Gleichungen eine graphische und mehrere rechnerische Lösungen gibt. Auch den graphikfähigen Taschenrechner könnte man in Not-Fällen benutzen – eine Variante, die mir in meiner Jugend nicht zur Verfügung stand. Dennoch hat das Video einen Haken: Meine Tochter mag Mathe nicht besonders, gibt sich wenig Mühe und „weiß“ schon vor den Erklärungen, dass sie sowieso nichts verstehen wird. Da hilft die beste Methode nix; diese Hürde kann der Lehrer auch mit einem noch so anschaulichen Video nicht aus dem Weg räumen. Anlauf nehmen und springen muss das Kind schon selbst – und das macht sie viel lieber mit einem Pferd unterm Po …