Schnell unterwegs?

Vorgestern war ich laufen, ziemlich früh, weil es im Laufe des Tages heiß werden sollte. Ich war schnell unterwegs – allerdings sicher nicht anders schnell als sonst auch. Sonst habe ich manchmal meinen Mann an der Seite. Er kann nichts dafür, aber neben ihm komme ich mir langsam vor. Seine Beine sind länger, seine Schritte weiter, sein Atmen ruhiger. Meist liegt er eine halbe Armlänge vor mir. Er tut das nicht, um mich zu ärgern – keineswegs. Aber all das hinterlässt bei mir den Eindruck, langsam zu sein. Ich laufe trotzdem gern mit meinem Mann, aber vorgestern war´s ohne ihn auch sehr schön. Ich war schnell unterwegs.

Frag mich nicht?

„Die Frage kann man nicht stellen, Mama. Das ist, als würdest du von einem Grundschüler wissen wollen, was 34 zum Quadrat ist“, schimpft mein 17-jähriger Sohn. Wieso? Weil ich verstehen will. Ich will wissen, wozu Snaps dienen, wenn die Dinger überhaupt so heißen. Snapchat ist eine Art der Kommunikation, die sich mir nur bedingt erschließt: Man kann Bilder und kurze Texte verschicken. Diese Bilder und Texte sind für den Empfänger nur solange sichtbar, wie der Absender es wünscht – und nur ein Mal. Wenn ich das regelmäßig mache, kann ich Flammen sammeln; wenn ich einen Tag unterbreche, sind alle gesammelten Flammen weg. Soweit so klar.

Was mir nicht klar ist: Wozu machen die jungen Leute das? Geht es darum, Beziehung zu bauen? (Das war, nebenbei gesagt, die Frage, die ich nicht stellen durfte! Zu viel Sinn-Suche …) Oder steht das Flammen-Sammeln im Zentrum der Bemühungen? Ich würde es gern verstehen. Wenn es besonders schöne Fotos wären oder besonders raffinierte Texte – in Ordnung. Aber soweit ich sehe, ist der Inhalt völlig nebensächlich: Es kann auch ein Foto von einer Tischplatte sein.

Wahrscheinlich habe ich mich mit 16, 17 auch nicht bei allem nach dem dahinter liegenden Sinn gefragt. Ich war und bin kein Mensch, der unablässig erst denkt und dann tut. Wenn mich aber jemand nach dem Wozu fragt, würde ich nach einer ehrlichen Antwort suchen. Und lautete diese: „Weil das alle so machen, weil man das heute so macht, weil das zu meiner Generation dazugehört…“, würde ich zucken und neu überlegen, ob ich selbst das auch so halten möchte. Hoffe ich.

Dynamik

Ohne Gespräch sind Beziehungen schwierig bis unmöglich; aber manchmal entwickeln Worte eine ungeplante Dynamik.

Der Ton macht die Musik, sagt man, und es stimmt: Es geht laut, leise, genervt, gelangweilt, begeistert, mitreißend, wütend, entspannt, verständnis- oder auch vorwurfsvoll … Auch der Zeitpunkt ist nicht unerheblich: Kurz vor dem Schlafengehen oder zwischen Tür und Angel sind nicht die günstigsten Gelegenheiten für schwierige Themen. Zudem gibt es noch einen feinen Unterschied zwischen gesagt und gemeint: „Ich mag nicht kochen“, kann heißen „Ich würde mich freuen, wenn du kochst!“ Wird es aber nicht so verstanden, ist nur einer glücklich. Last but not least: Nicht jedes wahre Wort muss raus. Alte Kamellen auszubuddeln, wenn man gerade kontrovers diskutiert, ist selten eine gute Idee.

Eine weitere überraschende Stolperfalle für die an sich unschuldige Kommunikation sind persönlichkeitsbedingte Grenzen der Kompatibilität. Ich erzähle – und habe ein Ziel: Ich will informieren, suche nach Rat oder möchte verstanden werden. Mein Gegenüber hört zu – und hat auch ein Ziel: Es will informiert werden, mir helfen, einen Rat oder eine eigene Geschichte loswerden. Nicht immer passen beide Ziele zueinander, und leider bin ich in solchen Dingen ziemlich unflexibel. Nehmen wir mal an, ich will gehört und verstanden werden. Nehmen wir weiter an, ich werde gehört und nicht verstanden, mein Gegenüber hat aber einen – aus seiner Sicht – guten Rat. Dann ist meine Reaktion bisweilen ein unwilliges „Will ich gar nicht hören, lass mich in Ruhe“. Die Gesprächsscherben wieder aufzusammeln, kann eine mühselige und zeitraubende Arbeit sein. Das schafft keiner allein. Ohne Beziehung ist Gespräch dann schwierig bis unmöglich. Aber manchmal entwickeln Beziehungen ja auch eine ungeplante Dynamik – und funktionieren phasenweise nonverbal. Nicht immer, aber ab und zu kann man dann nochmal neu anfangen mit dem Reden. Welch ein Glück!

Allzweckwaffe

Ich bin schlechter Laune und unausgeglichen – ich gehe laufen.

Ich möchte meine Ruhe haben, eine halbe Stunde allein sein und nicht abgelenkt von häuslichen Pflichten – ich gehe laufen.

Ich hatte eine Erkältung und habe mich länger nicht wirklich bewegt – ich gehe laufen.

Ich will mich an der frischen Luft auspowern und habe keinen Bock auf Gartenarbeit – ich gehe laufen.

Ich will meiner Freundin mehr als was Nettes zu ihrem besonderen Geburtstag aufschreiben und brauche Ideen – ich gehe laufen.

Ich bin (vielleicht unberechtigt) wütend und weiß nicht wohin mit meiner Wut – ich gehe laufen.

Laufen ist eine Allzweckwaffe, geht (fast) immer, dauert nicht lange, ist total effektiv. Ich praktiziere das schon einige Jahrzehnte, mal sehen wie lange mein Körper noch mitläuft. Ab und an finde ich schon Gefallen an der Alternative – spazieren gehen.

Eine gute Idee

Eine Nische vor unserem Haus eignete sich vor Jahren sehr gut, sie zu bepflanzen. Wir überlegte eine Weile und entschieden uns dann für einen Bambus. Immergrün, winterhart, gut zu schneiden, optisch wirklich ganz schön – diese Pflanze erschien uns wie eine sehr gute Idee. Mein Mann informierte sich im Netz und pflanzte den Bambus in eine Plastikwanne, um ein zu starkes Ausbreiten der Wurzeln zu vermeiden. Immer wieder in den vergangenen Jahren sprossen vorwitzige Wurzeln ÜBER den Rand der Wanne und verkrochen sich im umliegenden Erdreich. Immer wieder kappte mein Mann diese – kein Problem. Jahrelang erfreuten wir uns an diesem Gewächs: Immergrün, winterhart, gut zu schneiden, optisch wirklich ganz schön.

Bis zum letzten Wochenende. Ein etwas intensiverer Blick in das um den Topf liegende Erdreich offenbarte die durchschlagende Wirkung der „guten Idee“: In einer spontanen und kraftraubenden Vormittagsaktion musste der Bambus weichen – und mit ihm jede Menge Wurzelwerk, das sich entschlossen aufgemacht hatte in Richtung Hausdämmung und unter die angrenzende Pflasterung. Die Nische liegt jetzt brach, abgedeckt durch eine Folie, um die verbliebenen Wurzelreste auszutrocknen und davon abzuhalten, sich zu neuen kleinen Bambuspflanzen auszuwachsen.

Freundlicherweise kämpfte unser Nachbar gleichzeitig gegen eine seiner „guten Ideen“: Knöterich wächst so schön an Sichtschutzwänden hoch – und auf der anderen Seite wieder runter. Die über der Erde liegenden Ausläufer sind nichts im Vergleich zu den großflächig und weitreichend im Erdreich wuchernden Wurzeln auf dem eigenen und auf dem Nachbargrundstück.

Hausbesitzer sind eben nicht automatisch Experten in Sachen Gartenanlage. Manchmal braucht es ein paar Vegetationsperioden, um die wirklich guten Ideen von den weniger guten zu unterscheiden.