Wertvoll

Wir unterhalten uns über den Wert unserer Arbeit, meine Freundin und ich. Sie ist Bäuerin und kümmert sich vorrangig und leidenschaftlich um die Kühe. Ihr Aufgaben-Portfolio ist unüberschaubar; ohne sie würde der Hof nicht laufen. Das ganze Konstrukt `landwirtschaftlicher Betrieb´ hängt ebenso an ihr wie an ihrem Mann. Der Verdienst meiner Freundin dagegen ist sehr überschaubar, weshalb die teurer werdenden Lebensmittel auch sie, die Lebensmittel-Produzentin, treffen. Der Preis, den die Bauern für ihre Milch bekommen, steigt mitnichten so wie der, den die Konsumenten für Milch und Milchprodukte im Supermarkt bezahlen. Die Diskrepanz dazwischen versickert irgendwo zwischen Erzeuger und Verbraucher. Gegen eine angemessenere Entlohnung beziehungsweise eine größere Wertschätzung ihrer Arbeit hätten die meisten Bauern sicherlich nichts: Aber was sollen sie tun? Anders als bei der Bahn sind so radikale Methoden wie Warnstreiks bei Landwirten nicht üblich. Das liegt nicht etwa daran, dass sie etwa weniger Leidenschaft für `ihre Sache´ hätten oder schlechter organisiert wären. Sie sind einfach für viel mehr verantwortlich als für einen pünktlichen und reibungslosen Zugverkehr. Bei Bauern geht es um weitaus wertvollere Güter: Nahrungsmittel und Nutztiere – beides lässt man nicht aus Protest `stehen und liegen´.

Wie wertvoll eine Arbeit ist, misst sich selten daran, was man mit ihr verdienen kann. Ein Satz fällt mir ein; er hängt an der Kühlschrank-Tür meines Freundes in Australien: If I can´t be rich, I might as well be excellent. Frei übersetzt: Wenn ich schon nicht reich damit werde, kann ich wenigstens exzellente Arbeit abliefern – ein Motto, das auch meine Freundin zu beherzigen scheint.

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