Von außen und von innen

Am Wegesrand steht ein Pilz; sein Stiel ist lang, der Schirm schmal: wie zugeklappt. Zwei Tage später ist derselbe Pilz noch immer da, aber anders; sein Schirm ist ausgebreitet: wie aufgeklappt. Wasser und Nährstoffe bewirken dieses Wachstum – von innen heraus. Es ist zwecklos (wenn nicht unmöglich), diesen Vorgang von außen beschleunigen zu wollen. Am Schirm geht etwas kaputt, wenn man ihn mit den Händen `entfalten´ möchte.

Ich denke an (ungefragte, oft wiederholte, aber grundsätzlich gut gemeinte) elterliche Ratschläge: `Esst weniger Zucker, treibt mehr Sport, trefft euch lieber analog oder lest ein Buch…´ Ich kann von außen auf sie einreden und es wird nicht viel passieren. Mittlerweile erlebe ich, dass die Kinder früher oder später selbst auf manch schlaue Idee kommen – aber erst, wenn sie selbst soweit sind. Vorher bewirkt zu viel Einmischung genervtes Augenverdrehen, Ohren `auf Durchzug´ und inneren Rückzug. Am Respekt der Kinder für die Eltern geht etwas kaputt, wenn letztere ein bestimmtes Verhalten erreichen wollen.

Mit zunehmendem Alter stecken in Kindern genug Ressourcen, um mündig zu entscheiden. Manche davon haben sie von uns: Wasser und Nährstoffe in Form von Erziehung und gelebtem Vorbild. Was sie daraus machen und wann, ist ihre Sache, aber oft wunderbar anzuschauen. Früher oder später entfalten sie (scheinbar) ganz allein ihr eigenes Lebenskonzept – von innen heraus. Alles hat seine Zeit.

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