„Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“
Psalm 90, 12
Freunde von uns haben in den vergangenen Wochen einen ihrer besten Freunde begleitet, der im Sterben liegt. Dafür verbrachten sie einige Wochenenden in der Ferne bei ihm und nicht hier, wo sie zu Hause sind. Heute waren sie nach langer Zeit wieder bei uns im Gottesdienst. Sie sind emotional ausgelaugt und doch dankbar für die Zeit, die sie mit ihrem Freund verbringen konnten. Andererseits freuen sie sich zunächst wieder über Alltag und Normalität – der eigene Haushalt, Arbeit, Kollegen, Nachbarn … Leben halt.
Das Sterben ihres Freundes geht weiter. So gern sie daran Anteil nehmen und ihm nahe sein möchten: Momentan tut ihnen die räumliche und gedankliche Distanz gut. Es braucht eine gesunde Ambivalenz im Umgang mit dem Tod. Denn er gehört zum Leben dazu – 100 Prozent Mortalitätsrate, wie eine Bekannte es sagt. Nur der Zeitpunkt ist unbekannt. Sie hat recht; es ist gut, sich bewusst zu machen, dass unser Leben enden wird. Das ist nicht morbide oder masochistisch, sondern realistisch und heilsam. Es hilft, unsere Prioritäten schlau zu setzen: Wie wollen wir leben, reden, agieren und uns einbringen? Wir haben eben nicht ewig Zeit dafür, auch wenn es uns inmitten des täglichen Einerleis so vorkommen könnte. Und trotzdem darf unser Leben-Wollen nicht vom Sterben-Müssen überlagert werden. Den Gedanken an letzteres halten wir nur dosiert aus. Zu leben bedeutet eben auch, die kostbaren einzelnen Momente in vollen Zügen zu genießen, ohne traurig auf das baldige Ende zu warten.