„In jedes Menschen Charakter sitzt etwas, das sich nicht brechen lässt – das Knochengebäude des Charakters; und dieses ändern wollen heißt immer, ein Schaf das Apportieren lehren.“
Georg Christoph Lichtenberg
Wie recht hat er, denke ich, wenn ich Menschen beobachte und auch mich selbst: Über lange Zeiträume hinweg verändern wir uns – kaum. Ein introvertierter Mensch wird weder plötzlich noch durch langes Üben einer, der die Bühne liebt; ein gesprächiger verstummt nicht mit dem Alter. Den Zögernden unter uns fällt es schwer, spontan zu entscheiden; die Helfer halten sich erst zurück, wenn sie gar nicht mehr können. In einem halb leeren Glas ein halb volles zu entdecken – das ist eine Fähigkeit, die den Pessimisten nicht vergönnt ist. Solche Eigenschaften gehören zu uns, sie machen uns aus. Und nur sehr begrenzt lassen sie sich durch eigene Kraft ins Gegenteil verkehren.
Ich selbst habe leicht ein schlechtes Gewissen, wenn ich die Erwartungen anderer enttäusche; eine Lüge ist für mich kein Kavaliersdelikt; und in meinem Gesicht sieht man schnell, wie es meinem Innenleben geht – heute mit 50 Jahren ebenso wie mit 25. Das mit dem Lügen ist gut, das mit dem schlechten Gewissen nicht; aber einfach abschütteln kann ich weder das eine noch das andere.