Unnützes Zeug?

Unsere Kinder hatten beziehungsweise haben alle Latein in der Schule, einige auch Griechisch. „Was soll man denn heute noch mit einer Sprache, die keiner mehr spricht?“, fragte und fragt uns mancher. Na, zum Beispiel andere romanische Fremdsprachen leichter erfassen, Wort-Ursprünge im Deutschen erkennen und all das lernen, was zum LERNEN einer solchen Sprache dazugehört: Ausdauer beim Üben, genaues Hinschauen, Training des Sprachgefühls beim Übersetzen, ein besseres Verständnis von Grammatik, einen Einblick gewinnen in die Kultur, aus der wir kommen … Bei entschiedenen Neusprachen-Freunden bleibt die Skepsis trotzdem größer als das Verständnis.

Gestern waren wir in einem Konzert der Schulband: Gitarren, Schlagzeug, Klavier, Posaunen, Trompeten, eine Geige, Sänger … Die musizierenden jungen Menschen nahmen uns mit auf eine zweistündige Reise durch die Musik der vergangenen sieben Jahrzehnte. Es war wunderbar: überzeugende musikalische Fertigkeiten, ansteckende Spielfreude und beeindruckende Bühnenpräsenz. Einige der Musiker machen dieses Jahr Abi und werden höchstens für Gastauftritte zurückkommen. Ob sie in Zukunft noch Gelegenheit haben werden, in einer Band zu spielen – wer weiß. Kaum einer der Beteiligten wird aus seinem Hobby einen Beruf machen; sicherlich werden alle in Zukunft deutlich weniger Zeit für Musik haben als bisher.

Waren all die Unterrichtsstunden deshalb umsonst? Oder dienten sie nur dem einen Zweck, den einen oder anderen Abend mit der Schulband zu gestalten? Mitnichten: Musik ist horizonterweiternd und man lernt mehr als nur das Spielen eines Instrumentes: Fingerfertigkeit und Koordination (mindestens der Hände), Ausdauer beim Üben, Training des Harmonie-Gefühls beim Zusammenspiel mit anderen, Mut, vor Menschen aufzutreten, und natürlich das Einfügen in eine Gruppe … Selbst wenn all diese Nebeneffekte irgendwann nicht mehr fürs Musizieren benötigt werden: Horizonterweiternd sind sie doch.

Ein Instrument oder eine alte Sprache – das sind zwei ganz unterschiedliche Dinge. Es hat sehr ähnliche Nebeneffekte, das eine oder das andere zu erlernen. Finde ich.

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