Ängstlich oder mutig

Menschen ticken unterschiedlich: Für manche steht `Was heute wohl alles passieren kann?´ über jedem Tag, für andere `Wird schon!´. Diese grundsätzliche Herangehensweise ans Leben lässt sich nur schwer abschütteln. Ob wir ängstlich sind und mit dem Schlimmsten rechnen oder Herausforderungen mutig und ein bisschen naiv anpacken: Ich weiß zumindest, wie ICH lieber meine Tage verbringen möchte.

Aber Gott hat uns nicht umsonst unterschiedlich geschaffen. Wahrscheinlich funktionieren wir als Gemeinschaft am besten, wenn jeder sich einbringt. Wir müssen `nur´ aufeinander hören und voneinander lernen wollen – Individualität braucht Korrektur. Wer ängstlich ist, kann sich am mutigen Freund orientieren; wer naiv drauflos rennt, darf von der Weitsicht und Erfahrung anderer profitieren. Die Schwierigkeit ist: sich zu einigen, wer wann das letzte Wort hat.

Mutig flüchten

Ertappe ich ein Kind bei einem Unrecht, kann es sich entscheiden:

Scheinbar leicht ist es, sich in eine (Not-)Lüge zu flüchten: alles abstreiten, um Ärger zu vermeiden. Meist klappt das nicht – Lügen haben kurze Beine. Kommt ein Unrecht samt der verbalen Ausflüchte nachträglich ans Licht, ärgere ich mich (vor allem über die Lüge) – und greife tendenziell zu einer schärferen Konsequenz.

Anstrengend (und mutig) ist es, die `Flucht nach vorn´ anzutreten: ehrlich dem eigenen Vergehen in die Augen schauen und das Unrecht zugeben. Dann ärgere ich mich nicht, sondern bin stolz auf mein Kind und zeige das auch. Es folgt trotzdem eine Strafe – aber diese fällt barmherziger aus.

Inspiration (3): You never know!

„Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der Herr allein lenkt seinen Schritt.“
Sprüche 16, 9

Abenteuerlust und „Schritt für Schritt“ sind nur zwei Stichworte im Zusammenhang mit dem Buch-Geschenk, die mich bisher ins Nachdenken gebracht haben. Eine weitere Erkenntnis ist die, das suboptimale Lebensvoraussetzungen nicht das Leben definieren müssen: Du weißt nie, durch wen oder was eine Wendung eintreten kann. Das kann eine menschliche Begegnung sein, sich überraschend verändernde Umstände, das Zusammentreffen von „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ oder eine eigene mutige Entscheidung – aus dem Bauch heraus oder gut überlegt. Auch in der Lebensmitte hört das nicht auf: Ich kann noch immer Chancen nutzen, für Veränderungen offen sein und mich dem, was kommt, zuversichtlich stellen. Anders als der Autor des Buches glaube ich, dass all diese Erfahrungen, Begegnungen und Führungen ihren Ursprung in Gott haben. Letztlich definiert er mein Leben. Das kann mich dann doch mutig und abenteuerlustig machen.

Mutig?

Komischerweise war ich als junger Mensch trotz all meiner Unerfahrenheit einigermaßen mutig und draufgängerisch. Ich bin einfach allein losgezogen, habe nur grob geplante Urlaube beziehungsweise längere Auslandszeiten in Angriff genommen, einen Job ohne Alternative gekündigt, wildfremden Menschen Dinge geliehen, bin per Anhalter gefahren. Vielleicht ist das nicht mutig, sondern einfach nur angstfrei, weil jugendlich unbedacht. Auf jeden Fall hat es mich mit großer Unbeschwertheit viel erleben und gute Erfahrungen machen lassen: Dass es immer irgendwie weitergeht, zum Beispiel, oder dass manche Schwierigkeit im Nachhinein deutlich kleiner aussieht als vorher. Nicht zuletzt, dass ich in den Zeiten des größten Alleinseins Gottes Nähe am stärksten spüren konnte.

Auf jeden Fall ist es heute anders. Als mutig würde ich mich nicht mehr bezeichnen. Außerhalb gewohnter Bahnen traue ich mir wenig zu. Ich erlaube Bedenken, meinen Mut zu verringern – und bedaure das sehr.

Zum einen liegt es wohl am Alter: Jugendliche Unbeschwertheit ist dem Bedürfnis einer mittelalten Frau gewichen, erst nachzudenken und dann zu handeln. Zum anderen ist seit Jahrzehnten mein Lebens-Radius eng und klar begrenzt – sowohl räumlich als auch hinsichtlich der alltäglichen Herausforderungen. Mit Unbekanntem und Neuem muss ich mich nur selten befassen. So bequem das ist, so einengend kann es sich auswirken. Ich persönlich finde das schade und habe beschlossen, mir Mut zurück zu erobern. Für eine Woche lasse ich meinen Alltag los und werde mich allein aufmachen. Meine persönliche Auszeit. Ich fühle mich nicht mutig, aber ich mache es trotzdem und bin gespannt, was passieren wird.