Mutig?

Komischerweise war ich als junger Mensch trotz all meiner Unerfahrenheit einigermaßen mutig und draufgängerisch. Ich bin einfach allein losgezogen, habe nur grob geplante Urlaube beziehungsweise längere Auslandszeiten in Angriff genommen, einen Job ohne Alternative gekündigt, wildfremden Menschen Dinge geliehen, bin per Anhalter gefahren. Vielleicht ist das nicht mutig, sondern einfach nur angstfrei, weil jugendlich unbedacht. Auf jeden Fall hat es mich mit großer Unbeschwertheit viel erleben und gute Erfahrungen machen lassen: Dass es immer irgendwie weitergeht, zum Beispiel, oder dass manche Schwierigkeit im Nachhinein deutlich kleiner aussieht als vorher. Nicht zuletzt, dass ich in den Zeiten des größten Alleinseins Gottes Nähe am stärksten spüren konnte.

Auf jeden Fall ist es heute anders. Als mutig würde ich mich nicht mehr bezeichnen. Außerhalb gewohnter Bahnen traue ich mir wenig zu. Ich erlaube Bedenken, meinen Mut zu verringern – und bedaure das sehr.

Zum einen liegt es wohl am Alter: Jugendliche Unbeschwertheit ist dem Bedürfnis einer mittelalten Frau gewichen, erst nachzudenken und dann zu handeln. Zum anderen ist seit Jahrzehnten mein Lebens-Radius eng und klar begrenzt – sowohl räumlich als auch hinsichtlich der alltäglichen Herausforderungen. Mit Unbekanntem und Neuem muss ich mich nur selten befassen. So bequem das ist, so einengend kann es sich auswirken. Ich persönlich finde das schade und habe beschlossen, mir Mut zurück zu erobern. Für eine Woche lasse ich meinen Alltag los und werde mich allein aufmachen. Meine persönliche Auszeit. Ich fühle mich nicht mutig, aber ich mache es trotzdem und bin gespannt, was passieren wird.

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