Einer meiner Söhne ist krank; innerhalb von drei Tage hat er vier Kilo abgenommen – fast zehn Prozent seines Körpergewichtes. Sein Radius ist reduziert auf die Wege zwischen Bett, Bad und Sofa. Er ist aber nicht nur körperlich am Boden, sondern ebenso seelisch: Er möchte Schwung haben und Hunger, Freunde treffen können und die Ferien genießen. Dass er das momentan nicht kann, macht ihn sehr traurig – und lässt mich mit ihm fühlen.
Ich selbst habe seit Wochen wiederholt mit Augenentzündungen zu tun und bin zusätzlich grippal infiziert. Mein Immunsystem ist offensichtlich gerade nicht auf der Höhe. Außerdem ist mir eine Magen-Darm-Erkrankung IMMER unwillkommen. Anstecken will ich mich auf keinen Fall und könnte auf Abstand gehen. Ohne jedoch darüber nachzudenken, tue ich genau das Gegenteil: Mein Sohn ruht sich viel aus – meist bei uns im Wohnzimmer auf dem Sofa. Ich fühle seine Stirn, streiche ihm über die Haare und sitze oft direkt neben ihm. Wenn er besonders niedergeschlagen ist, nehme ich ihn in den Arm.
All das bräuchte ich nicht zu tun: Schließlich ist er mit seinen 13 Jahren `schon groß´; außerdem nehmen seine Beschwerden trotz meiner Gegenwart ihren Lauf. Aber ich kann gar nicht anders und bin sicher, das Richtige zu tun. Ich habe ähnliche Situationen schon erlebt. Vor etwa fünf Jahren zum Beispiel litten zwei Söhne unter ähnlichen Symptomen – vor allem nachts und schön gleichzeitig. Einer war damals acht, der andere 15 Jahre alt. Dem Jüngeren musste ich ganz praktisch beistehen, der Ältere bekam `technisch´ alles selbst hin. Trotzdem stand ich auch für ihn auf. Zwei Tage später bedankte er sich bei mir: „Mama, du konntest mir zwar nicht helfen; aber es war so schön, dass ich nachts nicht allein war.“
Wer krank ist, braucht Fürsorge, Mitgefühl und Nähe – die unschätzbare Stärke der menschlichen Gemeinschaft. Jeder, der Kranke isoliert, schwächt auch das Miteinander.