Großartig unabhängig

Ab und zu begleite ich eine meiner Töchter auf `ihren´ Pferdehof, um ein wenig teilzuhaben an dem, was sie so leidenschaftlich betreibt. Dort bin ich Gast und habe keine Ahnung; meine Tochter dagegen fühlt sich wie zu Hause und kennt sich aus. Ich erlebe sie als souverän, selbstbewusst und mir überlegen. Sie ist gleichberechtigter Teil eines Teams, in Wort und Tat – Insider eben. Ich dagegen bin zwar willkommen, bleibe aber dennoch außen vor.

Es macht mich stolz, meine Tochter auf eine Art und Weise zu erleben, von der ich wenig weiß. Sie ist meinem Einfluss entwachsen, mehr noch: Ich bewundere, wie selbstsicher sie sich einbringt und wie selbstverständlich zugehörig sie sich dort bewegt. In diesem Kontext ist sie ganz eigenständig kompetent – und wird respektiert und geschätzt. Ich kann weder mit ihr mithalten noch hat sie irgendetwas davon mir zu verdanken. Es ist wunderbar, sie zu erleben und ihr als einem von mir unabhängigen (und fast ein bisschen unbekannten) Menschen zu begegnen. Heranwachsende Kinder sind großartig.

Wie die Kinder!

„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.“
Matthäus 18, 3

Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder… Ein Kind lebt optimalerweise aus der tiefen Gewissheit eines doppelten Bodens; es darf üben und Fehler machen und hat ein bewundernswert bedingungsloses Vertrauen, dass die Eltern es in allem freundlich begleiten. Diese Einstellung Gott gegenüber ist genau das, was Jesus hier meint – glaube ich.

Ich beobachte bei meinen Kindern den allmählichen Übergang vom Kind zum Erwachsensein. Das ist mit Begleiterscheinungen verbunden, die mir als Mutter Mühe machen: Widerrede, nicht enden wollende Diskussionen über immer wieder die gleichen Themen, ein sinkendes Mitteilungsbedürfnis von Seiten der jungen Menschen – und trotzdem weniger Ruhe im Haus. Meine freundliche Begleitung ist bisweilen explizit nicht erwünscht. Aus all dem resultiert ein gewisser Trennungsschmerz.

Andererseits bin ich super stolz auf meinen Nachwuchs. Immer öfter verhalten sie sich so, wie man es von Erwachsenen erwartet: Die Kinder pflegen ihre eigenen Kontakte und Hobbys, sind offen, hilfsbereit, einfühlsam. Sie wägen ab und entscheiden, übernehmen Verantwortung für ihre Aufgaben in Schule und anderswo, bilden sich eine Meinung und vertreten diese – und all das zunehmend souverän und unabhängig. Das macht es mir leicht, sie ziehen zu lassen.

Heute Morgen ging mir auf, wie schwierig es ist, als Erwachsener zu handeln und doch zu sein wie ein Kind. Ich übe das noch und vertraue meinem himmlischen Vater, dass er meine Bemühungen freundlich begleitet.

Kind-Sein

„Mama, ich werde bald 18!“, so klingt es derzeit des öfteren in unserem Haus. Als wäre das die Universalbegründung dafür, dass das Kind von uns als Eltern keine Hinweise, Ratschläge und schon gar keine Anordnungen mehr wünscht oder gar benötigt.

Es soll eine Erklärung sein, aber es klingt wie eine leichte Drohung: „Ich werde bald 18 … und dann – habt ihr mir gar nichts mehr zu sagen.“ Dabei geht es doch jetzt erst los! Jetzt hätten wir so viel, was wir dem Kind mitgeben können. Jetzt sind da so viele Entscheidungen, die es treffen muss: Wohin geht die Reise in und nach der Schule? Gerade in dieser Lebensphase sind da so viele Konsequenzen, die sein Handeln nach sich zieht: Zwei Tonnen rollende Metallbüchse im Straßenverkehr sind nicht nur ein bequemes Fortbewegungsmittel, sondern auch eine gefährliche Waffe.

Und natürlich ist ein Kind mit 18 erwachsen und strafmündig und was weiß ich; aber verhält es sich auch so? Braucht es uns als Eltern dann nicht mehr? Oder nur noch finanziell?

Kinder werden nicht plötzlich groß, es ist ein Prozess. Dieser dauert über den 18. Geburtstag hinweg an. Das ist ein Luxus unserer Gesellschaft und unserer heutigen Zeit; aber vielleicht verstehen wir das erst, wenn wir wirklich kein Kind mehr sind.