Gute Lehrer

Gute Lehrer können einerseits Wissen vermitteln, also den Ton angeben, und andererseits zum Selber-Lernen motivieren: die Schüler machen lassen. Es ist schwer und die hohe Kunst, das richtige Maß zu finden. Nicht jeder Lehrer ist ein guter Lehrer, aber es gibt sie (ich hatte einige). Sie brauchen Autorität, Liebe und Vertrauen gegenüber ihren Schülern – und benötigen von Eltern und der Gesellschaft breite Unterstützung. Was dagegen nicht hilft, ist, wenn wir:

über Lehrer meckern – und dadurch ihre Autorität untergraben,
sie durch zu viel Verwaltungsarbeit unter (Zeit-)Druck setzen,
Lehrer mit viel zu großen Klassen allein lassen – und erwarten, dass sie langsam denkende Schüler ebenso erfolgreich beschulen wie superschlaue,
meinen, dass Inklusion in Schule einfach funktioniert, obwohl wir als ganze Gesellschaft daran scheitern,
Flüchtlingskinder ohne Deutschkenntnisse ans Gymnasium schicken und hoffen, dass es irgendwie klappt,
erwarten, dass Lehrer nicht nur lehren, sondern auch erziehen,
ihren Arbeitsplatz reformieren – alle Jahre wieder,
unter dem Stichwort `Medienkompetenz´ den Unterricht digitalisieren,
vermitteln, dass es leicht ist (und zu gut bezahlt), was Lehrer tun.

Es wäre ein Anfang, wenn sich Lehrer ohne all unsere `Hilfestellung´ einfach nur auf ihren Kern-Job konzentrieren könnten: einerseits Wissen vermitteln und andererseits die Schüler zum Selber-Lernen motivieren.

Gut?

„Sie denkt, sie kann gut singen“, sagt meine Tochter leicht resigniert, „aber das stimmt nicht.“ Es geht um ein Mädchen, das gern auftreten und dabei von meiner Tochter am Klavier begleitet werden würde. Wer von beiden hat recht, und: Ist es möglich, dass beide offen und ehrlich darüber reden?

Es ist sehr unterschiedlich, wer sich was zutraut. Meine Tochter findet: „Wir lehnen uns eher nicht so weit aus dem Fenster.“ Das liegt nicht daran, dass wir besonders bescheiden wären oder bewusst tiefstapeln. Aber wir zögern mit dem Satz: „Ich kann das gut.“ Wirklich glauben können wir es erst, wenn jemand anderes uns zuspricht: „Du kannst das gut!“

Ich frage mich, woher das kommt. Mir begegnen immer wieder Menschen, die sehr von sich überzeugt sind – meines Erachtens manchmal ohne guten Grund. Meine eigene Latte für `etwas gut können´ hängt meist höher. Es kann aber sein, dass auch ich mich manchmal für fähiger halte, als ich es bin. Ich hoffe, dann ist es möglich, dass andere offen und ehrlich mit mir darüber reden.

Ganz gut?

„Vielleicht ist es mal ganz gut, wenn es nicht alles gibt“, sagt eine Frau, die mir aufgrund von Lieferengpässen nicht das anbieten kann, was ich gern kaufen würde. „Wir wissen genau, was wir wollen – und werfen außerdem schnell weg. Vielleicht ist es heilsam für uns, wenn wir nicht IMMER aus ALLEM wählen können.“ Sie hat recht, aber ich staune trotzdem über ihre Sicht: Ich spare mir eine Ausgabe – das ist ganz gut für mich, sie dagegen verzichtet auf eine Einnahme – das ist weniger gut für sie.

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint

Wir haben einen Ficus „Benjamini“ im Wohnzimmer; er ist etwa 25 Jahre alt. Im Winter kommt er oft „in die Mauser“ und verliert ein paar Blätter. Das hört nach einer Weile wieder auf – und hinterher treibt er neu aus und wirkt schließlich üppiger als vorher. Zwei Umzüge hat er problemlos überlebt, ebenso einige Umtopf-Aktionen und meine wohldosierte Pflege in den letzten Jahren.

Jetzt scheint sein Lebensende gekommen zu sein: Die diesjährige „Mauser“ erstreckt sich schon über einige Wochen; von neuen Trieben und üppigem Gesamteindruck sind wir weit entfernt. Bei näherer Inspektion fand ich vor einigen Tagen viel Wasser im Übertopf – die weniger wohldosierte Pflege der Kinder: Sämtliche „Wasserreste“ aus Trinkflaschen oder Gläsern sind zwar gut gemeint, aber offensichtlich nicht gut für einen in die Jahre gekommenen Ficus „Benjamini“. Radikales Trockenlegen hatte bisher noch keinen Erfolg, er verliert munter weiter seine Blätter. Es wäre schade, wenn er einginge – wir wüssten jetzt alle, welche Pflege ihm wirklich gut tut!

Wie geht`s richtig?

„Den Juden bin ich wie ein Jude geworden …, den Schwachen bin ich wie ein Schwacher geworden …, ich bin allen alles geworden… „
1. Korinther 9, 20+22

Diese Zeilen sprechen davon, wie Paulus sich in seinem Predigen anpasst an seine Zuhörer, um wirklich verstanden zu werden. Er stellte sich auf die Leute ein, mit denen er zu tun hatte. Das ist ein guter Rat, wenn man bei Menschen etwas erreichen will – sich erstmal auf sie einlassen. Dann lassen sie sich vielleicht auch auf uns und unsere Ansicht ein. Wenn ich das nur könnte! Es fällt mir ja schon schwer, in guter Art und Weise auf meine Kinder einzugehen:

Einer meiner Söhne klagte kürzlich darüber, dass Schule zwar vielleicht weniger Arbeit sei als ein Job, aber: „Wenn man – nicht als Lehrer – von seinem Job nach Hause kommt, ist man fertig. In der Schule muss man immer noch Hausaufgaben machen und für Tests und Arbeiten lernen. Da ist immer so ein Druck.“ Anstatt zuzuhören und seine Aussage zu bestätigen, lehne ich mich in meinem Stuhl zurück und bemerke: „Du weißt dich diesem Druck aber geschickt zu entziehen.“ Er schaut mich an, zischt: „Ihr versteht überhaupt nichts!“, und stürmt aus der Küche.

Manchmal habe ich den Eindruck, ich kann es nur falsch machen: Entweder ich sage die Wahrheit – und ruiniere die Stimmung. Oder ich stimme meinem Gegenüber kommentarlos zu – und schmälere die Ehrlichkeit des Miteinanders. Wie so oft hätte ich gern das richtige Händchen für die goldene Kommunikationsmitte!

Gut?

„Und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringe, und fruchtbare Bäume auf Erden, die ein jeder nach seiner Art Früchte tragen, in denen ihr Same ist. Und es geschah so. … Und Gott sah, dass es gut war.“
1. Mose 1, 11+12

Eine meiner Töchter mag Obst fast über alles. Nur Pferde rangieren in der Beliebtheitsskala noch davor. Sie probiert gern Neues aus und kauft auch gern mal was Exotisches. Letztens kam sie mit einer Drachenfrucht nach Hause. Geschmacklich hat mich das Teil nicht vom Hocker gerissen. Aber optisch! Gott sah, dass es gut war? Diese Klassifizierung erscheint mir unzulänglich. Ich bin begeistert, welche Vielfalt Gott sich ausgedacht hat und wie bizarr manche Früchte sind. Fantastisch trifft es eher.

Alles relativ

Was ich kann und was nicht, ist letztlich sehr beliebig und von vielen Faktoren abhängig. Nicht nur die eigene Sicht (halb volles oder halb leeres Glas), sondern auch die persönliche Tendenz (Angeber oder Tiefstapler) spielen eine Rolle. Ganz entscheidend ist auch der Moment – lerne ich etwas neu oder schon lange:

Vor allem ganz am Anfang macht man relativ große Fortschritte und ist mit diesen sehr zufrieden. Schon nach dem ersten Fußballtraining, dem ersten Klavierunterricht, dem ersten Tanzstunden-Abend denken wir: „Das klappt doch schon ganz gut“, was gut ist – so starten wir überhaupt und bleiben über den langen Zeitraum motiviert, den es braucht, eine Sache zu meistern. So lernen Kinder laufen und sprechen, so wird aus einer Kicker-Gurkentruppe eine erfolgreiche Fußballmannschaft und aus einem Klavier spielenden Fünfjährigen – vielleicht einmal – ein guter Pianist …

Je besser man eine Sache beherrscht, umso geringer und schlechter wahrnehmbar sind die persönlichen Fortschritte. Und je tiefer man in eine Sache einsteigt, umso klarer sieht man seine eigenen Defizite. Der Maßstab für „sehr gut“ verschiebt sich dann proportional dazu, wie sich die eigenen Fähigkeiten erweitern. Das ist herausfordernd – normalerweise kommen wir nicht an bei „sehr gut“, weil wir immer auch merken, was noch nicht so gut geht. Wir müssen dann aufpassen, dass wir bei allen Defiziten nicht übersehen, was wir doch schon können und wissen. Manchmal kann es hilfreich sein, zurückzuschauen – oder jemandem zu begegnen, der am Anfang steht. Ist eben alles relativ…

Diskrepanz zwischen Ist und Soll

„Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“
Paulus in Römer 7, 19

„Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit…“
Paulus in Galater 5, 22+23

Es gibt Situationen, Worte, Dinge, die in mir eine Reaktion auslösen, die sich teilweise von mir nicht mehr selbst kontrollieren lässt. Vielleicht will ich es auch nicht. Das geschieht häufig gänzlich unerwartet; und auch wenn die Auslöser sicherlich immer wieder ähnlich sind, überrascht mich meine eigene Ohnmacht in der jeweiligen Situation genauso immer wieder.

Inzwischen weiß ich, dass ich allergisch reagiere, wenn ich mich nicht ernst genommen fühle. Geschieht das, so werde ich wütend, reagiere beleidigt, ziehe mich innerlich zurück. Ob der andere es tatsächlich so gemeint hat oder nicht, ist dabei weniger wichtig als das bei mir erzeugte Gefühl. Da ist eine Wunde in meinem Inneren, an die lass ich keinen ran, an die komme ich selbst nur schwer ran. Im Ergebnis bin ich nicht liebe- und verständnisvoll, freundlich, geduldig, großmütig und barmherzig, um Ausgleich bemüht und versöhnungsbereit…, sondern in Verteidigungshaltung und (bisweilen sehr) angriffslustig. Aus der Perspektive des anderen verstehen? Wozu? MIR geht es gegen den Strich, ICH werde gerade doof behandelt, MEINE Gefühle werden verletzt.

Gut dass es Paulus genauso ging – manchmal. Gut dass Paulus genauso wie ich wusste, dass nur Gott unser Inneres verändern kann – hoffentlich immer mehr.