Eine kurdische Frau in der Nachbarschaft grüßt immer freundlich und erkundigt sich im Vorbeifahren immer nach meiner Familie: „Wie geht es dir und den Kindern?“, ruft sie mir fast immer hinterher; aber so `richtig´ haben wir noch nie miteinander geredet. Seit einigen Monaten sieht sie krank aus. Oft trägt sie ein enges Tuch um den Kopf und ist langsam und mit Rollator unterwegs. Ich bin unsicher, ob ich sie ansprechen soll – und tue es irgendwann doch. Wie es ihr gehe, frage ich, und erfahre, dass sie Magenkrebs hat(te), inklusive Chemotherapie: „Seit viereinhalb Monaten kann ich nicht richtig essen“, sagt sie. Daher werde sie künstlich ernährt und fühle sich kraftlos – kein Wunder. Wir reden ein paar Minuten, dann zieht sie weiter. Zum Abschied erkundigt sie sich – natürlich – nach den Kindern und schiebt hinterher: „Danke, dass du gefragt hast!“ Ich schäme mich, dass ich das nicht schon viel früher getan habe.
Kurze Frage – lange Antwort
„Wie geht es dir?“ ist eine Frage, die ich mit einem Wort nur unzureichend beantworten kann. „Gut“, könnte ich sagen, und es wäre die Wahrheit: Wem geht es so gut wie mir? Ich habe von allem genug oder sogar mehr. Andererseits finde ich sicherlich immer etwas, was mir gerade nicht 100-prozentig behagt. Ebenso zutreffend wäre also: „Gerade nicht so gut.“ Ich nenne das dann zwar `Jammern auf hohem Niveau´, aber ein bisschen meine ich es doch auch ernst. Die Wahrheit liegt wie so oft irgendwo dazwischen. Wenn ich diese in einem Wort zusammenfassen soll, käme „Durchwachsen!“ heraus – treffend, aber nicht besonders aufschlussreich. Wer mehr wissen will, muss nachfragen und Zeit mitbringen.
Frage und Antwort (2)
In der Begegnung mit Prominenten, Politikern oder anderen Berühmtheiten meines Alters zischt mir die Frage durch den Kopf: „Warum ist der (oder die) Bundestagsabgeordneter, Vorstandsvorsitzende, berühmter Schauspieler oder Koryphäe auf seinem Wissensgebiet – und ich nicht?“
Ich finde keine Antwort – weder spontan noch nach längerer Überlegung; es hätte ebensogut mich `treffen´ können, eine ganz andere (beziehungsweise überhaupt eine bemerkenswerte) Laufbahn einzuschlagen. Stattdessen überlege ich: „Bin ich glücklich mit dem, was ich habe und bin?“ Solange ich diese Frage mit einem `Ja´ beantworte – wie zaghaft auch immer –, ist die andere Antwort nicht so wichtig.
Frage und Antwort
Wir schreiben eine Mail an einen Bundestagsabgeordneten unseres Wahlkreise. Darin schildern wir, wie wir als Bürger die Corona-Politik der Regierung empfinden, und formulieren konkrete Fragen.
Zwei Tage später erhalten wir eine Antwort. Der Abgeordnete (oder sein Mail-Schreiber) bezieht sich nicht konkret auf unsere Fragen, sondern verliert sich in allgemeinen Aussagen. Um unsere Anliegen geht es nicht; wir fühlen uns nicht gehört oder gesehen.
Es ist schön, dass wir eine Antwort erhalten haben – und irgendwie doch nicht. Der Inhalt enttäuscht uns und bestätigt zweierlei: Zum einen können Politiker viel reden, ohne etwas zu sagen. Zum anderen scheinen sie sich nicht wirklich für die Fragen von Bürgern zu interessieren.
Normalerweise ist es gut, wenn eine Mail beantwortet wird. DIESE Antwort hat wahrscheinlich niemandem und nichts so richtig gut getan …
Frag mich nicht?
„Die Frage kann man nicht stellen, Mama. Das ist, als würdest du von einem Grundschüler wissen wollen, was 34 zum Quadrat ist“, schimpft mein 17-jähriger Sohn. Wieso? Weil ich verstehen will. Ich will wissen, wozu Snaps dienen, wenn die Dinger überhaupt so heißen. Snapchat ist eine Art der Kommunikation, die sich mir nur bedingt erschließt: Man kann Bilder und kurze Texte verschicken. Diese Bilder und Texte sind für den Empfänger nur solange sichtbar, wie der Absender es wünscht – und nur ein Mal. Wenn ich das regelmäßig mache, kann ich Flammen sammeln; wenn ich einen Tag unterbreche, sind alle gesammelten Flammen weg. Soweit so klar.
Was mir nicht klar ist: Wozu machen die jungen Leute das? Geht es darum, Beziehung zu bauen? (Das war, nebenbei gesagt, die Frage, die ich nicht stellen durfte! Zu viel Sinn-Suche …) Oder steht das Flammen-Sammeln im Zentrum der Bemühungen? Ich würde es gern verstehen. Wenn es besonders schöne Fotos wären oder besonders raffinierte Texte – in Ordnung. Aber soweit ich sehe, ist der Inhalt völlig nebensächlich: Es kann auch ein Foto von einer Tischplatte sein.
Wahrscheinlich habe ich mich mit 16, 17 auch nicht bei allem nach dem dahinter liegenden Sinn gefragt. Ich war und bin kein Mensch, der unablässig erst denkt und dann tut. Wenn mich aber jemand nach dem Wozu fragt, würde ich nach einer ehrlichen Antwort suchen. Und lautete diese: „Weil das alle so machen, weil man das heute so macht, weil das zu meiner Generation dazugehört…“, würde ich zucken und neu überlegen, ob ich selbst das auch so halten möchte. Hoffe ich.