Wer bin ich?

Jeder Mensch ist die Summe verschiedenster Aspekte. Einer ist meine Identität: wer ich bin. Dazu kommt meine Persönlichkeit: wie ich bin. Ergänzt wird beides durch die Rolle, die ich innehabe. Die Unterschiede sind für mich schwer zu benennen. Alles hängt zusammen und außerdem davon ab, was man wie stark gewichtet.

Ein Aspekt beschreibt mich immer nur unzulänglich:
Es stimmt, dass ich eine deutsche Frau bin (Identität) – und eben kein französischer Mann.
Richtig ist auch, dass ich eher pragmatisch agiere und entscheide (Persönlichkeit) – und nicht vom `grünen Tisch´ aus.
Noch dazu bin ich Mutter und verheiratet (Rolle) – im Gegensatz zu einem kinderlosen Single. 

Aber auch alle drei Wahrheiten `zeichnen´ nur ein schemenhaftes Bild von mir, denn:
Mit vielen anderen deutschen Frauen verbindet mich nur die Sprache und das Heimatland.
Pragmatismus findet sich auch bei chinesischen Reisbauern.
Und Mütter füllen ihre Rolle unterschiedlich aus: Sie können egoistisch, gleichgültig oder hingegeben (und vieles mehr) sein.

Jeder Mensch ist die Summe unendlich vieler Aspekte, denn jeder ist einzigartig. „Ich kenne dich“, ist daher eine gewagte Aussage. (Ich bin manchmal sogar vorsichtig mit dem Satz: „Ich kenne mich!“)

Einzigartig, aber nicht spezialisiert

Jeder von uns ist einzigartig. Trotzdem übernehmen wir alle viele verschiedene Rollen. Für mich sind das zum Beispiel: Ehefrau, Mutter, Tochter, Schwester, Freundin, Schwiegertochter, Schwägerin, Bekannte… All das bin ich, all das fülle ich aber nicht gleich gut aus – im Gegenteil: von brillant bis mangelhaft ist alles dabei. Meine Stärken und Schwächen helfen mir nicht in jeder Position gleichermaßen; aber ich kann mich auch nicht nur auf ein oder zwei Bereiche konzentrieren. Keine meiner Rollen lässt sich einfach so ablegen, auch wenn ich je nach Lebensphase unterschiedlich stark gefordert bin.

Wie einzigartig wir auch sind: Das Leben fordert uns vielfältig und ist eine gute Schule – nur nicht dafür, uns zu spezialisieren.

Austauschbar oder einzigartig?

Mein Leben besteht aus vielerlei Aufgaben, die ich verschieden gut und unterschiedlich gern bewältige. Weil ich – wie jeder andere auch – Stärken und Schwächen habe, bin ich für manches begabt, in manchen Bereichen dagegen reichlich talentfrei. In der Summe entspricht mein Alltag nicht in vollem Umfang dem, was ich mit meinen Anlagen tun und aus meinem Leben machen könnte. Andererseits beschäftigt mein Alltag mich fast umfänglich.

Ich könnte mich vorrangig ärgern darüber, was ich nicht tun kann, oder mich vorrangig freuen an dem, was ich tun kann. In Wirklichkeit erlebe ich mich mit meinen Empfindungen dazwischen: Ich pendele hin und her von „Mein Alltag ist abwechslungsreich, erfüllend, ausreichend – genau passend für mich“ bis zu „Mein Alltag blockiert die Entfaltung meiner Begabungen – um mich selbst geht es darin gar nicht“.

Ich glaube: Es ist wichtig, dass ich mit ganzem Herzen all das tue, was zu meinem Leben nun mal dazugehört. Weniger wichtig ist, dass ich in meinem Leben genau das tue, was 100-prozentig zu mir passt (obwohl die Gesellschaft uns vorgaukeln will, dass wir einen Anspruch darauf hätten). Fakt ist: Nur selten liegen meine Gaben und Aufgaben absolut deckungsgleich übereinander. Trotzdem bin ich nicht todunglücklich über zu wenig Selbstverwirklichung – häufig bin ich sogar mehr als zufrieden mit dem IST-Zustand. Dies liegt wohl weniger an meiner grundsätzlichen Genügsamkeit als daran, dass Gott mir Genügen schenkt in dem, wie mein Leben verläuft. In meinem Alltag mag ich mich als sehr austauschbar erleben; die darin mögliche Begegnung zwischen Gott und mir ist immer einzigartig.