Mitten auf der Straße steht ein sportlich aussehendes Auto – mit Publikum. Ich gehe zufällig vorbei, aber offenbar gerade im richtigen Moment: „Schön oder nicht schön?“, fragt mich einer der Männer. „Also, wenn man solche Autos mag, dann ist es schön“, formuliere ich vorsichtig – leider nicht vorsichtig genug: „Sie finden es also nicht schön“, sagt er und klingt ein bisschen enttäuscht. Ich murmele was von „ … eher praktisch veranlagt … fünf Kinder … familientauglich …“ und ernte einen mitleidigen Blick. Ob der Wagen neu ist, frage ich noch. „Ja, gerade abgeholt.“ Der Mann ist sichtlich begeistert von seiner Neu-Erwerbung: Er tänzelt darum herum, streicht hier drüber und wischt dort ein imaginäres Staubkorn weg. Der Wagen ist ein Hingucker – ein schnittiger Dodge Charger in einem sogar mir angenehmen Schwarz-Weiß. Aber, ehrlich gesagt: Mein Fahrrad gefällt mir besser.
Jeder findet andere Dinge schön:
Bei meiner Freundin sind es ihre Kühe – und jedes neue Kalb, das gesund und fit ist.
Für meinen Sohn ist das Personal-Ausweis-Foto einer Freundin schön – obwohl sie meiner Meinung nach im Original viel natürlicher (schöner?) aussieht.
Ich mag die Ästhetik von Apple-Geräten; eine Mutter findet ihre Kinder schön.
Unseren Küchentisch halte ich auch nach zwölf Jahren noch für schön, obwohl (oder weil) er mittlerweile viele Macken hat – praktisch … fünf Kinder … familientauglich.
Nicht schön fand ich 2019 in London die modernen Bürohäuser, die zwischen den – meiner Meinung nach schönen – alten Gebäuden emporragen. Der Architekt, mit dem ich damals unterwegs war, sah das anders: `Schön´ sei nur Geschmacksache und total willkürlich, meinte er: Wer entscheide denn überhaupt, ob die Gebäude aus dem 19. Jahrhundert schöner seien als die des 21ten? Schließlich würde sich Architektur immer weiterentwickeln: „Heute geht es weniger als früher darum, wie (schön) etwas aussieht. Stattdessen kommt es darauf an, wie nachhaltig und energie-effizient gebaut wird und ob Räume sich multifunktional nutzen lassen.“ Ich sehe die (mehr oder weniger schöne) Fassade, der Architekt schaut dahinter – und findet das wichtiger.
Die Kategorie `schön´ ist wahrscheinlich keine feste Größe, sondern sehr individuell und relativ. In Bezug auf Autos gefällt´s mir schlicht und geräumig. Wenn schon Hingucker, dann bitte ein Dodge Ram – aber gebraucht. Der ist zwar völlig überdimensioniert und nicht energie-effizient, dafür aber nachhaltig und multifunktional nutzbar. (Schön) praktisch halt!