Blöde Kuh

Meine Freundin hatte am vergangenen Freitag eine beängstigende Begegnung mit einer ihrer Kühe: Die etwa 700 Kilo schwere Dame klemmte ihre `Chefin´ unerwartet am Fressgitter ein – mit dem Kuh-Schädel voran. Meine Freundin schaffte es irgendwie bis zum Durchschlupf und aus dem Stall heraus, aber daran erinnert sie sich nur vage. Dagegen sehr eindeutig sind die blauen Flecken an ihrem Körper, ein angeschwollenes Knie und das zersplitterte Handy aus der Hosentasche. Es sind die ganz realen Folgen einer sehr gefährlichen Situation, die auch anders hätte ausgehen können.

Drei Tage später kann meine Freundin schon wieder stehen, gehen und ihre Tiere versorgen. Dennoch spüre ich bei unserer Umarmung, dass nicht nur das Knie noch lädiert ist – der Schreck sitzt ihr im wahrsten Wortsinn noch in den Gliedern. Wir beide wussten es schon die ganze Zeit, spätestens seit Freitag ist es konkret: Corona mag ein gefährliches Virus sein; das größere Lebensrisiko für diese Bäuerin ist – eine blöde Kuh.

Spontan und flexibel

Meine Tochter kommt nach der zehnten Stunde aus der Schule; mit ihr spült eine alte Bekannte zur Terrassentür herein. Es ist eine der vielen Susannes meiner Generation. Sie sei schon den ganzen Tag mit dem Rad unterwegs und wolle spontan bei mir Rast machen, bevor sie in ein Konzert ganz in meiner Nähe gehen möchte. Wenn´s passt.

Ich bin gerade mit dem Wischeimer bewaffnet im Haus unterwegs: Der Maler bearbeitet mit dem Kärcher unsere Fassade. Aus diesem Anlass wische ich von innen die Rollläden ab, die er von außen abspritzt. Außerdem läuft unter der Haustür munter Wasser in den Flur. Und wegen des am nächsten Tages umschlagenden Wetters würde ich gern noch fix den Rasen mähen … Es passt also nicht 100-prozentig. Aber was soll´s: Diese Susanne habe ich lange nicht gesehen.

Während ich den angefangenen Rollladen fertig putze, ist meine Tochter gastfreundlich und kocht einen Kaffee. Danach setze ich mich dazu und wir erzählen eine Weile. Gegen halb sechs sagt mein Überraschungsgast: „Eine gute Stunde würde ich gern noch bleiben – kann ich etwas helfen?“ Mir fällt nichts ein – ob sie auch eine Weile allein klarkommen würde? Sie nickt fröhlich und setzt sich ans Klavier. Ich bin dankbar, dass sie so unkompliziert ist, und gehe in den Garten. Nach dem Rasenmähen reden wir noch ein bisschen, dann macht Susanne sich auf den Weg zu ihrem Konzert.

Ich mag spontane Gäste, sie sind mir herzlich willkommen – besonders die, die ebenso flexibel auf mich eingehen wie ich auf sie.

Was noch?

Was ein einfaches Lied noch kann? Es verhilft mir manchmal zu einem unverhofften, rein emotionalen Ausflug in eine andere Lebensphase – wenn auch nur für drei oder vier intensive Minuten.

Einfach super

„All I have to offer is a simple song …“, heißt es in einem Lied: Alles, was ich anzubieten habe, ist ein einfaches Lied. Das klingt, als wäre es nicht viel; aber für mich ist ein einfaches Lied manchmal einfach super: Es hebt meine Stimmung, spricht mir aus der Seele, lenkt mich ab, bringt mich in Bewegung, inspiriert meine Gedanken, verändert meinen Fokus …

Man kann nicht alles haben!

Ich stehe an der Ampel bei uns an der Kreuzung. Nur für Autos schaltet diese automatisch auf Grün: Fußgänger und Radfahrer müssen drücken, um regelkonform die Straße überqueren zu können. Dadurch kommt man hier öfter ins Gespräch mit wartenden Leidensgenossen. „Mensch, ist das kalt!“, ruft mir eine Frau zu. Ich persönlich friere nicht und relativiere: „Wenn man sich bewegt“, ich zeige auf unsere Räder, „ist es ganz in Ordnung.“ Sie zuckt mit den Schultern. Als die Ampel grün wird, fährt sie langsam los und wird dann zusehends blitzeschnell – mit elektronischer Unterstützung geht das wie von selbst. Klar, denke ich, wenn ich nur noch mit halber Kraft strampeln müsste, wäre mir vielleicht auch kalt. Man muss sich entscheiden – schnell oder von innen durchgewärmt: Alles kann man nur selten haben.

Vom Grüßen

In manchen Geschäften in der Innenstadt ist die verbale Nähe zum Kunden offenbar oberstes Gebot: Egal, dass die Verkäuferinnen meine Töchter sein könnten – ich werde geduzt. Manchmal frage ich mich, ob dieselben jungen Frauen auch in anderem Kontext alternativlos zum DU greifen würden: Wie begrüßen sie solch mittelalte Damen wie mich auf der Straße oder an deren Arbeitsplatz – in der Arztpraxis, im Rathaus, an der Supermarkt-Kasse, beim Elternabend …? Ich mag altmodisch sein, aber für mich gilt noch immer: Wenn ich jemanden nicht überall duzen würde, sollte ich es auch nicht bei einem potentiellen Verkaufsgespräch tun. Firmenphilosphie hin oder her – schließlich sehen Kundin und Verkäuferin sich gerade zum ersten oder maximal zweiten Mal.

Auf der anderen Seite wohnen Leute in meiner näheren Siedlung, denen ich fast täglich beim Spaziergang zuwinke oder zunicke. Wenn sie mich im Supermarkt nicht zu registrieren scheinen, bin ich verwirrt: Empfinde nur ich es als höflich, sich zu grüßen, wenn man sich schon x-mal gesehen hat?

Parallel-Wirklichkeit

Hausärzte warnen davor, dass zu viel Maskentragen letztlich das Immunsystem zu sehr schont – und Erkältungsinfekte leichtes Spiel haben. Schon im Sommer beobachteten sie außergewöhnlich viele Infekte und prognostizierten eine starke Influenza-Welle im Herbst.

Überhaupt ist der Nutzen von Masken im öffentlichen Raum laut Maßnahmen-Evaluation letztlich nicht zu bewerten. Ihre negativen Auswirkungen jedoch, beispielsweise auf das soziale Miteinander und den Spracherwerb bei Kindern, sind mittlerweile vielen bekannt. Dennoch sind Zugfahrten ohne Maske weiterhin nicht möglich; einige Menschen wünschen sich für Herbst und Winter lautstark eine Maskenpflicht an Schulen.

Verantwortliche in Krankenhäusern bemängeln, dass Mitarbeiter wegen der Isolationsregeln nicht arbeiten gehen können – und nicht, weil sie tatsächlich an Covid-19 erkrankt sind.

Die geschätzte Durchseuchung mit dem Corona-Virus in Deutschland liegt bei über 95 Prozent.

Ein Chefarzt benennt die Auswirkungen der Pandemie-Maßnahmen als `chronifizierte Angstpsychose´ innerhalb der Bevölkerung. Inzwischen ist selbst dem letzten Arzt und Virologen klar, dass JEDER Corona bekommen wird und muss; trotzdem sagen Leute: „Ich will Corona nicht haben!“

Und was kommt aus dem Gesundheitsministerium? Intoleranz gegenüber kritischen Stimmen, Ignoranz hinsichtlich der besorgniserregenden Nebenwirkungen von Maßnahmen, fortwährende Panikmache durch gezielten Alarmismus – wie zum Beispiel die Warnung vor `hunderten Toten´ am Tag und einer `katastrophalen Herbstwelle´. 

Ich frage mich, in welcher Parallel-Wirklichkeit sich manche Politiker eigentlich dauerhaft aufhalten (wollen).

Inflation, ganz konkret

Manchmal `koche ich indisch´ – das heißt, ich würze unser Essen mit indischen Gewürzen. Wenn mir etwas ausgeht, kaufe ich es neu: Heute ist es Cumin. Im Supermarkt bezahle ich 3,99 Euro für 50g. Auf dem Glas, in dem ich mein Cumin aufbewahre, klebt ein altes Schild: Cumin – 80g, 2,95 DM. Früher bekam ich mehr von einer Sache, und zwar für eine geringere Menge Geld in einer Währung, die weniger wert war als die heutige: Das ist Inflation, die ich – buchstäblich – begreifen kann.

Ursache und Wirkung

Die Sonne scheint, es ist frisch, aber nicht eisig. Meine Tochter muss zur Kontrolle einer OP-Wunde zum Zahnarzt; es geht ihr schon wieder ganz gut. Sie fragt, ob sie das Auto nehmen kann. Als ICH verneine, ist SIE verärgert – logisch. Als SIE mit den Türen knallt, habe ICH ein schlechtes Gewissen – komisch.

Meine Blase

Solange wir in unserer eigenen Blase unterwegs sind, kommen wir uns ziemlich allwissend vor. Sobald ich mit jemandem rede, der einer anderen Blase angehört, merke ich, wie wenig Durchblick ich wirklich habe. Dann wird mir klar: Mein Wissen ist Stückwerk. Das geht vermutlich JEDEM so, der ehrlich genug ist und bereit, auch mal in `die Mokkassins eines anderen zu schlüpfen´.

Ein Gespräch mit meiner Freundin der Bäuerin reicht, um mich über den Tellerrand schauen zu lassen – auf den Unterbau unseres Wohlstandes. Zum Beispiel sind Landwirte grundlegend am Überleben einer Gesellschaft beteiligt: Zusammen mit einigen anderen (Industrie, Zulieferbetriebe, Kraftstoffproduzenten usw.) bilden sie den Teil des Eisberges, der nahezu unsichtbar unter Wasser liegt. Gemeinsam halten sie die Spitze über der Oberfläche: Verwaltung, Kultur, Endverbraucher usw. Deutlich mehr Geld für Strom, eventuell sogar ein längerer Blackout? Dieses Szenario bedeutet eben nicht nur, dass am Ende des Monats weniger Geld übrig ist oder ich einen weiteren Pulli überstreifen muss. Die Kreise, die erhöhte Energiekosten ziehen, sind umso größer und folgenschwerer, desto systemrelevanter ein Bereich ist.

Politiker müssen diese komplexen Zusammenhänge im Blick haben und dementsprechend agieren. Dazu sollten sie auf Ratgeber mit verschiedenen Perspektiven hören oder sich selbst die Herausforderungen und Bedürfnisse der Menschen anhören. Es kostet Zeit, in `die Mokassins eines anderen zu schlüpfen´; wahrscheinlich ist es auch unbequem. Aber nur dann erkennt man, dass es neben der eigenen Blase noch viele andere gibt – wahrhaft horizonterweiternd.