Humor ist, wenn man trotzdem lacht?

Ich hatte vor kurzem eine Mail-Konversation mit meinem Pastor. Es ging um eine Aufgabe, an der ich verzweifelte. Nach einer Weile hin und her war ich frustriert und schrieb das auch. Es tat ihm leid und er antwortete: „Ich glaub, ich mach´ eine Umschulung – vom Hirten zum Demotivationstrainer.“ Meine Antwort: „Das kannst du schon!“ Beide Kommentare haben uns ein Lächeln ins Gesicht gezaubert und unsere leicht niedergedrückte Stimmung gehoben.

Lampen, die leuchten

Früher hatten wir ein Auto, das vor allem fuhr. Das Gefährt, das wir seit zweieinhalb Jahren besitzen, kann noch ein bisschen mehr, worüber ich mich sehr freue. Ich habe nichts gegen einen gewissen Komfort; ohne Komfort waren wir vorher unterwegs. Das bedeutet auch, dass ich kein grundsätzlicher Feind von Elektronik bin – manche Unterstützung in der Hinsicht möchte ich nicht mehr missen. Zentralverriegelung und elektrische Fensterheber zum Beispiel sind sehr praktisch. Ich bin jahrelang ohne diese Helferlein gefahren und weiß sie heute sehr zu schätzen. Mehr Hilfe brauche ich nicht, und mehr Hilfe bekomme ich nicht: Unser Auto ist vergleichsweise basal ausgestattet. Reicht mir, kein Problem.

Was ich nämlich nicht brauche, ist der ganze Rest an Elektronik, der an eine Menge von Kontroll-Lampen angeschlossen ist. Die machen mich ganz kirre, denn sie weisen entweder auf diffuse oder konkrete Fehler hin: Die Motorkontrollleuchte, eine andere, die aussieht wie ein Auspuff, eine in Reifenform und eine weitere, die mit dem Sicherheitssystem zu tun hat. Es gibt sicher noch mehr, aber bisher kenne ich nur die vier. Vielleicht hängen sie sogar zusammen? Ich weiß es nicht.

Man sieht die Lämpchen nur, wenn sie leuchten. Dann aber ist etwas nicht in Ordnung, dann aber „empfiehlt“ die Bedienungsanleitung, man solle umgehend in die Werkstatt fahren. Wir machen dass dann auch, aber bisher musste nur selten ein Ersatzteil ausgetauscht werden. Bisher reichte es aus, das ganze System mittels „Reset“ neu zu starten: „Es war nur eine diffuse Fehlermeldung, noch(!) besteht kein weiterer Handlungsbedarf.“ Bisher bezahlten wir einen verschmerzbaren Betrag, fuhren nach Hause – und nach einer Weile ist eine Lampe nach der anderen wieder angegangen.

Dieses wiederkehrende Aufleuchten der Lampen hat mich eingelullt. Letztens fuhr ich wieder zur Werkstatt und dachte: „Die stellen einfach alles wieder auf Null und gut.“ Letztens nicht. Letztens wurde aus einer diffusen Fehlermeldung eine konkrete – und aus verschmerzbar wurde teuer.

Jetzt sind alle Lampen wieder aus, das ist gut. Sie sind zwar noch da, aber ich sehe sie nicht. Und so mag ich sie am liebsten.

Schenken ist freiwillig

Geschenke sind kostenlos, umsonst, gratis – zumindest für den Beschenkten. Ein Geschenk erfordert keine Gegenleistung – oder?

Ich frage mich: Warum schenke ich? Will ich Freude für den anderen oder Dank für mich? Klar – man kann das eine nicht wirklich vom anderen trennen. Beides gehört zusammen, die Freude und der Dank. (Zumindest in unserer Kultur und in unseren erlernten Strukturen.) Trotzdem: Was ist mein Ziel?

Wenn ich ein Geschenk bekomme, freue und bedanke ich mich. In dem Fall wird Schenken zum Tauschgeschäft: Du schenkst, ich sage „Danke!“ – oder andersherum.

Wenn ich schenke, möchte ich keine Gegenleistung erwarten. Ich möchte schenken, um jemandem eine Freude zu machen. Das ist mein erstes Ziel. Gelingt es, freue ich mich. Alles weitere ist Zugabe: Wenn ich ein Dankeschön zurück bekomme, ist das toll.

Schenken ist freiwillig.

Mittagsstunde

Bücher begeistern aus den unterschiedlichsten Gründen. Sie können alles mögliche sein: informativ, spannend, unterhaltsam, erschütternd, anrührend – und sind hoffentlich gut geschrieben. Manche mag man gar nicht wieder weglegen, wenn man einmal angefangen hat. Ich glaube, bei vielen guten Büchern ist der Inhalt ein bisschen wichtiger als die Sprache: Wenn man fertig gelesen hat, tut es einem leid, dass die Geschichte vorbei ist.

Seltener sind die Bücher, die man vor allem deswegen nicht weglegen mag, weil sie so schön geschrieben sind. In denen ist die schöne Sprache ein bisschen wichtiger als der Inhalt. So ein Buch ist für mich „Altes Land“ von Dörte Hansen. Die Frau benutzt wunderschöne Sätze, um eine Geschichte zu erzählen. Ich habe das Buch sogar ein zweites Mal gelesen, mit Begeisterung – und das ist wirklich sehr besonders.

Im vergangenen Herbst ist Dörte Hansens zweites Buch erschienen – „Mittagsstunde“. Weil meine Schwester weiß, dass ich immer auf die Taschenbuchausgabe warte, hat sie mir das Buch einfach mal so geschenkt. Meine Erwartungen waren hoch, daher habe ich mit dem Lesebeginn ein wenig gezögert. Vor ein paar Tagen habe ich angefangen und lese „Mittagsstunde“ nun in meiner persönlichen Mittagsstunde. Die ist lang genug, um ein bisschen in Dörte Hansens schönen Formulierungen zu versinken, und kurz genug, um nicht so schnell fertig zu werden. Denn: Die Frau benutzt wieder wunderschöne Sätze, um eine Geschichte zu erzählen.

Das Eigentliche

Es muss Berufe geben, in denen man eine Sache anfängt, sich durchkämpft und dann irgendwann fertig ist. Denke ich. Mein Job als „Hausfrau und Mutter“ ist nicht von der Sorte. Im Gegenteil: Er zeichnet sich dadurch aus, dass ich eben nicht fertig werde. Und wenn doch, dann immer nur ganz kurz: Das Essen ist irgendwann gekocht – und schnell wieder gegessen; die Küche ist aufgeräumt und die Wäsche gewaschen – beides Zustände mit geringer Halbwertzeit; die Einkäufe sind erledigt – und gleich fehlt wieder etwas.

Zudem gibt es im Zusammenleben mit Kindern immerzu Phasen, in denen ich verschieben und unterbrechen muss. Vielleicht ist das Dazwischenschieben von Aufgaben und häufiges Improvisieren sogar das Eigentliche an meinem Beruf. Das Eigentliche im Sinne des unvermeidbar dazu Gehörenden und das Eigentliche im Sinne des Besonderen, das diesen Job so interessant, abwechslungsreich und herausfordernd macht.

Fasching

Am Montag ist Faschingsfeier in der Grundschule unseres jüngsten Sohnes. „Muss ich mich verkleiden, Mama?“, fragt er. Erwartungsgemäß. Wir sind offen für eine Menge, glaube ich; Fasching gehört nicht dazu. Und obwohl wir darüber kaum reden, scheinen wir das auszuatmen. Schon unser ältester Sohn sagte damals im Kindergarten zu uns, er würde gern als er selbst gehen. Durfte er, war auch von der Verkleidung her nicht so schwer.

Natürlich hatten und haben wir auch ein paar Kostüme in unserem Besitz – geerbte Stücke. Da ist ein Indianer-Outfit dabei und eins für einen Harlekin, für ganz kleine Kinder hatten wir auch ein Eisbären-Kostüm, was sehr unpraktisch war, weil warm und als Einteiler für kleine – gerade trockene – Kinder durchaus eine Herausforderung… Für etwas ältere gab’s eine einfache Agenten-Verkleidung: Sonnenbrille, weißes Hemd, dunkle Hose. Als Pfadfinder sind unsere Kinder sich überhaupt nicht verkleidet vorgekommen, mischten sich aber trotzdem gut unter das geschmückte Volk.

Nach dem Wochenende steht sie also an unsere letzte Faschingsfeier; an den weiterführenden Schulen sind derartige Veranstaltungen in unseren Breiten nicht mehr üblich. Der Kleine könnte als Fußballstar gehen, dafür haben wir auch alles im Haus – und er würde sich sogar wohl fühlen: Es wäre eher das Ausleben eines Kindertraumes als ein Faschingskostüm.

Der Wert meiner Zeit

Gestern war ich effektiv, schwungvoll und habe viel geschafft. Ich konnte einige Dinge von der dauerhaften To-Do-Liste streichen. Was zurückblieb war ein angenehmes Gefühl von „erledigt“.

Der heutige Tag fordert vor allem meine Präsenz bei verschiedenen Terminen meiner Kinder und von Freunden, die Pausen dazwischen sind nur schwer nutzbar. Kaum etwas bekommt heute den Stempel „erledigt“. Was zurückbleibt ist eine Art innere Unruhe, weil ich „zu nichts gekommen bin“.

Beide Tage waren gleich lang, beide Tage haben mich erschöpft – welcher Tag ist mehr wert? Und aus wessen Perspektive?

Ein Eichenleben

In unserer Nachbarschaft gab es ein Grundstück mit Haus und viel Wald. Dieses Waldstück war eine Selbstverständlichkeit und wurde wenig beachtet. Vor einigen Jahren dann wurden aus dem einen Grundstück zwei gemacht, ein weiteres Haus gebaut und viel Wald gefällt: Alle Kiefern und sonstigen Nadelbäume mussten weichen, alle Eichen blieben stehen. Im Nachhinein war es schade um den Wald, aber die Eichen bekamen mehr Aufmerksamkeit: „Was für schöne alte Bäume.“ Eine dieser – nun solitär stehenden – Eichen fiel besonders auf: Sie hatte über die nächsten drei Jahre deutlich weniger Blätter (und diese deutlich heller grün) als die anderen verbliebenen Eichen. Das löste spekulative Gedanken aus: „Was die Eiche wohl hat? Ob sie sich nochmal erholt?“ Der neue Besitzer wartete drei Jahre ab, dann ließ er die Eiche fällen. Ein zwei Meter hoher Stamm blieb stehen. Dieser Stamm fiel mehr ins Auge als die anderen kompletten Eichen. Weitere spekulative Gedanken: „Was damit wohl passiert?“

Vor zwei Wochen ist ein Mann mit drei oder vier verschiedenen Motorsägen aufgetaucht und sägte, schliff und lärmte sich durch den Tag. Am Anfang sah ziemlich grob aus, was er machte. Im Laufe der Stunden wurden die Sägen kleiner und die Schnitte filigraner; nur der Lärm blieb derselbe und der Staub.

Leider habe ich nicht daran gedacht, ein Vorher-Foto zu machen. Jetzt gibt es nur noch das Nachher: Aus der Eiche ist eine Eule geworden. Spaziergänger bleiben stehen und bewundern die Eule und wie schön sie dahin passt. Eins ist klar: Posthum sorgt die Eiche (als Eule) für mehr Gesprächsstoff, als die Eiche es (als Eiche) in ihrem ganzen Leben je getan hat!

Fotoalben

Vor 27 Jahren war ich für ein halbes Jahr in Australien – arbeitend und reisend. So ähnlich wie „work and travel“. Die vergleichsweise wenigen Fotos, die es aus der Zeit gibt, habe ich ganz altmodisch in ein Album geklebt. Kürzlich habe ich dieses wieder angeschaut und mit Erstaunen festgestellt, dass mir die Fotos weniger bedeuten als noch vor zehn Jahren. Ich habe einen gewissen Abstand dazu – so wie ich einen gewissen Abstand zu meinem 21-jährigen Alter Ego habe. Es war eine tolle Zeit, ich habe sie genossen, sie hat mich verändert. Aber sie hat ein wenig ihren Wert verloren.

Ist das mit allen Erfahrungen so? Dass sie sich einreihen in die vielen Erfahrungen, die wir machen, und durch die Fülle im Leben ihren besonderen Wert verlieren? Ich weiß es nicht. Ich ahne nur, dass ein Moment oder auch eine Lebensphase uns am meisten bedeutet, während wir mitten drin stecken.

Mehr als ein Lied

Einige unserer Kinder haben durch die Pfadfinder das Lied „Country Roads“ von John Denver kennengelernt. Entsprechend häufig erschallt das Lied durch unser Haus – ohne und mit Klavierbegleitung. Und obwohl ich kein Country-Fan bin, mag ich dieses Lied. Es erinnert mich an meinen Cousin, der mochte das Lied auch – vor 30 Jahren jedenfalls. Holger war zehn Jahre älter als ich und ist vor acht Jahren gestorben. Er kam aus dem Westen, so dass unsere Beziehung bis zum Mauerfall einzig und allein von seiner Initiative abhing. Er hing offenbar sehr an mir und vor allem an meinen älteren Geschwistern, denn er war viele Wochenenden bei uns – und oft brachte er Freunde mit.

Was er aber auch mitbrachte war ein besonders Lebensgefühl, das sich auf mich übertrug, wenn er da war. Was er „ausatmete“ war eine Mischung aus Lockerheit, Freiheit und „nichts ist unmöglich“ – ohne jemals Toyota zu fahren. In seinen immer alten, aber geräumigen und gemütlichen Autos wurden Ausflüge zu etwas Besonderem, inklusive Musik. Hinsichtlich Fahrkomfort und Sound würden meine Kinder heutzutage wahrscheinlich müde lächeln. Aber vor über 30 Jahren fühlte sich das wie Freiheit an – in einem weich gepolsterten Wagen sitzen, „Country Roads“ hören, (textunsicher, aber enthusiastisch) mitsingen, Fenster runter und den Fahrtwind in den Haaren spüren. Mitten im Brandenburger Land, tief im Osten – wo übrigens auch die Sonne verstaubt, wenn auch vielleicht anders als in Bochum.

Höre ich heute dieses Lied, denke ich nicht nur an meinen Cousin, sondern auch dankbar daran, dass er mir damals ein Stück „Westen“ mit in den „Osten“ brachte – ganz ohne Geschenkpapier.