Gewohnheitstiere

Die Familie war in verschiedene Gruppen getrennt. Jedes Grüppchen hatte auf seine Weise eine gute Zeit und sich an den neuen Zustand gewöhnt. Nun sind wieder alle zusammen – und rasseln aneinander. Ständig. Es knirscht im Getriebe. Ein wenig hat es den Anschein, als würde der Platz nicht mehr ausreichen. Wo es zu fünft ganz gut auszuhalten war, ist für sieben eindeutig zu wenig Raum. Also wird provoziert, sich provoziert gefühlt und gestritten. Schade eigentlich. Eigentlich lieben wir uns sehr. Aber nach solchen „anderen Zeiten“ kommen wir uns eben auch sehr ins Gehege und an unsere Grenzen des freundlichen Miteinanders.

In zwei, drei Tagen wird es wieder besser gehen, da bin ich sicher. Es braucht eine gewisse Zeit, dann werden wir uns wieder eingeschuckelt und aneinander gewöhnt haben. Aber noch sind wir in der Phase, in der jeder denkt: „Es war so schön ohne die anderen.“

PS: Vermitteln hilft nur bedingt. Wir als Eltern werben um Verständnis, stoßen aber nicht auf offene Ohren. Nur die Zeit hilft. Es geht nicht über den Kopf, es geht über den Bauch – und der braucht ein paar Tage, sich wieder an den neuen alten Status quo zu gewöhnen.

Dringlich oder wichtig?

„Ich kann es mir nicht leisten, schlechte Qualität zu kaufen“, sagt jemand, den ich schätze. „Ich kann es mir leisten, manche Dinge gar nicht zu kaufen“, sage ich. Wie viel wir besitzen und wie wenig davon wir wirklich nötig haben – dazwischen lebt und herrscht der Gott des Konsums!

Werbung richtet sich an unser Empfinden für „wichtig“ und „dringlich“: „Dies und das ist wichtig für dich! Du solltest dem ersten Kaufimpuls nachgeben und heute noch zuschlagen, ein solches Angebot kommt so schnell nicht wieder.“ Dabei ist Eile kein guter Ratgeber. Je länger ich ohne etwas auskomme, umso weniger dringlich wird mir die Anschaffung selbst…

Was ich alles besitzen würde, wenn ich immer dem ersten Kauf-Impuls gefolgt wäre – eine Menge Zeug. Was ich mir alles leisten kann (aber nicht muss), weil ich dem ersten Kauf-Impuls nicht gefolgt bin – auch eine Menge Zeug. Beide Mengen haben glücklicherweise nichts zu tun mit der Befriedigung meiner wirklich wichtigen Wünsche…

Ostern

Pünktlich zu Ostern las ich einen Artikel in der Zeitung, in dem es um zwei Wissenschaftler ging und ihre These, dass Jesus wahrscheinlich gar nicht tot war nach der Kreuzigung. Laut dieser These war er wahrscheinlich „nur“ in ein Kohlendioxid-Koma gefallen, die Aufbewahrung in der kühlen Gruft tat ihm dann gut. Daraufhin versteckte er sich ein paar Wochen, um nicht noch nachträglich gefangengenommen und hingerichtet zu werden. Und seine Himmelfahrt machte dann möglich, dass er unter neuer Identität den Rest seines Lebens irgendwo ganz nicht-öffentlich verbringen konnte.

Natürlich ist die These schöner formuliert und begründeter ausgeführt; aber darum geht es jetzt nicht. Ich war erstaunt, was dieser Artikel alles in mir ausgelöst hat:

Anfangs ärgerte ich mich, dass jemand sich auf die Fahnen schreibt, DIE zentrale Wahrheit und Botschaft des Christentums anzuzweifeln und dann auch noch – 2.000 Jahre später – wissenschaftlich zu begründen. Der Autor des daraus hervorgegangenen Buches bezeichnete dieses angeblich selbst als „Schriftchen“ – auch das hat mich geärgert. Schriftchen. Das klingt so harmlos. Dabei sind die Zweifel, die er sät, keineswegs harmlos. Die Verunsicherung, die er stiftet, ist nicht harmlos: Sie kann für Menschen folgenschwer sein, Menschen in eine Krise führen. Solange das Schriftchen behauptet, die Wahrheit zu kennen, und nicht gleichermaßen Offenheit für eigenen Irrtum demonstriert, sind die geäußerten (wissenschaftlich begründeten) Vermutungen eine Herausforderung für jeden ernsthaft an Jesus glaubenden Menschen auf dieser Welt.

Weiter habe ich mich gefragt, ob ich nicht froh sein müsste über derartige Thesen. Ich bin doch auch an Wahrheit interessiert, ich möchte mich dem nicht sperren: Zweifel an etwas zu haben, ist nicht per se schlecht. Meine Wahrheitssuche geht jedoch nicht soweit, dass ich Lust hätte, das Buch zu lesen. Mit dieser Art Zweifeln möchte ich mich nicht auseinandersetzen, da hinein möchte ich meine Energie nicht investieren. Ehrlich gesagt? Interessiert mich nicht. Die historische Glaubwürdigkeit Jesu stellt heutzutage kaum jemand in Frage; ich habe in diesen Fragen nicht den Anspruch, auf dem neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu sein. Ich bin ein Schaf in der Masse der Gläubigen und überlasse derartige Untersuchungen und ihre Auswertung, Bestätigung oder Widerlegung gern anderen.

Meine abschließenden Gedanken gingen zu Gott selbst. Ich kenne ihn als einen liebenden Vater und einen eifernden Gott, der auch zornig sein kann. Um Menschen, die seinen Namen in den Schmutz ziehen, kümmert er sich selbst. Er will nicht, dass wir verurteilen und richten. Jesus selbst hat uns das vorgelebt. Als Petrus dem Soldaten des Hohepriesters ein Ohr abschlug, weil dieser Jesus verhaften wollte, da heilte Jesus dieses Ohr: „Lasst ab! Nicht weiter!“ (Lukas 22, 51) Oder: „Steck dein Schwert in die Scheide! Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat?“ (Johannes 18, 11)

Gott hatte schon immer Widersacher. Gott hat seine eigene Art, mit ihnen umzugehen: Für sie – wie auch für mich – hat er seinen Sohn auf diese Welt geschickt, durch die Kreuzigung sterben und nach drei Tagen auferstehen lassen. Das ist Ostern – auch wenn viele Menschen es feiern, ohne die Wahrheit dahinter zu verstehen oder zu glauben.

Nicht perfekt

Letztens bekam ich eine Karte, auf der stand: „Ich bin nicht perfekt, und ich arbeite auch nicht daran.“ Beruhigend, dass es anderen auch so geht.

Muss-nicht-Ferien

Es sind Ferien, und die Teenager schalten von einem Tag auf den anderen um auf „Chill-Modus“. Sie können tatsächlich den ganzen Tag nichts tun, sich nicht langweilen und trotzdem gut schlafen. „Keine Lust zu gar nichts“, scheint ihr Motto zu sein. Ich dachte, ich kann das nicht. Aus dem Alter bin ich raus.

Diese Ferien zeigten: Ich kann das auch. Die erste Woche war ich krank, die zweite faul. Das Fehlen von zwei Kindern – weniger Essen, weniger Wäsche – löste eine Lawine von Bequemlichkeit aus. Weniger „muss ich“ führte zu mehr „muss nicht“: Gartentätigkeiten? Keine Lust. Flur renovieren? Keine Lust. Unternehmungen mit den verbliebenen drei Kindern organisieren? Keine Lust. Mein Tun fuhr sich von selbst runter auf das unbedingt Notwendige. Darüber hinaus lief nicht viel.

Nächste Woche sind die Ferien vorbei. Ich könnte mich davor fürchten, könnte zweifeln, ob ich jemals wieder dem normalen Alltag standhalten kann. Ich tue es nicht. Ich kenne das schon. Nächsten Mittwoch geht die Schule wieder los. Am Mittwoch wird das Weckerklingeln die Ferien auf brutale Art beenden. Am Donnerstag werde ich den Schulalltag mit all seiner Struktur wieder zu schätzen wissen – und mit Tatkraft an die Extras gehen, die ich in den Ferien liegengelassen habe. Die Lust dazu ziehe ich aus den „Muss-nicht-Ferien“.

The relevance of a parent

I read something years ago. It left me thinking, wondering, doubting: „Judith Rich Harris … came up with a … thesis – that adolescents are more interested in imitating and learning from their peer groups rather than their parents. This thesis unravels all the conventional wisdom about parents and family and child-rearing; it means that, in some key sense, parent’s don’t much matter. …
Research shows that in many cases of a child’s personality development, the parents seem to be irrelevant. …“

I am a sceptic if it comes to studies because: if there is a study there will surely be its counter expertise. A study depends very much on what I want to find out, what I choose to be the limits of my research field, how I evaluate my results – to say nothing of who paid for it in the first place … I don´t believe in neutrality or objectivity if it comes to a study. I am easier convinced by what I experience. Perhaps this is naiv and stupid – be that as it may.

How much – if measurable at all – am I a product of my parents, my upbringing, my surroundings? Where do my convictions come from? Who or what shapes me the most?

I disagree that it´s only a little percentage the parents and much more the peer group. This might be the conclusion of a study but therefore not necessarily the truth: My parents´ influence is still present in my life – after 30 years of not living with them – and sometimes I am not so happy about it. On the other hand: for my kids I hope I give them more than only half of what they need to make it, to decide for themselves, to become stable and mature personalities, in a world which gets faster and less reliable by the minute.

Perhaps it´s only my pride. I don´t want to accept that ultimately I am no more than a sheep in a big flock running along without any real sense of direction – let alone without any relevant value for those people I love and care for so much.

Veto-Recht

Kalendarischer Frühling ist die Zeit des Aufräumens und Ausmistens. Drinnen: Gardinen waschen – so man denn welche hat; Sommer- gegen Winterklamotten tauschen und großzügig aussortieren, was nicht mehr passt; entsorgen, was sich angesammelt hat; Fenster putzen …

Wenn es nicht nur kalendarisch, sondern auch von den Temperaturen her Frühling wird, geht’s raus: Im Garten wächst alles von allein und in üppiger Weise – leider auch die Unkräuter, die sich den Winter über ähnlich zurückgehalten haben wie die im Garten erwünschte Vegetation. Dementsprechend muss ich Unkraut jäten, was ich in Maßen (!!!) auch ganz gern tue. Mein Mann lässt sich eher für andere Aufgaben einspannen – Holz wegräumen, Büsche umsetzen, Schneidarbeiten. Das Übliche eben.

Im Frühjahr reizen mich Tätigkeiten draußen mehr als Verschönerungsaufgaben im Haus. Es sei denn, es geht um die Notwendigkeit, gepflasterte Flächen zu reinigen. Hochdruckreiniger haben im Frühling Hochkonjunktur. Wir haben keinen. Mir fehlt auch keiner. Wenn bei uns jemals das Thema auf dieses Gerät kommen sollte, werde ich von meinem Veto-Recht Gebrauch machen. Da streiche ich doch lieber den Flur.

Löwenzahn-Glück

Die Kaninchenbesitzerin unserer Familie ist für zehn Tage weg. In der Zeit bin ich zuständig für die Kaninchen. Diese Zuständigkeit strengt mich eher an, als dass sie mich erfreut. Demzufolge versuche ich, mir das Leben als Kaninchenhüterin so leicht wie möglich zu machen: So früh es geht, setze ich die Kaninis auf den Rasen – da draußen muss ich ihre Hinterlassenschaften nicht wegräumen. So spät es geht, setze ich sie wieder in ihren – zugegeben – großzügigen Stall, in dem sie sich die ganze Nacht bewegen können, wenn sie mögen. Ich suche Löwenzahn oder organisiere grünes „Kaninchenfutter“ im Supermarkt, damit die mir anvertrauten Tiere keinen Hunger leiden.

Ich stelle fest, dass ich mich über Kaninchenhalter-freundliche Umstände noch mehr freue als sonst:

Es ist Frühling und warm, derzeit ohne Regen – das heißt, die Kaninis können im Garten auf den Rasen.
Zudem habe ich eine von Löwenzahn verseuchte Wiese abseits der Straße gefunden, die nicht gleichzeitig Hundeklo ist.
Wenn sich die Widerspenstigere von den beiden Haustieren leicht fangen lässt, zaubert mir das ein Lächeln ins Gesicht.
Ein wenig kommen alte bäuerliche Gefühle in mir hoch, wenn ich mit den beiden oder ihrem Stall beschäftigt bin – auch wenn ich sie nicht essen möchte.

Trotzdem freue ich mich über eine Tatsache noch mehr: Von den zehn Tagen „Tochter weg“ sind fünf bereits vorbei.

Fixiert und trotzdem frei

„Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.“
Johannes 8, 36

Jesus ist mein Fundament und derjenige, der meinen Wert bestimmt. Jesus sagt: „Ich liebe dich, ich nehme dich an, ich vergebe dir.“ Darauf stehe ich – aber manchmal nur wackelig. Dann baue ich mir Krücken und suche Bestätigung bei Menschen. Ist ja auch logisch: Wir sind soziale Wesen, die in Gemeinschaften leben und davon, wie wertgeschätzt wir uns in diesen Gemeinschaften fühlen. Wertschätzung ist sehr wichtig für uns – und genau das kann problematisch werden. Es geht nämlich ganz schnell, dass wir der Anerkennung von Menschen mehr Wert zumessen, als ihr tatsächlich zusteht: Wir machen uns abhängig vom Lob anderer, und damit machen wir uns abhängig von ihnen selbst. Von ihren Überzeugungen und ihren Erwartungen an uns. Davon, wie sie ihr Leben gestalten, was sie für richtig oder für ein No-Go halten. Und letztlich auch davon, wie sie in der Lage sind, uns zu lieben, anzunehmen und uns zu vergeben. Kein Mensch kann das so wie Jesus, und so werden wir Menschen enttäuschen, und sie werden uns enttäuschen – und dann kann es eben leicht passieren, dass wir uns verändern wollen, um doch zu gefallen.

Das aber ist eine ganz blöde Idee, denn dabei begeben wir uns in Zwänge und werden unfrei. Wir verbiegen uns, setzen Masken auf, werden unehrlich – und irgendwann mit Sicherheit sehr unglücklich. Es kann einfach nicht funktionieren. Ich habe es selbst versucht und bin krachend gescheitert.

Natürlich können wir nicht völlig unabhängig von unserem Umfeld leben. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass der Kern unserer Persönlichkeit frei sein muss von menschlichen Zwängen. Dennoch geht „frei sein“ nur mit einem Fixpunkt. Ohne diesen sind wir haltlos, orientierungslos und paradoxerweise total unfrei: Wir können uns nicht nach allem, jedem oder gar nichts richten; aber mit großer Sicherheit können wir auch nicht unser eigener Fixpunkt sein. (Das gilt meiner Meinung nach auch für Menschen, die meinen, an nichts und niemanden zu glauben.)

Gut dass Jesus für mich dieser Anker ist: Seine Maßstäbe sind klar, seine Liebe zu mir bedingungslos. An ihm kann ich mich orientieren; seine Vergebung setzt mich frei für ein Leben in dieser Welt und in einem sehr menschlichen Umfeld.

Frei, anders zu sein

Ich habe Kinder, die noch zu Hause wohnen. Ich weiß, dass sie größer werden und selbständiger und ich sie irgendwann ziehen lassen muss. Natürlich wünsche ich mir, dass sie zu lebenstüchtigen Menschen werden. Was auch immer im Leben vor ihnen liegt – wenn sie mich lassen, werde ich Anteil daran nehmen. Was auch immer sie machen werden – ich werde sie lieben, weil ich ihre Mutter bin.

Gern möchte ich meine Töchter und Söhne entlassen in ein selbstbestimmtes Leben. Irgendwann werden sie selbst am besten wissen, wie sie leben möchten, welche Prioritäten und Ansichten sie haben, für welche Überzeugungen sie kämpfen wollen. Sie sollen ihr Leben frei gestalten dürfen. Ich will ihnen nichts vorschreiben.

Ich wollte mir irgendwann auch nichts mehr vorschreiben lassen von meinen Eltern, wollte meine eigenen Entscheidungen treffen, meine eigenen Freunde haben und auf meine Weise Beziehungen pflegen. In manchem habe ich mich bewusst oder unbewusst nach dem gerichtet, was ich von zu Hause kannte; in manchem habe ich mich bewusst oder unbewusst von dem Vorgelebten distanziert.

Weil es mir schwerfällt, mich von Erwartungen anderer zu emanzipieren, ist es mir besonders wichtig, meinen Kinder gegenüber keine konkreten Erwartungen zu formulieren. Was nicht heißt, dass ich nicht doch ziemlich klare Vorstellungen habe, was gut für sie wäre und richtig und schön. Ich formuliere (vor allem auch nonverbal) Maßstäbe: „Jesus liebt dich, Sport ist toll, Bücher sind horizonterweiternd, Musik kann Emotionen freisetzen, Beziehungen zu Menschen sind überhaupt das allerwichtigste und werden am besten so und so gepflegt. Und so weiter und so fort.“ Insgeheim knüpfe ich daran die Erwartung, dass sie diese Dinge ähnlich sehen und handhaben. Die entscheidende Frage ist wohl die: Was passiert mit unserer Beziehung, wenn meine (unausgesprochenen, aber doch konkreten) Erwartungen nicht erfüllt werden? Sind meine Kinder wirklich frei? Dürfen sie anders sein?