Trockener Sommer

Letztens las ich von einem Bauern, der in diesem sehr trockenen Sommer sein Getreide den Kartoffeln geopfert hat. Beides konnte er nicht bewässern; er hat sich für die Kartoffeln entschieden. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass er nicht wollte (zu hoher Wasserverbrauch) oder nicht konnte (eine logistische Frage der zur Verfügung stehenden Sprenger und Generatoren in einem landwirtschaftlichen Betrieb). Auf jeden Fall fand ich es interessant, dass eben nicht alles möglich gemacht werden kann in der Landwirtschaft – und wenn wir hundertmal im 21. Jahrhundert leben.

Auf meiner Spazier- und Laufrunde komme ich regelmäßig an den Feldern eines anderen Bauern vorbei. Auch er bewässert seine Flächen, wenn nötig: im Frühsommer das Getreide, später die Kartoffeln. Gehe oder laufe ich weiter, passiere ich irgendwann das Grundstück einer asiatisch aussehenden Familie, die eine asiatische Variante von Vorgarten kultiviert: Zwei oder drei kurze Reihen Mais, Grünkohl, diverse andere Gemüsesorten, alles auf kleinstem Raum und von jedem ein bisschen – jeder Quadratmeter ist genutzt. Es sieht ertragreich und üppig aus, denn auch hier läuft oft ein Sprenger. Bei uns in der Gegend hat fast jeder einen eigenen Brunnen.

Und dann gibt es da noch den Menschen in der Nachbarschaft, der in seinem Garten das Putten üben will und deshalb den halben Garten in die Grünfläche um das Loch eines Golfplatzes umgestaltet hat. Auch er bewässert – so ein Golf-Rasen muss grün, dicht, frisch und was weiß ich noch sein.

Unlängst ging durch die Presse die Diskussion, dass in besonders trockenen Sommern den Landwirten das Bewässern ihrer Flächen limitiert werden sollte. Der Grund ist der Grundwasserspiegel, der nicht zu sehr absinken soll. Ich denke an den Bauern mit seiner Prioritätenliste – Kartoffeln vor Getreide – und habe meine ganz eigene im Kopf. Für mich käme der Landwirt immer zuerst…

Vor dem „Abflug“

Es ist Freitag. Wir wollen später noch übers Wochenende wegfahren. Alle packen selbständig, wir brauchen nicht viel und haben Zeit. Die Ruhe, in der dies geschieht, ist bestechend. Etwa eine halbe Stunde vor Abfahrt ändert sich die Atmosphäre:

Kind 1: „Gibt`s noch was zum Essen?“
Kind 2: „Ich habe dir eine Mail geschickt, da musst du was ausdrucken und unterschreiben.“
Kind 3: „Ich brauche einen neuen Füller.“
Kind 2: „Wir müssen am Sonntag unbedingt um 13 Uhr wieder hier sein, schaffen wir das?“
Kind 4: „Können wir die neue Federmappe für mich jetzt besorgen?“
Kind 2: „Hast du meine Trainingssachen gewaschen? Wo ist meine Jogginghose?“
Kind 4: „Kann ich schon ins Auto gehen? Wie lange fahren wir?“
Kind 5: „Kann ich die Melone aufschneiden?“
Kind 4: „Wo ist Papa?“
Kind 3: „Wann fahren wir los?“
Kind 4: „Wer fährt?“
Kind 2: „Was heißt, wir müssen „schicke“ Sachen mitnehmen?“

Ich freue mich auf den Moment, wenn wir losfahren – egal, ob wir etwas vergessen oder nicht.

Mal so, mal anders, dann wieder so

Moden kommen und gehen. Wir wissen das, und dennoch erscheinen uns manche Auswüchse von „in“ als noch nie dagewesen, modern, ungewöhnlich schräg oder ähnliches. Oder mir als Mutter auch nur als „nun ja, nicht ganz mein Fall“… In unserer Kleinstadt beispielsweise ist derzeit unter den männlichen Jugendlichen eine bestimmte Haarmode total angesagt – Seiten auf Null mit Übergang. Über Geschmack kann man streiten; aber die bloße Tatsache, dass fast alle so rumlaufen, löst bei mir eine gewisse Pauschal-Skepsis aus. Vor einigen Jahren noch hatten die männlichen Teenager längere Haare, die sie zu dauerndem Aus-dem-Gesicht-Schütteln veranlassten. Das damit verbundene leicht Wilde und Ungebändigte wurde nun abgelöst von einem ganz und gar exakten Haarschnitt, der immer sitzt und spätestens nach zwei oder drei Wochen des Nachschneidens bedarf. Schade. Es gefällt den Jungen besser – mir nicht. Ich warte auf die nächste Mode-Tendenz und hoffe auf etwas mehr „wuschelig“.

Gestern blätterten wir in einer alten Familienchronik unserer Familie. Die Fotos der zahlreichen Großonkel meiner Söhne brachten letztere zu Ausrufen des Staunens: „Die hatten alle die Seiten auf Null!“ Stimmt, es war alles schon mal da. In den 30er und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts trugen männliche Jugendliche die Haare sehr exakt geschnitten. War alles schon mal da, geht alles wieder vorbei, nichts ist so vergänglich wie der letzte Schrei in Sachen Mode. Nächstens könnten Rastalocken oder lange Zöpfe „in“ sein oder sogar Frisuren, die gar keine sind. Ich kann mich entspannen…

Faszinierend

Eine Freundin von mir hat ein paar Mäuse in zwei Terrarien. Sie sind klein und sehen putzig aus. Entweder sind die Mäuse in Bewegung oder sie liegen schlapp herum – ruhige bedächtige Bewegungen sind nicht ihr Ding. Wenn man es von außen und als Mensch beurteilen kann, wirken sie höchst zufrieden. Es sind wirklich interessante Tierchen – sie zu beobachten, macht sogar mir Spaß, obwohl ich kein erklärter Kleintier- oder Haustier-Fan bin. Mir ist aufgefallen: Sie können absolut mühelos auf zwei Beinen stehen. Sie laufen und rennen auf allen vieren und können natürlich besser buddeln, als hätten sie nur zwei Pfoten. Aber sie können eben auch total gut auf zwei Beinen stehen und ganz plötzlich in einer Bewegung verharren. Egal, wie weit ihr Oberkörper nach vorn geneigt ist – sie stehen auf ihren Hinterbeinen sehr stabil. (Auch die kleinen Mäusebabys machen das, sie müssen es offenbar gar nicht üben.)

Ihre längeren Hinterpfoten bieten sicherlich eine hilfreiche Auflagefläche. Wahrscheinlich wiegen sie nicht viel, dennoch verändert sich doch auch bei Mäusen der Schwerpunkt, wenn sie sich vornüber beugen. DENNOCH: Wie sie einfach so still stehen und schauen und sich dann – ganz kontrolliert und ruhig – auf alle viere runterlassen (und losrennen, nur um sich im nächsten Moment wieder aufzurichten und still inne zu halten), das fasziniert mich. Gott meinte wohl, sie könnten diese Fähigkeit gut brauchen – und schwups hat er sie damit ausgestattet. Es wirkt wie der Sieg der Mäuse über die Schwerkraft…

Alles Musik aus deiner Zeit, oder?

Meine Kinder und ich teilen nicht ganz denselben Musikgeschmack. Es gibt gemeinsame Schnittmengen, vor allem mit den Töchtern; aber grundsätzlich erfreut sich die nächste Generation an anderen Liedern als ich. Gut so und richtig, glaube ich. Ich persönlich weiß kaum, was heute angesagt ist; mein ältester Sohn dagegen kennt sich in meinem eigenen Musikspektrum ziemlich gut aus: Die 80er Jahre sind ihm kein Rätsel, er kann viele Lieder mitsingen, hat die Melodien und Rhythmen erstaunlich gut drauf. Das erstaunt mich immer wieder. Letztens amüsierten wir uns eine Weile mit „Kennst du das?“; ein weit verbreiteter Musik-Streaming-Dienst macht Hörproben möglich.

Interessanterweise warf er dann zwischen deutschen Liedern von Heinz Rudolf Kunze, Herbert Grönemeyer, Marius Müller Westernhagen und Nena ein: „Kennst du `Wahnsinn´ von Wolfgang Petry?“ Ich hatte natürlich eine Ahnung, fand aber, dass Wolfgang Petry in eine ganz andere Schublade gehört als die anderen Interpreten. Sie mögen alle aus den 80ern sein, dennoch fanden typische Schlager damals keinen Platz in meinem Herzen – und keine empfangsbereiten Ohren. Ich weiß nicht, ob mein Sohn den Unterschied nicht hört – vielleicht erfolgt die Bewertung von Musik mit zeitlicher Distanz nach ganz anderen Kriterien…

Kein Problem!

Zwei Kinder sind eine Woche im Zeltlager. Als sie wiederkommen, türmen sich die Wäscheberge. Auch die nicht getragenen Klamotten müssen gewaschen werden: Alles riecht entweder rauchig oder muffig. Obwohl ich es geahnt hatte, bin ich überwältigt von der Masse der Klamotten, die zwei Personen in einer Woche „verschmutzen“ können: Oh je!

Ich habe eine Waschmaschine, das Wetter ist ganz passabel. Eine Erinnerung an meine Oma kommt hoch: Sie hatte einen Waschkessel in einem Nebengebäude, mit Waschbrett. Ich verbiete mir jegliches „Oh je!“ und denke stattdessen: „Kein Problem!“

Alt, aber nicht tot

Mein alter Wanderrucksack ist 28 Jahre alt. Damals brauchte ich ihn für einen längeren Auslandsaufenthalt und nutzte ihn danach noch einige Jahre für Reisen und die seltenen Pendelfahrten zwischen alter Heimat und Studienort. In den vergangenen 20 Jahre war ich nicht mehr mit ihm unterwegs.

Dieses Frühjahr fiel mir der Rucksack beim Entrümpeln in die Hände: Abgestoßene Ecken, ausgeblichene Farbe, ein leicht lädierter Innenraum und vor allem die Tatsache, dass ich das Ding zwei Jahrzehnte nicht benutzt hatte, besiegelten sein Schicksal: Weg damit. Alles, was wir aussortieren – weggeben, verkaufen, oder wegwerfen – wird gesammelt und landet normalerweise im Keller. Dort fand ihn mein Mann und dachte sich: „Behalten wir! Kann man immer mal gebrauchen.“ Vor zwei Wochen packten unsere zwei Töchter für eine 7-Tage Pfadfinder-Fahrt. Die über die Jahre angeschafften (kleinen bis mittelgroßen) Wanderrucksäcken erwiesen sich als völlig unzureichend. Der „Kann man immer mal gebrauchen“-Rucksack dagegen löste ein „Wunderbar, Mama, den nehmen wir!“ aus.

Sowas nennt man wohl „gelungene Wiederbelebung“!

Der genauso alte Schlafsack von besagtem Auslandsaufenthalt wird ebenfalls in schöner Regelmäßigkeit benutzt. Nur die Wanderschuhe aus der Zeit sind schon einige Jahre im „Ausrüstungs-Himmel“…

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold

Mein Sohn hat einen Rüffel bekommen (nicht von mir!), weil er sich nicht an eine Abmachung gehalten hat. Für ihn war seine Grenzüberschreitung eine kleine Sache; die empfangene Schelte kam ihm überzogen vor. Die ganze Sache ist kein Drama, aber mein Sohn ist wütend und artikuliert das auch – mir gegenüber.

Ich bin ratlos, wie ich reagieren soll, empfinde seine Wut als dem Vorfall unangemessen. Eine Weile höre ich mir an, wie er sich über die „ungerechte Strafe“ aufregt. Offenbar sucht er bei mir auch nach Bestätigung seiner Sicht: „Wie blöd ist das denn?“ Ich weiß nicht und werfe einen Satz ein, den ich von meiner Oma gelernt habe: „Liebe Seele hab` Geduld, es haben alle beide Schuld.“

Ganz falsch. „Immer schlägst du dich auf die Seite der anderen, nie stehst du einfach nur zu mir“, ist die prompte Reaktion meines Sohnes, und das Gespräch ist vorbei.

Was wäre besser gewesen? Nach einer Weile dämmert`s mir: Gar nichts zu sagen. Ich hätte es wissen können: „Hör mir zu und sag nichts“ ist genau das, was ich mir oft als Reaktion wünsche. Für „Hör mir zu und sag was“ brauche ich meist ein paar Tage in der Schmoll-Ecke.

Kräftemessen

Zwei zehnjährige Jungen spielen im Garten, spielen Fußball, tauchen im Pool ab und wieder auf – und laufen um die Wette: „Du bist bestimmt schneller, ich kann nicht so schnell rennen“, sagt mein Sohn. Häh? Abgesehen davon, dass er den anderen Jungen nicht gut kennt: Mein Sohn weiß, dass er selbst sehr flink ist. Er hat das schon oft erlebt, wir haben es schon häufig bestätigt. Warum sagt er das? Möchte er bescheiden oder freundlich sein oder den Konkurrenten in Sicherheit wiegen? Ich weiß es nicht.

Sie laufen um die Wette, mein Sohn gewinnt (knapp). Glücklicherweise kostet er den Sieg nicht lautstark aus. Anschließend spielen sie fröhlich weiter zusammen. Jungen brauchen den Wettbewerb…

Wie sieht das aus?

Ich fahre zu einer Freundin, weil sie mich in einem Internet-Programm schulen will. Meinen Laptop nehme ich mit. Zwar weiß ich nicht, ob ich das Gerät brauche; aber ich könnte die verbleibende Zeit für einen Schreibauftrag nutzen. Im Zug packe ich das Gerät nicht aus. Zu sehr habe ich die Befürchtung, nach „Ich bin wichtig!“ auszusehen.

Wie wenig mir die Meinung anderer (mir unbekannter!) Menschen egal ist – erschreckend!