Der halbe Weg

„Der erste Schritt ist der halbe Weg“, heißt es. Stimmt. Ganz oft jedenfalls. Es ist keine Schande, wenn dieser einem schwerfällt. Unterwegs stellt man dann sehr oft fest: „Der Weg ist das Ziel.“ Und das Zögern vor dem ersten Schritt erscheint einem im Nachhinein unnötig. Einmal losgegangen entsteht eine eigene Dynamik. Einmal angekommen ist die Freude kurz – ein Ziel ist kein Ort zum Verweilen. Aus der schwierigen Entscheidung vor dem ersten Schritt wird im Nachhinein manchmal der – leicht arrogant klingende – Satz: „Kenn ich, weiß ich, war ich schon.“

Dabei überbewertet man dadurch vielleicht das Ziel – obwohl das „Dahinkommen“ viel länger dauert, uns viel mehr prägt, von viel größerer Bedeutung ist.

Vernünftig

Zum dritten Mal in meinem Leben habe ich eine Gürtelrose. Jedes Mal erwischt es mich ein wenig aus blauem Himmel: Dass man sich vielleicht zu viel zugemutet hat, merkt man ja oft erst im Nachhinein. Leider ist eine Gürtelrose ziemlich lästig und auch schmerzhaft. Man kann sie behandeln, aber vor allem sollte man sich schonen. Also: Weniger tun und stattdessen ausruhen oder spazieren gehen, alles Nötige langsamer angehen, haushalten mit den eigenen Kräften. Natürlich beuge ich mich dem Diktat der Erkrankung; ich bin ausgebremst. Allerdings nervt es mich, dass ich mich nicht so belasten darf, wie ich es gern tun würde – und auch denke, dass es nötig wäre.

Und siehe da? Es funktioniert! Es geht auch in einem langsameren Tempo; es gibt immer etwas, was man nicht unbedingt machen muss, sondern einfach sein lassen kann.

Ich nehme mir (wieder) vor, langfristig besser mit meinen Ressourcen umzugehen. „Vernünftig“ ist nicht unbedingt ein Adjektiv, das mich treffend beschreibt; und von guten Vorsätzen halte ich nicht viel. Aber gerade – sozusagen in der Akut-Situation – bin ich ganz vernünftig und voller guter Vorsätze…

Mutig?

Komischerweise war ich als junger Mensch trotz all meiner Unerfahrenheit einigermaßen mutig und draufgängerisch. Ich bin einfach allein losgezogen, habe nur grob geplante Urlaube beziehungsweise längere Auslandszeiten in Angriff genommen, einen Job ohne Alternative gekündigt, wildfremden Menschen Dinge geliehen, bin per Anhalter gefahren. Vielleicht ist das nicht mutig, sondern einfach nur angstfrei, weil jugendlich unbedacht. Auf jeden Fall hat es mich mit großer Unbeschwertheit viel erleben und gute Erfahrungen machen lassen: Dass es immer irgendwie weitergeht, zum Beispiel, oder dass manche Schwierigkeit im Nachhinein deutlich kleiner aussieht als vorher. Nicht zuletzt, dass ich in den Zeiten des größten Alleinseins Gottes Nähe am stärksten spüren konnte.

Auf jeden Fall ist es heute anders. Als mutig würde ich mich nicht mehr bezeichnen. Außerhalb gewohnter Bahnen traue ich mir wenig zu. Ich erlaube Bedenken, meinen Mut zu verringern – und bedaure das sehr.

Zum einen liegt es wohl am Alter: Jugendliche Unbeschwertheit ist dem Bedürfnis einer mittelalten Frau gewichen, erst nachzudenken und dann zu handeln. Zum anderen ist seit Jahrzehnten mein Lebens-Radius eng und klar begrenzt – sowohl räumlich als auch hinsichtlich der alltäglichen Herausforderungen. Mit Unbekanntem und Neuem muss ich mich nur selten befassen. So bequem das ist, so einengend kann es sich auswirken. Ich persönlich finde das schade und habe beschlossen, mir Mut zurück zu erobern. Für eine Woche lasse ich meinen Alltag los und werde mich allein aufmachen. Meine persönliche Auszeit. Ich fühle mich nicht mutig, aber ich mache es trotzdem und bin gespannt, was passieren wird.

Von wegen Multitasking

Ein (in meinen Augen kluger) Mönch hat mal gesagt: „Wenn ich stehe, dann stehe ich; wenn ich gehe, dann gehe ich; wenn ich sitze, dann sitze ich…“. Nicht schon das nächste denken, nicht schon innerlich auf dem Sprung sein – und schon gar nicht zwei Sachen auf einmal tun.

Ach, wie schön: Multitasking adé!

Nicht schlauer als vorher

Kürzlich saß ich in einem Vortrag. Freiwillig, aber ohne zu wissen, worauf ich mich einlasse. Ein Bekannter berichtete von dem, was ihn begeistert. Binnen kürzester Zeit bemerkte ich in mir nicht nur ein schier bodenloses Desinteresse an der Thematik an sich – irgendetwas Naturwissenschaftliches -, sondern außerdem einen erschreckenden Mangel an Verständnis: Ich konnte den Ausführungen nicht folgen. Ich halte mich nicht für besonders dumm, allerdings bin ich offenbar auch nicht überdurchschnittlich schlau. Wenn ich ehrlich bin, war der Vortrag für mich zu schwer verständlich, zu wenig anschaulich und noch dazu schlecht strukturiert.

Da ich kaum etwas verstand, schweiften meine Gedanken ab: Wenn mich der Vortrag vor allem langweilt – wieso bleibe ich sitzen? Ich bin höflich, aber darf diese Höflichkeit eine Grenze haben? Darf ich gehen? Wie beleidigend ist Ehrlichkeit in dem Fall – oder wie hilfreich?

Von der Thematik selbst weiß ich kaum noch etwas, obwohl ich bis zum Ende da blieb. Bezüglich der Fragen, die ich mir gestellt habe, bin ich leider auch nicht schlauer als vorher.

Austauschbar oder einzigartig?

Mein Leben besteht aus vielerlei Aufgaben, die ich verschieden gut und unterschiedlich gern bewältige. Weil ich – wie jeder andere auch – Stärken und Schwächen habe, bin ich für manches begabt, in manchen Bereichen dagegen reichlich talentfrei. In der Summe entspricht mein Alltag nicht in vollem Umfang dem, was ich mit meinen Anlagen tun und aus meinem Leben machen könnte. Andererseits beschäftigt mein Alltag mich fast umfänglich.

Ich könnte mich vorrangig ärgern darüber, was ich nicht tun kann, oder mich vorrangig freuen an dem, was ich tun kann. In Wirklichkeit erlebe ich mich mit meinen Empfindungen dazwischen: Ich pendele hin und her von „Mein Alltag ist abwechslungsreich, erfüllend, ausreichend – genau passend für mich“ bis zu „Mein Alltag blockiert die Entfaltung meiner Begabungen – um mich selbst geht es darin gar nicht“.

Ich glaube: Es ist wichtig, dass ich mit ganzem Herzen all das tue, was zu meinem Leben nun mal dazugehört. Weniger wichtig ist, dass ich in meinem Leben genau das tue, was 100-prozentig zu mir passt (obwohl die Gesellschaft uns vorgaukeln will, dass wir einen Anspruch darauf hätten). Fakt ist: Nur selten liegen meine Gaben und Aufgaben absolut deckungsgleich übereinander. Trotzdem bin ich nicht todunglücklich über zu wenig Selbstverwirklichung – häufig bin ich sogar mehr als zufrieden mit dem IST-Zustand. Dies liegt wohl weniger an meiner grundsätzlichen Genügsamkeit als daran, dass Gott mir Genügen schenkt in dem, wie mein Leben verläuft. In meinem Alltag mag ich mich als sehr austauschbar erleben; die darin mögliche Begegnung zwischen Gott und mir ist immer einzigartig.

Meine Hoffnung

Die Bibel ist nicht langweilig und keine leichte Lektüre, wie Eugene H. Peterson sagt: „Worte sind nicht nur Worte – sie transportieren Geist, Bedeutung, Energie und Wahrheit.“ (Eat this Book, E.H. Peterson) Wenn ich mich ihr aussetze und Gottes Geist Raum gebe – vorbehaltlos -, werden meine Worte das hin und wieder auch tun.

Listening may not be the hardest part

Usually it`s difficult for me to experience an audible voice when it comes to God`s talking. On some occasions though I can`t avoid the realisation that God`s ways to contact me – or my soul, for that matter – are as unavoidable and unmistakably clear as any other voice:

I love my husband very much, but still our communication sometimes gets complicated. A while ago some unhealthy and sulking thoughts unfolded itself in my brain: „I don`t want to be the one to take the first step, I don`t see the need to apologize. I`d rather keep my tongue and be quiet.“ And so on and so forth.

At last there came a time when God decided to put a stop to all of that destructive thinking. He let me read an article about a woman who took 1st Corinthians 13 as a role model to love her (in her case: unfaithful) husband: „Love is patient, love is kind. It does not envy, it does not boast, it is not proud. It does not dishonor others, it is not self-seeking, it is not easily angered, it keeps no record of wrongs. … It always protects, always trusts, always hopes, always perseveres. Love never fails.“ (1st Corinthians 13, 4-8) This woman practised all that towards her husband without expecting a special or appropriate response. It changed herself and saved her marriage.

The next day I talked to a friend who – out of the blue – spoke to me about the way husbands and wifes should treat each other: „However, each one of you must also love his wife as he loves himself, and the wife must respect her husband.“ (Ephesians 5, 33) My friend is not married, but for herself she extended this verse onto all of her male contacts: colleagues, neighbours, friends, acquaintances and the like. In doing so she challenged us both to translate those verses into action – towards the men in our lifes.

In the evening of the same day I watched an episode of my favourite series: Elementary. Normally a crime novel, this particular episode included some advice from Joan Watson to Sherlock Holmes concerning his new girl friend. She quoted Shakespeare: „Give to a gracious message a host of tongues, but let ill tidings tell themselves when they be felt.“

Sometimes God is so funny. Not enough to hurl some bible verses into my way, but in the end he uses Shakespeare (I don`t even like him so much that I actually would read his plays) via a rather secular TV series to further stress, what he wants to tell me – not to be overheard by the stubborn, proud, arrogant ME which lives inside this human shell and likes do be seen as gracious, holy, understanding and forgiving but actually is none of those things if it comes to everyday realities …

Now it was (and is!) up to me to actually listen to God`s advice and do something about it – which is actually more difficult than hearing God`s voice in the first place…

Genau richtig

Ich hatte vor kurzem ein Problem mit meinem Konto: Dieser ganze Online-Kram wird immer sicherer – in meinem Fall so sicher, dass ich selbst keinen Zugriff mehr auf mein Geld hatte. Hilfe! Wenn man nicht weiterkommt, gibt es glücklicherweise sogenannte Hotlines, die man anrufen kann. Die meiner Bank war auch am Wochenende besetzt, und ich landete ohne lästige Warteschleife direkt bei dem Richtigen. Der mittelalte Mann klang schon bei der Begrüßung so freundlich, als wäre mein Anruf eine sehr willkommene Abwechslung an seinem Samstagnachmittag. Mein Problem? Kein Problem: „Wir machen das zusammen Frau Hecker, es ist ganz einfach“, sagte er – und sollte recht behalten.

Fünf Minuten später lief alles, nach jeder Menge Gelächter und Ermutigung. Ich hatte keine Ahnung, aber ich kam mir weder ahnungslos noch begriffsstutzig vor. Geduldig und zielsicher führte er mich durch die Untiefen eines sich normalerweise selbst erklärenden Menüs, an dem ich zuvor schon dreimal gescheitert war: „Wenn es jetzt noch nicht funktioniert, rufen Sie wieder an und berufen sich auf mich“, schloss mein Helfer in der Not seine Erklärungen – total freundlich, fröhlich und nett. Noch Tage später denke ich: Da ist einer in seinem Job genau richtig.

Komplex oder kompliziert?

Ich bin kein politischer Mensch, ich beobachte die Lage in der Welt eher mit einer schlichten Allerwelts-Schlauheit. Politische Zusammenhänge sind mir nicht klar, politisches Kalkül keine Sache, die ich durchschaue. Politik ist mir zu komplex, das können andere besser.

Es fällt mir sogar schwer, politische Entscheidungen zu bewerten: Dass die Briten aus der EU austreten wollen, kann ich weder begründet nachvollziehen noch ablehnen – ich finde es einfach nur schade. Sie mögen ihre Gründe haben. Es macht jedoch eher den Eindruck, die Entscheidung für den Brexit geht auf das Konto einiger weniger: Diese Leute nutzten in einem unbedachten Augenblick die Schwächen einer funktionierenden Demokratie aus. Es gelang ihnen, einem latent wütenden und beeinflussbaren Teil dieses ansonsten entspannten und humorvollen Volkes Macht und eine Stimme zu geben. Dies mündete in einer spontanen, reichlich unüberlegten Entscheidung. Mit deren komplizierten Folgen müssen jetzt nicht nur die Briten leben, sondern ganz Europa. Heerscharen von Abgeordneten beschäftigen sich seit Jahren mit einem zu lösenden „gordischen Knoten“, den es vor dem Brexit-Referendum überhaupt nicht gab.

In den letzten Monaten und Wochen beobachte ich aus der Ferne, wie Politiker den mit dem Brexit verbundenen Kollateralschaden möglichst in Grenzen halten wollten. Hin und her, Verhandlungen hier und da, Kommentare von dem oder der. Dann die – für mich so nicht absehbare – Niederlage von Theresa May und ihr Rücktritt. Danach die Wahl von Boris Johnson: Ausgerechnet derjenige, der für das ganze Schlamassel federführend (mit) verantwortlich ist, soll es jetzt richten? Offenbar befürworten doch mehr Briten, als ich dachte, den Austritt aus der EU.

Wie es dann aber so ist: Johnson verhält sich so offensichtlich unpolitisch – wenig kompromissbereit und vor allem sehr Ich-orientiert -, dass selbst britische Politiker es nicht mehr aushalten und ihm die Gefolgschaft verweigern. Das macht die Sache nicht einfacher, eher komplizierter. Das Parlament ist zerstritten, der Brexit – wie auch immer – schwieriger realisierbar als je zuvor. Aber es gibt mir meinen Glauben an die Politik zurück, vielleicht sogar an die Demokratie. In einer solchen sollten Leute am Ruder sein, die mutig genug sind, kluge Entscheidungen um des großen Ganzen willen zu treffen. Dafür müssen sie komplex denken und weitsichtig handeln können sowie bereit und in der Lage sein, ihre eigenen Interessen in den Hintergrund zu stellen, um den Menschen zu dienen, die sie gewählt haben. Im Fall der Briten beobachte ich weiter aus der Ferne, wie sie hoffentlich von „unlösbar kompliziert“ zurück zu „komplex, aber machbar“ kommen.